Ein Medium für alle

Videoproduktion Für eine Präsentation in bewegten Bildern ist kein grosses Budget mehr vonnöten. Dank digitaler Technik steht das Medium Film jedem offen, der damit umgehen kann.

Nachdem die Digitalfotografie die Kommunikations- und Medienbranche längst erobert hat, ist das analoge Zeitalter auch bei Videoproduktionen passé. Filmprojekte sind heute digital, und zwar von der Aufnahme über die Postproduktion bis hin zur Distribution. Bild und Ton werden mit einer digitalen Videokamera eingefangen, am Mac oder PC geschnitten und auf DVD oder DV-Band ausgegeben, wenn nicht gar gleich per Internet verbreitet. Zelluloid kommt heute nur noch zum Zug, wenn grosses Kino ansteht, denn die Leinwand vermochte der Digitalfilm bislang noch nicht zu erobern.

Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis die analogen Projektoren auch aus den Filmpalästen verschwinden. Das Zürcher Kino Abaton hat im letzten Jahr mit Roland Emmerichs «The Day After Tomorrow» die digitale Premiere gewagt, und weitere Kinos werden, trotz des hohen Investitionsbedarfs, in den nächsten Jahren folgen. Auch beim Fernsehen steht die Ablösung bevor – Experten rechnen damit, dass in Europa die Fussball-WM 2006 dem digitalen hochauflösenden Fernsehen zum Durchbruch verhelfen wird. In Japan und den USA senden die TV-Stationen längst Programme in HDTV (High Definition TV).

Schneller und auch billiger

Während die Auswirkungen der Digitalisierung in privaten Haushalten (abgesehen von der DVD) begrenzt bleiben, sind die Konsequenzen für die Inhaltsanbieter weit reichend. Bei einer herkömmlichen Produktion mit 16- oder 35-Millimeter-Film schlagen nicht nur das Verbrauchsmaterial teuer zu Buche, sondern auch die Kameramiete und der Filmschnitt. Bei einer digitalen Produktion fallen weniger Kosten an. Sie lässt sich in aller Regel mit einer kleineren Equipe und in kürzerer Zeit realisieren.

Massiv sind die Einsparungsmöglichkeiten bei der Postproduktion, d. h. beim Schneiden und beim Nachbearbeiten. Es braucht keine teure Spezial-Hardware für den Filmschnitt, ein günstiger Rechner taugt bereits als Schnittstation. Und selbst für optimale Arbeitsbedingungen braucht es kein Highend-Arbeitsgerät. Entscheidend für die Performance ist neben dem Prozessor ein schneller Datendurchsatz. Eine Sata-Festplatte (für Windows-Anwender) ist den grossen Datenmengen gewachsen und für die Anbindung der Peripherie eignet sich der neue, schnelle PCI-Express-Datenbus.

Augen auf beim Kamerakauf!

Ein wesentlicher Bestandteil der erforderlichen Hardware ist die Kamera: Hier gilt das Augenmerk vor allem dem Bildchip. Bessere Qualität liefern die Modelle, die das Bild mit je einem separaten CCD (siehe Kasten) für Rot, Grün und Blau einfangen – aber nur, wenn das Objektiv von erster Güte ist. Weitere wichtige Faktoren sind Grösse der Kamera und ihre Handlichkeit. Nebst einem verlässlichen Automatikmodus sollten sich Blende und Verschlusszeit, Schärfe und Weissabgleich manuell einstellen lassen. Die jeweiligen Bedienelemente müssen gut erreichbar sein. Dass die Kamera Bildeffekte (Schwarzweiss, Sepia, Strobo etc.) bietet, ist völlig überflüssig – diese Effekte können, wenn sie denn nötig sein sollten, in der Postproduktion hinzugefügt werden. Viel wichtiger dagegen sind ein hochwertiges Mikrofon, das keine Eigengeräusche der Kamera aufzeichnet, sowie ein Anschluss für ein externes Mikrofon. Ob Sucher oder (ausklappbares) Display ist eine Frage der Vorliebe. Bei hellem Sonnenlicht sind Kameras mit Sucher allerdings im Vorteil, da auf dem Display dann kaum noch etwas zu erkennen ist.

Lohnende Echtzeitvorschau

In der Apple-Welt werden Werkzeuge für die Filmbearbeitung mit dem Betriebssystem mitgeliefert. Obwohl für den Heimanwender konzipiert, bietet iMovie solide Basisfunktionen und kann in der neuen «HD»-Version sogar hochauflösende Filme mit maximal 1080 Bildzeilen bearbeiten. Die übersichtliche Arbeitsoberfläche erleichtert den Einstieg; im Vergleich zu dem deutlich komplexeren Profiprogramm Final Cut findet man sich in iMovie deutlich schneller zurecht.

Für anspruchsvollere Anwender, die auch gerne mit Effekten arbeiten, bietet Apple das Schnittprogramm Final Cut Express HD an. Die Echtzeitvorschau berechnet Überblendungen, Bildverfremdungen und diverse Filter in Echtzeit (Realtime).

Für höchste Ansprüche hat Apple mit Final Cut Studio gerade eine komplette HD-Videoproduktions-Suite vorgestellt. Neben dem wichtigsten Werkzeug Final Cut Pro in Version 5 gehören ausserdem das neue Audiobearbeitungs- und Sounddesign-Programm Soundtrack Pro sowie eine überarbeitete Version der Grafikanimations-Software Motion (Version 2) und der DVD-Authoring-Software DVD Studio (Version 4) zum neu geschnürten Software-Paket. Die Suite ist ab Mai erhältlich. Erforderlich ist dafür übrigens das Ende Monat erscheinende Betriebssystem Mac OS X 10.4.

Für Windows-Rechner ist Premiere von Adobe die erste Wahl beim (semi-)professionellen Einsatz. Premiere Pro 1.5 ermöglicht ebenfalls eine Berechnung der Effekte und Übergänge in Realtime.

Auch Adobe bietet eine umfangreiche Palette an Video-Tools: After Effects ist für die Produktion von drei- oder zweidimensionalen Videokompositionen ausgelegt und erlaubt, ähnlich wie Motion von Apple, aufwändige Grafikanimationen. Für die Bearbeitung der Tonspur bietet Adobe Audition 1.5 – dieses Programm ging aus Cool Edit Pro hervor, das Adobe durch den Kauf des Software-Hauses Syntrillium erworben hat. Und schliesslich hält Adobe auch die passende Software für das DVD-Authoring bereit: Encore DVD. Das Software-Paket Adobe Video Collection enthält auch Premiere Pro und Photoshop CS2.

Preiswerte Top-Software

Auf der Microsoft-Plattform laufen zudem einige günstige Programme mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis. Video Deluxe von Magix ist eines der günstigsten und schneidet trotzdem in den Tests der einschlägigen Fachzeitschriften mit Bestnoten ab. Ebenfalls preiswert sind die Produkte Cyberlink PowerDirector, Ulead Videostudio 8, Pinnacle Studio und Adobes Einsteigerprodukt Premiere Elements.

Die Einsteiger-Schnitt-Software Premiere Elements gibt es seit Anfang Jahr. Sie ist dank einer übersichtlichen Oberfläche leicht zu erlernen. Premiere Elements gliedert die Arbeit in verschiedene Schritte und zeigt für das Einlesen des Filmmaterials, das Schneiden, das Hinzufügen von Effekten beziehungsweise Texttafeln und das Brennen von DVDs nur die jeweils notwendigen Befehle. Das Fenster «Vorgehensweise» unterstützt bei der Arbeit, ebenso die digitalen Assistenten, die zum Beispiel beim Überspielen des Filmmaterials helfen. Die Funktion «One Click Capture» ermöglicht die direkte Gestaltung des Filmablaufs, indem die automatische Szenentrennung jede gefilmte Einstellung als separaten Clip in die Zeitleiste legt.

Sich nur nicht blamieren

So niedrig die technischen Hürden inzwischen sind – formal ist und bleibt das Filmemachen ein anspruchsvolles Unterfangen. Stimmigkeit ist nicht nur bei jedem Frame (Einzelbild im Film) gefragt, sondern auch auf der Tonspur, im Ablauf, beim Konzept und bei der Montage. Es gibt, zum Beispiel im Vergleich mit der Digitalfotografie, viel mehr Fehlerquellen.

Man darf es getrost als PR-Mythos abtun, wenn Hersteller von Software implizieren, ein Projekt entstünde dank cleverer Software quasi von allein. Als Produzent muss man mit kritischen Zuschauern rechnen. Dem von Fernsehen und Kino an eine raffinierte Bildsprache gewöhnten Publikum stechen handwerkliche Mängel sofort ins Auge; mit einer kontraproduktiven Wirkung ist zu rechnen. Die Botschaft in einem schlecht inszenierten Stück wird weder geglaubt noch goutiert werden.

Matthias Schüssler

>Matthias Schüssler ist Journalist und Fachbuchautor in Winterthur.

Quelle: Werbewoche, Freitag, 6. Mai 2005

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Thema: Digitalvideo
Nr: 5890
Ausgabe: 05-17
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