Analyse Der Internet-Gigant ist kein glaubwürdiger Kämpfer gegen nervige Werbung.

Wenn Google das Web verbessern will, wirds gefährlich

Von Matthias Schüssler

Google wälzt Pläne, seinen Webbrowser mit einem Werbeblocker auszustatten. «Denn zu oft begegnen Leute beim Surfen nervigen, aufdringlichen Werbebannern – die einem unerwartet Musik um die Ohren schmettern oder einen zwingen, zehn Sekunden abzuwarten», schreibt Sridhar Ramaswamy, Chef bei Googles Abteilung «Ads and Commerce» im Firmen-Blog. Deswegen wird der Chrome-Browser ab 2018 Werbung unterdrücken, die nicht den Standards der Coalition for Better Ads entsprechen. Dieses Bündnis von Werbeindustrie und Werbekunden wurde letztes Jahr als Reaktion auf die immer grössere Verbreitung von Werbeblockern gegründet.

Die «Standards für bessere Werbung» ächten diverse Werbeformen: Pop-ups, die Inhalte überlagern, automatisch startende Videos mit Sound, vorgeschaltete Anzeigen mit Countdown, blinkende Animationen und Werbebereiche, die auch beim Scrollen an Ort und Stelle verharren.

Die User vor Belästigung zu schützen, ist ein rühmliches Anliegen. Dennoch hat der deutsche Verlegerverband Google Heuchelei vorgeworfen, berichtet Heise.de. Google verkauft bekanntlich selbst Werbung. Die werde zwar auch blockiert, wenn sie gegen die Regeln verstösst, bekräftigt Ramaswamy. Der Verdacht steht trotzdem im Raum, dass sich Google einen unfairen Vorteil gegenüber der werbenden Konkurrenz verschaffen will. So oder so ist die geplante Neuerung auch dazu da, Googles eigenes Geschäft zu schützen. Der eingebaute Werbeblocker soll Chrome-Nutzer davon abhalten, sich selbst einen Adblocker zu besorgen: Filter von Drittherstellern entfernen oft alle Werbung, nicht nur die lästige.

Zank ist programmiert

Falls Google den Werbeblocker realisiert, dürfte Zank mit den Wettbewerbshütern programmiert sein. Margrethe Vestager, die dänische EU-Kommissarin für Wettbewerb, hat jedenfalls auf Twitter verkündet, sie werde die Sache im Auge behalten.

Zu Recht: Google und die Coalition for Better Ads sind nicht die richtige Instanz, um über gute oder schlechte Onlinewerbung zu entscheiden. Sie haben ein Interesse daran, dass Werbung auch weiterhin schrill, bunt und aufmerksamkeitsheischend sein darf. Nur die extremen Beispiele sollen verschwinden – diejenigen, die beim Nutzer den Impuls auslösen, einen Werbeblocker zu installieren. Doch wenn die Koalition nur die extremen Praktiken brandmarkt, gibt sie gleichzeitig grünes Licht für viele nicht ganz so schlimme Methoden.

Das grösste Problem ist allerdings, dass Google nicht nur bei der Werbung Einfluss nimmt, sondern auch bei vielen anderen Dingen: Google straft in seiner Suchmaschine jene Websites ab, die nicht für Mobilgeräte optimiert sind. Websites ohne Verschlüsselung (http statt https) werden in der Resultateliste schlechter platziert. Google trägt mit zum Verschwinden der Webtechnologie Flash bei, indem solche Inhalte das Ranking in der Suche ebenfalls negativ beeinflussen können.

Diese Einflussnahme beeinträchtigt die Qualität von Googles wichtigstem Produkt, der Suche. Die Resultate werden nicht mehr streng inhaltlich zusammengestellt, sondern sind von technischen Faktoren beeinflusst – und von Googles Vorstellung, wie das Internet zu sein hat.

Doch wenn ein so mächtiger Konzern seine Marktmacht derart ungeniert in die Waagschale wirft, um das Web nach dem eigenen Gusto umzugestalten, dann wirft das unweigerlich die Frage auf, ob Google still und heimlich auch für weniger hehre Zwecke und aus purem Eigennutz an seinem Ranking-Algorithmus schraubt.

Solange Google diesen Algorithmus geheim hält und keine unabhängige Kontrolle ermöglicht, gibt es nur eine Verhaltensweise, die das Vertrauen der Nutzer langfristig garantiert: bedingungslose Neutralität.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 7. Juni 2017

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