Massgeschneiderte Musiklisten und Hörtipps von Genius

Genius in Apples Musikverwaltungsprogramm iTunes sortiert Titel zum stimmigen Programm.

Von Matthias Schüssler

1770 Musiktitel stecken laut einer Studie auf einem durchschnittlichen MP3-Player, fanden Forscher der britischen Universität von Herfordshire heraus. Das sind gut drei Tage Sound am Stück. Und zu viele Songs, um sie eben mal auf die Schnelle durchzusehen.

Wie findet man ohne viel Suchaufwand Musik, die man hören will? Die klassische Methode sind von Hand gepflegte Playlists oder die automatische Sortierung nach Alben, Interpret oder Musikstil. Es gibt auch die «intelligenten Wiedergabelisten» in iTunes. Sie filtern Musik nach «technischen» Kriterien und spielen etwa alle seit längerem ungehörte Titel mit vier oder mehr Sternchen. Nicht verkehrt, aber nicht das, was man sich als Musikkonsument wünscht.

Das Anliegen wäre, eben mal die Titel zu hören, die zur Stimmung passen. Handverlesene Titel, die aufmuntern, aufputschen oder besänftigen, ganz, wie es die Gefühlslage gerade erfordert.

Musik für jede Stimmung

«Genius» ist eine Funktion im neuen iTunes 8, die ohne Suchaufwand die passenden Stücke vermitteln will. Den Gemütszustand des Hörers erkennt sie natürlich nicht. Darum muss man als Anhaltspunkt in iTunes oder auf dem iPod einen Song angeben. «Genius» sucht dann Titel aus der Mediathek, die dazu passen und stellt eine Wiedergabeliste zusammen.

Konkret funktioniert das so, dass Sie als erstes den Referenztitel in der Mediathek markieren. Dann klicken Sie in der rechten unteren Ecke von iTunes 8 auf das «Genius»-Symbol, das wie ein Atomkern aussieht. Jetzt finden Sie die automatische Liste bei den Playlists unter «Genius». iTunes in der Version 8 gibt es kostenlos unter www.apple.com/chde/itunes/download.

Beim iPod geht es ähnlich: Während ein Song spielt, tippen Sie ihn an und wählen das «Genius»-Symbol im Navigationsbereich. Für Genius braucht es einen neuen iPod, einen iPod Touch mit Software-Version 2.0 oder ein iPhone.

Die musikalische Intelligenz hinter «Genius» ist statistischer Natur. Während des Einrichtens sendet «Genius» Daten der Musiksammlung an Apple. So kommen Millionen von Profilen zusammen. Die ermöglichen Rückschlüsse, welche Musik harmoniert und welche nicht. Amazon verwendet ein ähnliches Prinzip für seine Buchvorschläge. Der Musikdienst Pandora.com verfolgt mit dem «Music Genome Projekt» seit längerem den Versuch, dem Musikgeschmack per Algorithmus auf den Grund zu kommen. Er darf nur noch von US-Amerikanern genutzt werden.

Last.fm ist ein Webdienst, der mit «Collaborative Filtering» operiert: Je grösser die Überschneidung bei der Musiksammlung zweier Nutzer, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass die Musik, die nur einer von beiden besitzt, auch dem anderen gefällt (www.lastfm.de).

Für die Auswertung müssen Sie bei der Aktivierung von «Genius» zustimmen, Daten über Ihre Musiksammlung an Apple zu übermitteln. Ausserdem benötigen Sie ein Konto für den iTunes Music Store. «Genius» macht auch Vorschläge, wie Sie Ihre Musiksammlung passend ergänzen. In der «Genius»-Seitenleiste werden passende Vorschläge gemacht. Sie können durchaus zum einen oder anderen Kauf verleiten. Um dem zu entgehen, blenden Sie die Liste durch einen Klick auf die Schaltfläche in der rechten unteren Ecke aus.

Kuno versus «Cambodia»

Wunder darf man von «Genius» nicht erwarten. Ob der Musikteppich harmonisch oder doch eher wie eine Achterbahn daherkommt, hängt von der Grösse und der Ausgewogenheit der Musiksammlung ab. Genius neigt dazu, die oft gehörten Lieblingssongs auch vorzuschlagen, wenn sie nicht passen. Wenn man «Bümpliz-Casablanca» von Züri West vorgibt, erdreistet sich Genius, «Cambodia» von Kim Wilde vorzuschlagen und bei «Wurzel 5» passt er komplett. Trotzdem ist «Genius» seit Jahren die nützlichste Neuerung in den Musikverwaltungsprogrammen.

SCREEN TA

Nicht immer ganz stilgetreuer «Genius»-Mix.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 22. September 2008

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