Antivirenprogramme

Hartnäckige Werbung in eigener Sache

Auf meinem Bildschirm ist ein hartnäckiges Fenster aufgetaucht: «Seien Sie kein Opfer von «Seedabutor». Upgraden Sie heute auf Antivirus Pro, um den nötigen Schutz sofort zu erhalten.» Es hat meinen Bemühungen, es zu beseitigen, widerstanden. Was kann ich tun?

Marianne Thurnheer, via Mail

Die Botschaft stammt von Ihrem Antivirenprogramm, Antivirus von Avira. Es will Sie mit sanftem Druck dazu bringen, von der kostenfreien Variante auf die ­Bezahlversion umzusatteln. Diese ist für 49 Franken zu haben.

Avira hat die von vielen Anwendern als lästig empfundene Werbung eliminiert. Da Sie sie noch sehen, nutzen Sie mutmasslich eine alte Version. Ein Update auf Antivir 2014 sollte das Fenster beseitigen.

Avira führt exemplarisch den Nachteil der kostenlosen Sicherheitsprogramme vor Augen. Die Entwicklung dieser Produkte ist teuer. Da ständig neue Schadprogramme auf der Bildfläche erscheinen, müssen die Hersteller kontinuierlich Aktualisierungen bereitstellen – und auch das kostet. Daher sind die kostenlosen Varianten der Sicherheitsprodukte (u. a. auch AVG-Antivirus) immer auch ein Vehikel, das den User zu den Bezahlvarianten hinführen soll. Das ist legitim, aber oft auch störend.

Avira hatte 2011 eine weitere Finanzierungsmethode entdeckt. Damals wurde zusammen mit der Gratisversion die Ask-Toolbar installiert. Diese ­Browser-Erweiterung hat den Zweck, die User von Google weg zur Ask-Suchmaschine zu lotsen. Die Ask-Toolbar installiert sich in aller Regel huckepack mit anderen Produkten. Heute ist oft ein Java-Update schuld, wenn Ask ungefragt auf dem Computer erscheint.

Die Toolbar ist schwer zu entfernen. Aufgrund dieser Merkmale zähle ich sie zu den Hijackern. Das ist eine (vergleichsweise eher harmlose) Form von Schadsoftware. Doch ob harmlos oder nicht: Wenn ein Sicherheitsprodukt dubiose Software verbreitet, hat der Hersteller sein Vertrauen verspielt. Daher rät die Kummerbox von Avira ab, obwohl mit neuen Versionen die Toolbar nicht mehr installiert wird.

Es gibt zum Glück eine gute Alternative: Security Essentials von Microsoft. Für Windows Vista und Windows 7 ist dieser Virenscanner kostenlos unter bit.ly/secessentials erhältlich. Bei Windows 8 und 8.1 ist eine Schutzfunktion namens Defender integriert. Sie übernimmt auch die Aufgaben von Security Essentials. Ein separater Virenscanner ist bei Windows 8.x nicht nötig.

Und genau so muss es auch sein. Der Schutz vor Schadsoftware gehört zu den zentralen Funktionen eines Betriebssystems. Microsoft muss mit Security Essentials kein Geld verdienen, sondern nur dafür sorgen, dass die User das Windows-Betriebssystem nicht (mehr) mit einer Brutstätte für Malware aller Art assoziieren.

Die Hersteller der kommerziellen Produkte haben ihrerseits ein Interesse, möglichst umfangreiche Softwarepakete zu verkaufen. Diese enthalten manchmal nutzlose, manchmal sinnvolle Zusatzfunktionen. Aber sie machen den Rechner auch träge und lenken den Benutzer durch Meldungen in eigener Sache ab. Typischerweise wird jede abgewehrte Gefahr ausführlich rapportiert. Der Benutzer soll sehen, wie gut er durch sein Kaufprogramm geschützt ist.

Meines Erachtens ist der kostenlose Schutz durch Security Essentials und Defender für die allermeisten Anwender ausreichend. Wenn Sie sich durch ein Kaufprogramm besser geschützt fühlen oder die eine oder andere Zusatzfunktion schätzen gelernt haben, ist es nicht verkehrt, wenn Sie bei Ihrem angestammten Produkt von Symantec, Kaspersky, McAfee und Co. bleiben.

Wenn Sie einen Wechsel ins Auge fassen, dann müssen Sie unbedingt daran denken, vorab den alten Virenscanner komplett zu entfernen. Wenn sich zwei Sicherheitsprogramme ins Gehege kommen, führt das unweigerlich zu Leistungs- und Stabilitätsproblemen. Entfernen Sie das alte Produkt direkt nach einem Neustart, indem Sie in der Systemsteuerung auf «Programme deinstallieren» klicken (bei Vista unter «Programme > Programme und Funktionen»). Sollte bei der Deinstallation ein Fehler auftreten, konsultieren Sie bitte die Supportseiten des Herstellers. Sie finden dort eine Anleitung zur Behebung des Deinstallationsproblems. Es gibt auch Programme zur Entfernung allfälliger Überreste, die Sie per Google mit dem Namen Ihres alten Antivirenprogramms und dem Stichwort «Removal Tool» aufstöbern.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 1. September 2014

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