Kleine Siege und grosse Pleiten

Jahresrückblick Facebook hat 2018 für einen epochalen Skandal gesorgt, fulminante Umwälzungen in der Branche gab es indes nicht. Immerhin begegneten uns im Kleinen auch einige schöne Verbesserungen.

Wann erlischt das Interesse an Facebook?

Im Oktober 2008 habe ich in einem «Tipp der Woche» Facebook vorgestellt. Aus heutiger Sicht liest sich der Text rührend naiv: Man müsse auf die Privatsphären-Einstellungen achten und überlegen, wie viel man von sich preisgeben wolle, schrieb ich. Heute würde der Tip lauten: «Rennen Sie schreiend weg!»

Facebook hat sich zu einem datensaugenden, das Schlimmste im Menschen weckenden Monstrum entwickelt. 2018 ist mir die Freude abhandengekommen, mich mit Wutbürgern, Verschwörungstheoretikern oder militanten Veganern herumzuschlagen. Von wegen Filterblase – ich habe unzählige Stunden in Stellungskriegen verschwendet, ohne einen einzigen Achtungssieg zu erringen. Sprich: eine extreme Ansicht wenigstens etwas abzudämpfen.

Für mich ist nicht nur Facebook, sondern das Prinzip der sozialen Medien gescheitert. Vielleicht würde es auf kleinen, familiäreren Plattformen besser klappen. Aber der konstruktive Diskurs mit der ganzen Welt, den man uns versprochen hat – der findet definitiv nicht statt. Was nun? Exodus? Verbote? Ich habe die Hoffnung, dass es vielen so geht wie mir. Selbst wenn man den Stecker nicht ziehen mag, fährt man das Engagement zurück. Und dann erlischt das (globale) Interesse irgendwann von allein. (schü.)

Ärger wegen Datenmissbrauchs: Facebook-Chef Zuckerberg. Foto: AP

Smarte Fernseher sind doch recht dumm

4K-Fernseher sind grossartig: das Bild viermal so scharf wie bisher und (mit HDR) so kontrastreich wie nie. Und vorbei die Zeiten, wo der Fernseher wie ein Altar in der Stube stand. Die neuen Geräte wachsen zwar laufend in der Diagonalen. Doch seit sie fast nur noch aus dem Bildpanel bestehen, lassen sie sich auch platzsparend an die Wand hängen.

Die Begeisterung erstreckt sich jedoch nicht auf die Menüs und die Steuerung der Geräte. Von wegen «smart»: Sie sind über die Jahre immer komplizierter geworden. Die Fernbedienung sieht aus, als könnte man damit eine Kampfdrohne steuern. Und sie verwirrt selbst Technik-Freaks. Warum gibt es beim Kästchen meines neuen Sony-Fernsehers eine Exit- und eine Return-Taste, und wie unterscheiden sich die? Welchen Zweck erfüllen der rote, grüne, gelbe und blaue Knopf, über die sich die Zapper seit Jahrzehnten wundern? Wenn man daraufdrückt, passiert jedenfalls nichts. Wieso muss ich das Netflix-Passwort mühsam per Cursor-Tasten eintippen, wo ich ein Smartphone griffbereit habe, das eine perfekte Fernbedienung wäre? Und warum braucht man für die Settopbox und den Bluray-Player separate Kästchen?

Ist das wirklich ein unlösbares Usability-Rätsel – oder geben sich die Hersteller einfach keine Mühe? (schü.)

TV-Fernbedienungen werden immer komplizierter. Foto: Getty Images

Wenn PCs die User plötzlich umsorgen

Microsoft-Chef Satya Nadella sieht die Zukunft seines Unternehmens nicht in Windows und Office, sondern beim «ubiquitous computing». Das auch schon etwas in die Jahre gekommene Schlagwort besagt, dass Computer demnächst unsichtbar werden, uns aber jederzeit und überall umgeben.

Mit den WLAN-Lautsprechern sind wir dieser Zukunftsvorstellung ein Stückchen nähergekommen: Amazon Echo, Google Home und der Apple HomePod sind zwar alle in der Schweiz offiziell noch nicht erhältlich, in anderen Ländern aber schon weit verbreitet. Manche Leute schätzen es offensichtlich, dass im Wohnzimmer ein digitaler Assistent auf Sprachbefehle wartet, um kleine Aufträge zu erledigen. Wie WC-Papier zu ordern oder die Eieruhr zu stellen.

Ich bin mit weniger zufrieden: Mir gefällt, dass der klassische (nach wie vor sichtbare) Computer mehr von der Umwelt mitbekommt und darauf reagiert. Der Windows-PC lässt sich nun so einrichten, dass er sich selbst sperrt, wenn ich mich (zusammen mit meinem Smartphone) entferne. Macs werden per Apple Watch sogar automatisch entsperrt. Und die PCs machen die Bildschirmanzeige abends etwas wärmer, um die Augen zu schonen. Das ist keine Revolution. Aber man fühlt sich als Nutzer schon etwas mehr umsorgt. (schü.)

Gehorcht aufs Wort: Amazons Echo (mit Alexa). Foto: Getty Images

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 19. Dezember 2018

Rubrik und Tags:

Faksimile
181219 TA Seite 35.pdf

Die Faksimile-Dateien stehen nur bei Artikeln zur Verfügung, die vor mindestens 15 Jahren erschienen sind.

Metadaten
Thema: Aufmacher
Nr: 15168
Ausgabe:
Anzahl Subthemen: 1

Obsolete Datenfelder
Bilder:
Textlänge:
Ort:
Tabb: FALSCH