Google bleibt auf konventionelle Weise unkonventionell

Matthias Schüssler

Die Angst, dass Larry Page und Sergey Brin die Welt nun von A bis Z dominieren, ist verfrüht.

Aus rationaler Sicht ist die neue Struktur des Google-Konzerns richtig und längst überfällig: Unter dem Namen der Suchmaschine haben sich Unternehmungen zusammengefunden, die mit dem Kerngeschäft – Suchmaschine, Karten, Youtube – nichts mehr zu tun haben. Google ist längst ein Megakonzern, der immer weiter von der Internetwelt in die Realwirtschaft expandiert. Diese vielfältigen Aktivitäten separat zu gliedern, erhöht die Beweglichkeit und erschliesst steuerliches Optimierungspotenzial. Laut «Wall Street Journal» hat Alphabet im US-amerikanischen Steuerparadies Delaware seinen Sitz.

Und aus Sicht der Risikoverteilung ist die neue Struktur eine Notwendigkeit: So wird seit längerem auf die Gefahren hingewiesen, die beispielsweise aus dem Geschäft mit den selbstfahrenden Autos entstehen könnten – denn in dem Bereich kann schon ein kleiner Fehler schnell zu astronomisch hohen Schadenersatzforderungen führen. Mit der neuen Orientierung wird das Internetgeschäft, das weiterhin die Haupteinnahmequelle des Konzerns bildet, von den experimentellen Geschäftsfeldern isoliert. Geschäftszweige, die eigenständige Erfolge aufweisen, lassen sich jetzt leichter ausgliedern. Und: Google stellt mit der neuen Struktur mehr Transparenz in Aussicht. Ob dieses Versprechen eingelöst werden wird, glauben bislang noch nicht alle Analysten.

Hat Google das Alphabet gekauft?

Die emotionale Stimmungslage ist demgegenüber nicht so positiv. Da befeuert der neue Name alte Ängste. Nämlich die von der Krake, die sich nun nicht nur im Internet alle Daten schnappt, sondern die ganze Welt in den Würgegriff nimmt: «Hat Google etwa das Alphabet gekauft?», fragte eine Nutzerin auf Twitter – und auch die neue Internetadresse Abc.xyz impliziert, dass Google eine Dominanz von A bis Z und von Alpha bis Omega anstrebt. Im Netz finden sich denn auch schon ABCs von existierenden und spekulativen Betätigungsfeldern, die – humorvoll oder mit einem unheilvollen Unterton – prophezeien, dass künftig gar kein Lebensbereich mehr vor den umtriebigen Herren Page und Brin sicher sein wird.

Der unkonventionelle Koloss

Von den diffusen Ängsten bei den Nutzern (und der übrigen Menschheit) haben sich die Google-Gründer bislang nie beeindrucken lassen. Eines darf man indes für bare Münze nehmen – der unbändige Drang, anders zu sein, wird uns erhalten bleiben. «Google ist kein konventionelles Unternehmen», schreibt Larry Page in seinem gestrigen Blogpost zum neuen Namen. «Und wir haben nicht die Absicht, ein konventionelles Unternehmen zu werden.»

Selbst wenn die neue Struktur arg an traditionelle Wirtschaftskolosse wie Siemens oder General Electric erinnert, hat sie den Zweck, den Gründern ihren fast kindlichen Spass an der Sache zu bewahren. Bei Google Inc. wird sich nun Sundar Pichai um das Tagesgeschäft kümmern. Page und Brin leiten Alphabet. Es ist anzunehmen, dass sie die freigewordene Zeit nutzen werden, um die technischen Errungenschaften auszutüfteln, die nach den selbstfahrenden Autos, den Internetballonen und den smarten Kontaktlinsen kommen sollen. Doch auch für die wird gelten, dass sie sich nur dann durchsetzen, wenn die Menschheit sie haben will.

Weniger Tagesgeschäft, dafür wieder mehr Spass. Die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin, tauschen ihre Chefposten bei Google gegen die Leitung von Alphabet ein. Bild: Ben Margot/Keystone

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 11. August 2015

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