Instagram bekämpft sein Glaubwürdigkeitsproblem

Influencer Das soziale Foto-Netzwerk ergreift Massnahmen gegen falsche Likes und Kommentare. Das sei überfällig, sagt ein Experte.

Instagram will gegen falsche Likes, Kommentare und Follower vorgehen. Mittels maschinellen Lernens sollen Manipulationsversuche erkannt und beseitigt werden, schrieb das Unternehmen vorgestern in seinem Blog. Das sei auch bitter nötig, sagt Ben Rüegg: «Ich schätze, dass fünfzig Prozent der Influencer Bots für Likes und Kommentare einsetzen oder Follower kaufen.»

Rüegg betreibt die Website Likeometer.co, die den Einfluss der einzelnen Influencer misst. Und Rüegg hat festgestellt, dass die Massnahmen bereits Wirkung zeigen: Bei einzelnen Stars der Plattform wurde die Anhängerschaft um ein- bis zweitausend Leute dezimiert, weil Instagram bei den Bots aufräumt: Bei ihnen zeigt die Likeometer-Kurve seit vorgestern steil nach unten.

Instagram hat bereits zuvor versucht, das Problem mit den Manipulationsversuchen zu lösen, doch erfolgte dies eher halbherzig. Auch dieses Mal werde man sehen müssen, wie effektiv die Massnahmen seien, sagt Ben Rüegg. Jedenfalls sei die Botschaft angekommen, dass jetzt durchgegriffen werde: «Ich habe Hoffnung, weil jetzt künstliche Intelligenz eingesetzt wird und Nutzer informiert werden, wenn Follower verschwinden.» Früher sei das stillschweigend passiert und war für die fehlbaren Influencer weniger erkennbar.

Eine der Methoden zur künstlichen Vergrösserung der Reichweite eines Posts sind die Engagement-Gruppen. Die Influencer verbinden sich via Whatsapp oder mit dem Signal-Messenger. Wenn ein Gruppenmitglied ein neues Posting macht, versehen ihn die anderen mit einem Like oder einem Kommentar. Wenn das innerhalb der ersten Stunde nach der Veröffentlichung geschieht, gibt der Instagram-Algorithmus dem Beitrag mehr Gewicht und zeigt ihn bei mehr Nutzern an. Doch die Kommentare sind in aller Regel nichtssagend, ein simples Emoji oder ein, zwei Wörter ohne Bezug zur Veröffentlichung. Wenn sich solche Null-Kommentare häufen, ist das ein klares Anzeichen für eine konzertierte Aktion.

Enorme Summen im Spiel

Ist das Geschäftsmodell des Influencers durch diese Manipulationen infrage gestellt, oder sind die Betrugsversuche Teil des Spiels? Rüegg ist sich sicher, dass die Influencer neue Methoden finden werden, sich unfaire Vorteile zu verschaffen: «Da sind sie kreativ. Und das Influencer-Marketing ist im Kommen, und man kann krass viel Geld verdienen», sagt der Instagram-Experte.

Sinnvoll fände er, wenn die Agenturen und die auftraggebenden Firmen die Möglichkeit hätten, sich darüber zu informieren, welche Influencer in der Vergangenheit Bots eingesetzt haben. Schliesslich sind sie die Geschädigten, wenn einer ihrer Kunden keine echten Nutzer anspricht, sondern bloss eine Bot-Armee. Allerdings ist es auch möglich, Follower für fremde Instagram-Nutzer zu kaufen, um sie zu diskreditieren. Wenn Instagram Betrügereien stärker ahnden würde, könnten einige auf die Idee kommen, Konkurrenten zu sabotieren.

Für Instagram ist die Bekämpfung des Betrugs nicht bloss Fassadenpflege. Einerseits schadet es dem Image und der Glaubwürdigkeit, wenn alle schummeln. Es schadet dem Image, wenn Betrug salonfähig ist und das alle wissen. Aber es gibt noch einen zweiten Faktor: Wenn Influencer nicht mittels Bots und anderer Methoden für Reichweite sorgen, müssen sie Anzeigen buchen und ihre Posts sponsern, um gesehen zu werden. Und das ist für die Social-Media-Plattform eine wichtige Einnahmequelle.

Nano-Influencer kommen

Instagram muss auch deswegen durchgreifen, weil bereits eine neue Gattung der Influencer dabei ist, für Werbetreibende interessant zu werden. Die «New York Times» hat vor zwei Wochen über das Phänomen der Nano-Influencer berichtet: Das sind Leute mit einer Anhängerschaft von wenigen Tausend, die bereit sind, Werbung zu betreiben. «Ihre Stärke ist, dass sie nicht berühmt sind.» Wenn ein Nano-Influencer ein Shampoo oder eine Hautlotion empfiehlt, wirkt das wie echte Mundpropaganda.

Die Hersteller würden gerne mit den Nano-Influencern zusammenarbeiten, weil sie pflegeleichter seien als die Stars, die mit der grösser werdenden Gefolgschaft auch die Honorare erhöhen. «Für ein Gratisprodukt oder eine kleine Kommission sagen die Nanos alles, was die Unternehmen wollen», schrieb die «New York Times» weiter.

Matthias Schüssler

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 21. November 2018

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