Totalschaden vermeiden

Ich wollte heute Outlook Express öffnen, da hat der PC sich aufgehängt. Alles blockiert. Ich habe versucht, Windows mit der XP-CD neu zu installieren. Auch das klappt nicht. Was könnte noch probiert werden?

Conradin Gujan, via Mail

Wenn das Betriebssystem beim Start hängen bleibt, bietet es Ihnen beim zweiten Versuch eine Reihe von Reparaturmassnahmen an. Die sollten Sie durchprobieren, wobei Sie erst die «letzte als funktionierend bekannte Konfiguration» und dann die Reparaturmodi wählen. Wenn wie in diesem Fall selbst die Neuinstallation den PC nicht wiederbelebt, haben Sie es wahrscheinlich mit einem Hardwaredefekt zu tun.

Versuchen Sie darum eine nähere Diagnose mit folgenden Massnahmen. Sie werden auch angezeigt, wenn der Rechner normal startet, aber im laufenden Betrieb willkürlich abstürzt oder Hänger und Bluescreens produziert:

1) Stellen Sie sicher, dass die Maschine nicht zu heiss bekommt. Die Lüftungsschlitze müssen frei sein, Rechner sollten nicht zu nah an der Wand stehen und nicht zu arg zugestaubt sein.

2) Hängen Sie alle externen Geräte wie Drucker, Scanner und Webcam ab. Das hilft, wenn ein defektes externes Gerät den Rechner blockiert.

3) Achten Sie auf die Geräusche, die der Rechner von sich gibt, und auf die Meldungen, die direkt beim Einschalten angezeigt werden. Falls Sie den Verlauf eines normalen Starts noch präsent haben, fallen Ihnen vielleicht ungewöhnliche Wartezeiten auf. Zugegeben, die sind schwierig zu interpretieren – aber wenn Sie einen Computerprofi in greifbarer Nähe haben, hat er vielleicht eine Eingebung, welche Komponente den Geist aufgegeben haben könnte.

4) Besuchen Sie die Homepage des PC-Herstellers und sehen Sie nach, ob es bekannte Probleme mit Ihrem Rechner gibt. Mitunter gibt es Updates für das BIOS (die vom Hersteller bereitgestellte Initial-Software des Rechners), die spezifische Probleme aus der Welt schafft. Und fragen Sie beim Kundendienst nach, ob es BIOS-Einstellungen gibt, die den Rechner «fehlertoleranter» machen. Das BIOS ist abhängig vom Rechnermodell, daher gibt es zu diesem Punkt keine allgemeingültigen Empfehlungen.

5) Mit der Ultimate Boot Disk (www.ultimatebootcd.com) starten Sie den PC mit einem Erste-Hilfe-System und führen Prüfprogramme aus. In Fällen, wo Windows noch läuft, haben Sie die Möglichkeit, Hardware-Analyse-Programme wie Everest Ultimate (www.lavalys.com) oder PC Wizard (www.cpuid.com) einzusetzen. Bei Windows 7 und Vista findet das Speicherdiagnosetool defekte RAM-Module. Sie starten es, indem Sie ins Suchfeld im Startmenü «mdsched.exe» eingeben und «Enter» betätigen.

6) Anwender, die mit dem Innenleben des Rechners vertraut sind, sollten einen Blick ins Gehäuse werfen: Prüfen Sie, ob die Grafikkarte gut eingesteckt ist, ob alle Kabel richtig in den Steckplätzen sitzen und auch keine andere Komponente locker ist. Einem defekten Speichermodul kommen Sie auf die Spur, indem Sie diese (falls möglich) einzeln bzw. zu zweit ausbauen und sehen, ob der Rechner dann richtig startet. Hängen Sie probehalber die Festplatte ab (siehe dazu auch den nächsten Punkt) und setzen Sie eine Ersatz-Grafikkarte ein, falls Sie zufällig eine zur Hand haben. Mit der Austauschmethode lassen sich bei Desktop-PCs defekte Komponenten eruieren. Sie hilft oft auch bei Problemen, die nur sporadisch auftreten, ebenso bei Startproblemen, wenn der Rechner am Morgen erst nach einigen Anläufen richtig hochfährt. Eine defekte Komponente lässt sich kostengünstig ersetzen.

Bei Laptops rate ich von dieser Methode ab – ebenso, wenn noch Garantie auf dem Rechner besteht: Dann lassen Sie den Patienten vom Servicedienstleister des Herstellers überprüfen und reparieren. Falls die Austauschmethode nicht funktioniert, liegt der Fehler mutmasslich beim Motherboard (der Hauptplatine) oder bei einer fest verbauten Komponente. Dann lohnt sich eine Reparatur wahrscheinlich nicht.

7) Eine hilfreiche Diagnosemethode ist auch der Start mit einem Windows-Installationsmedium oder einem Zweit-Betriebssystem. Linux gibt es in Notfall-Varianten, etwa auf www.sysresccd.org. Auch von Knoppix (www.knopper.net) existiert eine Version für die Arbeit mit beschädigten Rechnern. Diese Systeme werden von einer Live-CD ausgeführt. Live bedeutet, dass der Start des Betriebssystems ohne Installation ab CD möglich ist. Wenn bei dieser Startart Abstürze und «Hänger» auftreten, ist die Wahrscheinlichkeit eines Hardwaredefekts sehr gross. Wenn das Zweit-Betriebssystem problemlos läuft, sollten Sie Ihr Glück mit einer Formatierung der Festplatte und der Neuinstallation von Windows probieren. Das Problem ist, dass Sie eine solche Live-CD erst auftreiben und brennen müssen. Dafür wird Ihnen ein Freund aber sicherlich seinen PC zur Verfügung stellen.

Nach einer ausführlichen Diagnose müssten Sie klarer sehen und entscheiden können, ob sich das Betriebssystem wiederbeleben lässt, ob der Rechner in die Reparatur muss – oder eine Neuanschaffung die beste Lösung ist.

Ein dickes Problem haben an dieser Stelle die Anwender, die keine Datensicherung griffbereit haben. Bei einem defekten Rechner Daten zu «bergen», ist alles andere als trivial. Falls Sie den Rechner mit einer Live-CD (Punkt 7) in Gang bekommen, dann haben Sie die Chance, Daten auf eine externe Festplatte oder ein USB-Speichermedium zu kopieren. Intakte Festplatten können Sie aus- und in einen neuen Rechner einbauen. Sollte jedoch ein Festplattendefekt die Misere verursacht haben, ist guter Rat teuer – und zwar im eigentlichen Wortsinn. Dann sind die Daten nur durch einen professionellen Datenretter wiederherstellbar. Und das kostet happig Geld.

Ein Prüfprogramm kommt unzuverlässigem Speicher auf die Schliche. Screen: TA

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 27. September 2010

Rubrik und Tags:

Faksimile
100927 Seite 42.pdf

Die Faksimile-Dateien stehen nur bei Artikeln zur Verfügung, die vor mindestens 15 Jahren erschienen sind.

Metadaten
Thema: Kummerbox
Nr: 9603
Ausgabe:
Anzahl Subthemen: 2

Obsolete Datenfelder
Bilder: 1
Textlänge: 200
Ort:
Tabb: FALSCH