Alternative zu Platzhirschen?

Ein Leben ohne InDesign?

Viva Designer ist eine Layoutsoftware mit langer Tradition, die es für deutlich weniger Geld gibt als InDesign. Sie kann auch in Workflows mit InDesign eingebunden werden – aber als Ersatz für Adobes Platzhirsch taugt sie nur in ganz bestimmten Fällen.

Matthias Schüssler «VivaDesigner bietet erheblich mehr Funktionen als Adobe PageMaker und 80 bis 90 Prozent der Funktionen, die XPress und InDesign in den aktuellen Versionen zur Verfügung stellen» – das ist die verblüffende Werbebotschaft von Viva, einem Softwareunternehmen aus Koblenz. Doch nicht nur der Funktions­umfang ist überraschend, sondern auch der Preis: VivaDesigner schlägt für Privatanwender mit lediglich 99 Euro zu Buche. Für die kommerzielle Version sind 299 Euro zu berappen und obendrein existiert eine kostenlose Free-Edition, der nur wenige Funktionen fehlen. Verzichten muss man als Anwender der Gratisvariante auf die Wörterbücher für Silbentrennung und Rechtschreibkorrektur, auf die Farbtabellen von Pantone und anderen, und, als gröbstes Manko, auf die Unterstützung für PDF-Dateien.

Existiert da tatsächlich eine Layoutsoftware, die InDesign und Quark Xpress fast ebenbürtig ist, aber bloss einen Bruchteil des Preises kostet? Und wie kommt es, dass kaum je ein Anwender von Layoutprogrammen von diesem Produkt gehört hat? Bevor wir der Frage nach der Konkurrenzfähigkeit im Vergleich zu InDesign nach­gehen, erst einige weitere Hinweise zum Funktionsumfang von VivaDesigner. Es handelt sich bei diesem Produkt nämlich nicht nur um Layoutsoftware. Es ist auch Bestandteil einer Workflow-Lösung, mit der sich Viva an Agenturen und Medienhäuser richtet.

Vollautomatisch publizieren

Die Technologie nennt sich Network Publishing und funktioniert im Grundsatz wie das Database Publishing – ist aber laut Viva viel besser, flexibler und leistungsfähiger.

Das Database Publishing wird in Lösungen mit FrameMaker oder InDesign realisiert. Es findet eine datenbankgestützte und automatisierte Medienproduktion statt, bei der Inhalte wie Preise oder Produktbeschreibungen aus einer Datenbank mit einer Layoutvorlage verbunden werden, um beispielsweise Produkt­kataloge oder Preislisten zu erstellen. Das ist auch mit Vivas Network Publishing möglich, wobei hier zusätzlich eine so genannte «Gestaltungsintelligenz» greift – weswegen der Hersteller gern auch den Begriff «Intelligent Publishing» verwendet. Dank dieser Intelligenz können Anwender ohne grossen Schulungsaufwand Dokumente publizieren und anpassen, und dank der in der Software verankerten Gestaltungsvorgaben werden auch die «Corporate Identity»-Richtlinien eingehalten.

Damit eignet sich die Lösung nicht nur für die klassischen Einsatzbereiche des Datenbank-Publishings, nämlich die erwähnten Preislisten und Kataloge, sondern auch für Plakate, Berichte, Handbücher, Verpackungen, Anzeigen und Hauszeitungen.

Im Browser layouten

Wie das funktioniert, kann man anhand einiger Demos unter http://software.viva.de/deutsch/produkte/vivadesigner/download/ aus­probieren. Bei der Reiseanzeige wird aufgrund eines einfachen Webformulars eine problemlos zu reproduzierende Print-Anzeige im PDF-Format generiert, wobei der Text der Anzeige und die Bilder gewählt werden können.

Für aufwändigere Gestaltungen via Internet kann auf den Viva-Composer zurückgegriffen werden, mit dem sich grafische Elemente per Maus arrangieren lassen. Auch RTF- oder andere Textdateien mit den passenden Druckformaten können als «Input» verwendet werden und die Dokumente lassen sich auch mit VivaPress bearbeiten.

Die Steuersoftware namens VivaIP läuft auf dem Produktionsserver. Auf ihm sind die Vorlagen für die Produktion von Drucksachen wie Kataloge hinterlegt, die ihrerseits via VivaPress gestaltet werden. Es gibt auch Importmöglichkeiten für Dateien anderer Programme, sodass beispielsweise auch mit InDesign erstellte Vorlagen in die Produktion eingespeist werden können. Eine so genannte «Logikdatei» bestimmt nun, wie die Vorlage mit aktuellen Inhalten aufgefüllt werden kann. Sie steuert, wo welcher Objekt­typus platziert werden darf und wie sich ein Objekt bei veränderten Rahmenbedingungen verhält. So steuert die Logikdatei beispielsweise, wie gross ein Bildrahmen maximal werden darf und wie ein Bild sich im Rahmen ausrichtet. Auch viele andere Details werden per Logikdatei kontrolliert, beispielsweise, wann Trennlinien zwischen einzelnen Einträgen erscheinen und wann nicht oder wie mit farbigen Elementen, beispielsweise Hintergrundflächen umgegangen wird.

Automatisierter Hotelkatalog

Der deutsche Reiseveranstalter Alltours beispielsweise produziert über das Webportal «VivaGate» Hotelkataloge und Preislisten – die Einkäufer beim Reiseveranstalter, die für die Inhalte verantwortlich sind, benötigen auf ihren Computern nur den Webbrowser, keinerlei weitere Zusatzsoftware. Die Layoutvorlagen stammen ursprünglich aus QuarkXpress und wurden mit der Viva-Layoutsoftware für die Verwendung im Network Publishing angepasst. Die Einkäufer haben via «VivaGate» die Möglichkeit, die Bilder zu wählen und in die gewünschte Reihenfolge zu bringen. Die Logik der Layoutsoftware sorgt dann dafür, dass Bilder ohne einen unerwünschten Weissraum aneinander positioniert werden und passt die Gestaltung nach vorgegebenen Kriterien an – so erscheint ein Hotel beispielsweise anders, wenn es eine «All inclusive»-Ausstattung aufweist.

Die Bildgrösse wird anhand der Textmenge festgelegt. Die Logik kann die Textgrösse auch bis zu einem vorgegebenen Grad verkleinern. Weitere Regeln stellen sicher, dass Preise, Rabatte und besondere Hinweise entsprechend hervorgehoben, positioniert und formatiert werden.

Sparen bei den Lizenzen

Zurück zur Frage, ob sich VivaPress tatsächlich als Ersatz für InDesign eignet. Für die Antwort ist zwischen dem Einsatz als «normale», eigenständige Layoutsoftware und zwischen der Nutzung innerhalb einer Network Publishing-Lösung zu unterscheiden. Im Bereich des Network Publishing gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen – hier muss individuell anhand der Anforderungen und der Rahmenbedingungen eine passende Lösung evaluiert werden. Ohne Zweifel ist Viva ein attraktiver Kandidat, da man sich über das «VivaGate»-Portal, aber auch mit VivaPress als Client die teuren Lizenzen spart, die beispielsweise beim Einsatz von Content-Management-Lösungen mit InDesign und InCopy fällig werden. Das Produkt kann über Kauf, Miete oder gehostet verwendet werden.

Als eigenständige Layout-Software gibt es VivaPress seit 1992. Laut Wikipedia wurde die Software ab 1990 im Auftrag von Linotype entwickelt, wobei das Schriftenhaus die Software dann nicht übernahm, weswegen sie vom Entwickler selbst vermarktet wurde. Ursprünglich gab es die Software für das klassische Mac OS, heute existiert sie für Windows, Linux und Mac OS X. Sie ist allerdings nie über ein Nischen-Dasein herausgekommen.

Das ist nicht ganz ohne Grund so passiert. Denn selbst wenn das eingangs erwähnte Marketing-Versprechen, 80 bis 90 Prozent der Funktionen von XPress und InDesign seien vorhanden, rein zahlenmässig stimmen mag, sind die fehlenden Funktionen für den professionellen Einsatz K.O.-Kriterien. Beispielsweise gibt es in VivaPress keine Importmöglichkeit für Word-Dokumente. Für den täglichen Datenaustausch ist ein Layoutprofi auf diese Möglichkeit angewiesen. Auch muss man Satzdateien mit Kollegen, Dienstleistern, Kunden oder Zulieferern austauschen können, was bei dem wenig verbreiteten Format von VivaPress nicht gewährleistet ist.

Ziemlich gut ist nicht gut genug

Daher ist VivaPress für professionelle Gestalter keine Alternative – trotz des sehr attraktiven Preises. Der Zusatz­aufwand beim Datenaustausch macht die Einsparungsmöglichkeit in der Praxis sehr schnell zunichte. Wenn man als Herausforderer in einem Bereich gegen den Platzhirsch antritt, dann reicht es nicht, «80 bis 90 Prozent» der Funktionen zu bieten. Wenn der Platzhirsch dann noch so dominant ist, wie Adobes InDesign, muss man doppelt so gut und dreimal so schön sein – und braucht dann immer noch eine gute Portion Glück, um nicht unterzugehen.

Kurz: Für Profis ist VivaPress keine Alternative. Die Software eignet sich aber sehr wohl für KMU oder Abteilungen grösserer Unternehmen, die das Publishing nicht als Hauptzweck, sondern nebenbei für die Kommunikation mit Kunden und Partnern betreiben. Gegenüber der Gestaltung von Drucksachen mit Word stellt VivaPress einen Qualitätsgewinn dar. Auch für Private ist die Layoutsoftware aus Deutschland eine gute Wahl – ebenso für Schulen, die über die «Klassenraumlizenz» obendrein nochmals günstigere Konditionen erhalten.

In Viva Designer arbeitet man wie bei InDesign mit Layoutrahmen, die mit Bildern oder Text gefüllt und über eine Palette formatiert werden.

Via Webformular (links) entsteht per Mausklick eine druckfähige Reise-Anzeige (oben).

Quelle: Publisher, Donnerstag, 16. Juni 2011

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Thema: Publishing
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