Pro & kontra Die neuen Macbooks bringen einen Mini-Touchscreen, neue Anschlüsse und ein dünneres Design. Doch für Diskussionen sorgt vor allem etwas: Sie verzichten auf den Start-Akkord.

Sollen Macs stumm starten?

Matthias Schüssler
Redaktor und Mac-Anwender seit 1989.

Nein

Apple liebt den grossen Auftritt. Bei den Keynotes, wo die Apple-Führungscrew vor den Augen der Weltöffentlichkeit in die Fussstapfen Steve Jobs’ tritt. In den Stores mit ihren grosszügigen Auslagen, die auch einem Juwelier zur Ehre gereichen würden. Und bei den auf Accessoires getrimmten Geräten, die für ihre schlichte Schönheit bewundert werden wollen.

Die Macs leisten ihren Auftritt, indem beim Einschalten ein satter Klang erschallt: selbstsicher und etwas grossspurig, nicht so wie ein duckmäuserischer Windows-PC. Der Arpeggio-Akkord stammt von Mark Lentczner, und er ist zu hören, seit vor 29 Jahren der Macintosh II auf den Markt kam. Das «Klong» bringt zum Ausdruck, dass die Selbstdiagnose keine Fehler gefunden hat. Und es gibt seinem Besitzer die Gewissheit, dass die Welt in Ordnung ist. Und ganz nebenbei erfahren alle Leute in der Umgebung, dass da einer einen Mac benutzt.

Das ist identitätsstiftend, genauso wie die Symbole von Grafikdesignerin Susan Kare. Sie hat den Happy Mac entworfen, der beim Booten erscheint, und sie zeichnet für den Mac-Papierkorb und viele der originalen Macintosh-Schriften verantwortlich. Kare hat übrigens für Microsoft die Karten des Solitär-Spiels entwickelt, das seinerseits für viele Nutzer das Beste an Windows überhaupt darstellt.

Die Optik und der Sound, sie geben den Macs ein Gesicht und Charakter. Sie machen ihn zum Freund und nicht, wie der nüchterne Look von Windows, zum simplen Arbeitstier. Mag sein, dass Apples Chefdesigner Jony Ive wenig Wert auf die Hinterlassenschaften seiner Vorgänger legt. Vielleicht empfindet er sie als Bürde, als Hindernis bei der Verwirklichung seiner eigenen Vision. Das wäre schade, genauso wie es schade ist, dass der Akkord nun bald ausgedient hat. Denn er ist heute ein Kulturgut. Und um Welten charmanter als Design so zu verstehen, dass man mit möglichst teuren Materialien – Stichwort Roségold – protzen zu müssen glaubt.

Läuft er überhaupt? Bei den neuen Macbook-Modellen gibt es keine akustische Startbestätigung mehr. Foto: David Paul Morris (Bloomberg)

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 2. November 2016

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