Lieber ein Viren-Mail als Big Brother

Hätten die Provider die Virenattacken nicht verhindern können? Bluewin nimmt Stellung.

Mit Charles d’Heureuse* sprach Matthias Schüssler

Wie haben Ihre Systeme die Virenangriffe von letzter Woche verkraftet?

Wir waren vorbereitet. Es kam zu keinerlei Engpässen.

Weshalb nehmen die Provider keine aktivere Rolle bei der Virenbekämpfung ein? Die Daten fliessen durch Ihre Leitungen: Sie könnten gefährliche Mails stoppen.

Bei den Virenattacken von letzter Woche haben wir täglich mehrere Hunderttausend verseuchte Mails herausgefiltert. Weiter gehende Massnahmen würden es nötig machen, dass wir Big Brother spielen und alle übertragenen Daten analysieren. Das ist aus Datenschutzgründen problematisch.

Sie haben Virenmails gelöscht, die Bluewin-Kunden erhalten haben. Sie könnten aber auch verhindern, dass befallene Computer ihre gefährliche Fracht ins Internet absetzen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung nicht wahr?

Es muss der Entscheidungsfreiheit des Internetnutzers überlassen bleiben, ob er sich von Bluewin schützen lassen will oder nicht. Viele Benutzer nehmen lieber virenverseuchte Mails in Kauf, statt sich vom Provider überwachen zu lassen.

Ist es nicht zu viel verlangt, dass jeder Anwender, auch die technisch wenig versierten, selbst für die Sicherheit verantwortlich ist?

Nicht jeder Autofahrer ist Mechaniker. Jeder Autofahrer aber ist für die Sicherheit seines Autos selber verantwortlich. Wir bieten seit längerem für zahlende Kunden einen Viren- und Spamfilter an – diesen hat bislang aber nur ein kleiner Teil der Kundschaft eingeschaltet.

Was werden Sie tun, wenn sich die Attacken mehren? Wenn noch ein schlimmeres Virus als Sobig.F kommt?

Wir sind überzeugt, dass solche Attacken in Zukunft massiv zunehmen werden. Verhindern lassen sie sich nicht, aber wir haben aus Sobig die Erkenntnis gezogen, dass Schnelligkeit der entscheidende Faktor ist. Die Provider haben die technischen Gegenmassnahmen sehr schnell getroffen. Und durch die Medienberichterstattung der letzten Tage wurden auch die Anwender sensibilisiert. Vielen ist ins Bewusstsein gelangt, wie grobfahrlässig das Surfen ohne einen aktualisierten Virenscanner ist. Und wie wichtig die Patches sind, die Sicherheitslücken im Betriebssystem schliessen.

* Charles d’Heureuse ist Chief Technology Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Bluewin.

Quelle: Tages-Anzeiger, Dienstag, 26. August 2003

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