Das elektronische Taschenbuch

Der Kindle 3 ist Amazons neuestes Lesegerät für elektronische Bücher – und ein Anreiz, ins papierlose Lesezeitalter einzusteigen.

Von Matthias Schüssler

Der Kindle würde die Markteinführung des iPad nicht überleben – davon waren viele überzeugt, als Apple-Chef Steve Jobs am 27. Januar 2010 sein Tablet der staunenden Weltöffentlichkeit vorführte. Nun ist das Gegenteil eingetreten: Das iPad hat Amazons Lesegerät für elektronische Bücher nicht verdrängt. Der jüngst lancierte Kindle 3 verkauft sich, ohne dass Amazon Zahlen nennt, besser als seine Vorgänger. Im Fahrwasser des iPad werden auch andere Geräte im Tablet-Format salonfähig.

Flackernder Seitenwechsel

Damit mausert sich das elektronische Buch zu einer Alternative für das breite Bücher-Publikum. Die Millennium-Trilogie von Stieg Larsson hat sich – in den USA, hierzulande sieht das Bild noch etwas anders aus – als erstes elektronisches Buch mehr als eine Million mal verkauft. Mitte Juli vermeldete der Versandhändler überdies, er habe mehr E-Books als Hardcover an den Leser und Leserin gebracht.

Die dritte Generation des Lesegeräts Kindle ist auch für eingefleischte Leser eine echte Alternative zu der Lektüre auf Papier. Der Kindle 3 hat mit 19 auf 12 Zentimetern die Abmessung eines schmalen Taschenbuchs. Er ist nur gut acht Millimeter dick und verglichen mit seinen wenig eleganten Vorgängern ein ansehnliches Gerät. Und er liegt leicht in der Hand, wiegt er doch mit 250 Gramm deutlich weniger als ein iPad (mindestens 680 Gramm).

Der grösste Kritikpunkt gegenüber einem Buch aus der Druckerei ist nach wie vor die Darstellung mittels elektronischer Tinte. Sie soll zwar kontrastreicher sein als bei den vorherigen Modellen, wirkt aber nach wie vor relativ flau. Die typografische Darstellung kann nicht mit einem sorgfältig gesetzten Werk mithalten. Trotzdem liest man angenehmer und ausdauernder als am hintergrundbeleuchteten iPad-Display. Darüber hinaus wurde ein Störfaktor entschärft: das Umblättern. Das Löschen und Beschreiben der Seite mit der elektronischen Tinte findet nach wie vor mit einem Flackern statt, aber der Vorgang braucht nun weniger Zeit.

Der Kindle 3 ist ein schlagender Beweis, dass auch ein Gerät mit nur einem Verwendungszweck mit multifunktionellen Geräten wie dem iPad mithalten kann, wenn es seine Aufgabe besser macht. Und mit Stärken wie der unschlagbaren Batterielaufzeit auftrumpfen kann. Der Kindle muss nur einmal pro Monat ans Stromnetz, sofern die Datenverbindung bei Nichtgebrauch abgeschaltet wird.

Bücherkauf fast zu einfach

Zu den Stärken gehört auch der einfache Bezug von Büchern. Bei Amazons Gerät kauft man sie über den Menüpunkt «Shop in the Kindle Store». Übertragen werden sie per WLAN oder in der 3G-Version via Mobilfunknetz – und das geht so schnell, dass man auch mal unabsichtlich den «Buy»-Button drückt. Das lässt sich aber mit einem weiteren Knopfdruck rückgängig machen.

Der Kindle 3 setzt also grosse Anreize, den Einstieg in die digitale Bücherwelt zu wagen. Wären da nicht zwei kleine, aber gewichtige Nachteile: Zum einen gibt es elektronische Bücher nach wie vor nur in Englisch, sieht man von E-Books mit abgelaufenem Copyright ab. Zum anderen schlägt man sich bei elektronischen Büchern mit DRM, dem Kopierschutz, herum. Bücher auszuleihen oder zu verschenken ist weiterhin nur in gedruckter Form möglich.

189 US-Dollar bei Amazon.com in der 3G-Version mit weltweitem Bücherabruf via Mobilfunknetz. WLAN-Version: 139 US-Dollar, plus Porto, Versand und Zoll.

Macht den Einstieg in die digitale Bücherwelt einfach: Kindle 3. Foto: PD

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 6. September 2010

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