Open-Source-Grafikeditor Gimp 2.0

Open Source wird salonfähig, auch für Bildbearbeiter

Gimp ist kürzlich in der Version 2.0 erschienen. Das Bildbearbeitungsprogramm aus der Open-Source-Welt ist noch kein Photoshop-Ersatz, aber allemal einen Download wert.

MATTHIAS SCHÜSSLER Gimp ist ein Bildbearbeitungsprogramm mit vielen Gemeinsamkeiten zu Photoshop oder Paint Shop Pro, aber auch einigen markanten Unterschieden. Der grösste Unterschied steckt im Kleingedruckten. Während die «EULA», das End User License Agreement von Adobe- oder Macromedia-Software dem User ein stark limitiertes und reglementiertes Nutzungsrecht einräumt, untersteht Gimp der «GNU General Public License».

Diese Lizenzierung besagt, dass der Benutzer die Software nicht nur nutzen, sondern auch weitergeben und selbst erweitern darf. Open Source-Software, und das ist ein weiterer grosser Unterschied zu kommerziellen Produkten, liegt im Quellcode vor. Das heisst, dass nicht nur die Binärdateien, d.h. das ausführbare Programm veröffentlicht wird, sondern auch dessen Bauplan. Jeder Nutzer, der möchte und genügend von der Sache versteht, kann hingehen und Mozilla, OpenOffice, Linux oder Apache um eigene Funktionen erweitern und den eigenen Bedürfnissen anpassen. Einzige Bedingung: Wer solches tut, muss seine Erweiterungen ebenfalls wieder der GNU Public License (GPL) unterstellen und der Gemeinschaft unterbreiten.

Der Vater der GPL ist Richard Stallman. Der am MIT forschende Computerwissenschaftler beabsichtigte 1983, ein zu Unix kompatibles Betriebssystem zu entwickeln, das für jedermann so frei verfügbar sein sollte «wie die Luft». Als Name für sein Projekt wählte er die selbstreferenzierende Abkürzung «GNU», die für «GNU is not Unix» steht und heute das Erkennungsmerkmal der Softwareprodukte ist, die gemäss Stallmanns «GNU Manifesto» von jedermann kostenlos genutzt werden darf. Heute steht die Free Software Foundation hinter der GPL.

Freie Software in Publishing-Diensten

Im Desktop-Publishing und bei der Bildbearbeitung ist das Angebot an Open-Source-Programmen noch nicht so konkurrenzfähig wie in anderen Bereichen. Immerhin: Der freie Postscript-Interpreter Ghostscript ist für eine breite Palette an Free- und Sharewareprogrammen im Bereich PDF verantwortlich. Und mit Gimp gibt es ein Bildbearbeitungsprogramm, das sich sehen lassen kann.

Allerdings – eine Photoshop-Alternative ist Gimp im Moment nicht. Auch wenn manche Medienberichte Gimp nur zu gern als kleiner David sehen würden, der Goliath, beziehungsweise Adobe in die Suppe spuckt, fehlt dem Herausforderer dazu im Moment das richtige Format. Nämlich CMYK; Gimp unterstützt im Moment nur den RGB-Farbraum. Die Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass sich das ändern könnte. Es ist bereits jetzt ein Plug-In verfügbar, das es Gimp erlaubt, Vierfarben-TIFFs zu exportieren. Mehr weiter unten im Artikel.

Adobes Platzhirsch hat, zumindest für den Moment, aus der Open-Source-Welt nichts zu befürchten. Hingegen ist Gimp eine Ernst zu nehmende Konkurrenz für die Bildbearbeitungsprogramme im mittleren Preissegment, wie beispielsweise Ulead Photoimpact oder Paintshop Pro von Jasc (wobei letzteres CMYK zu speichern weiss). Wer Web- oder Office-Publishing betreibt, kann sich ruhigen Gewissens auf Gimp verlassen und einige Hundert Franken sparen. Der Bildbearbeiter aus der Open-Source-Welt ist für Retuschen genauso gerüstet wie für Bildmontagen und bietet den Funktionsumfang, den man von einer mittelpreisigen Software erwarten darf. Nicht vorhanden sind Assistenten oder andere Hilfsmittel, die ungeübten Anwendern das Leben leichter machen würden. Die Schützenhilfe der Gimp-Macher besteht in einem durchaus nützlichen «Tipp des Tages», der beim Programmstart angezeigt wird und in rund vierzig Tutorials, die unter www.gimp.org/tutorials einsehbar sind. Gimp richtet sich unzweifelhaft an Anwender, die etwas von der Sache verstehen. Daran ist nichts auszusetzen. Allerdings hält sich Gimp in Sachen User-Interface nicht an die üblichen Gepflogenheiten, wie sie einem Windows- oder Mac-Anwender vertraut sind. Es ist dem Programm anzusehen, dass es aus der Unix-Welt stammt. Das ist anfänglich ein Manko, vor allem auch, weil auch die Bezeichnung der Befehle oft von den Photoshop-Termini abweicht. Auch ein geübter Bildbearbeiter muss sich in Gimp erst einmal zu recht finden – und zwar ohne, dass das Programm bei der Lernphase unterstützend wirken würde.

Gimp 2 hat in Sachen Benutzerfreundlichkeit dazugelernt. Die Funktionen waren in der Vorgängerversion über die rechte Maustaste zugänglich; neu gibt es, wie sich das jeder Windows- und Mac-Benutzer gewohnt ist, eine Menüleiste, welche alle Befehle bereithält. Anders als bei Programmen, die den Konventionen folgen, ist Gimps Menüleiste nicht im Haupt-Programmfenster untergebracht. Das liegt daran, dass es ein solches nicht gibt: Nach dem Start des Programms besteht Gimp aus zwei Fenstern.

Die Fenster sind zum einen die Werkzeugpalette mit Selektions, Zoom, Skalierungs, Text-Tools und weiteren Instrumenten und den Menübefehlen zum Öffnen von Bildern. Und zum anderen eine Palette mit Reitern für Ebenen, Kanäle, Pfade und Rückgängigmachen. Sobald man über Datei > Öffnen ein Bild lädt oder mit Datei > Holen > Twain per Scanner einliest, erscheint das Bild als weiteres, separates Fenster. Im Bildfenster ist nun auch das Befehlsmenü zu finden, welches Kommandos für die eigentliche Bildbearbeitung bietet, beispielsweise die Verwaltung der Hilfslinien (unter Ansicht), Farbmodus (Bild > Modus), Effekte, und so weiter.

Dieser Ansatz hat Vorteile: Bei Photoshop kann es vorkommen – zumal wenn man nicht im Vollbildmodus arbeitet –, dass das Bildfenster grösser ist als das Programmfenster. Das ergibt eine Art Schlüssellocheffekt, der dazu führt, dass von einem geöffneten Bild nur ein Ausschnitt zu sehen ist. Photoshop hat ein so genanntes Multiple Document Interface (MDI): Die Anwendung selbst ist das «Elternfenster», die geöffneten Dokumente sind die «Kinderfenster». Kinderfenster dürfen gemäss den Spezifikationen nur innerhalb des Elternfensters in Erscheinung treten. MDIs machen unerfahrenen Anwendern das Leben leichter. Da die Fenster nicht ausserhalb des Hauptfensters platziert werden können, ist sofort ersichtlich, zu welcher Anwendung sie gehören. Erfahrene Anwender sind auf diese Hilfe nicht angewiesen; für sie ist der beschriebene Schlüsselloch-Effekt störend.

Oberflächliche Unstimmigkeit

Gimps Werkzeug- und Dokumentfenster lassen sich beliebig auf dem Desktop anordnen. Unschön ist, dass jedes Bild- und Werkzeugfenster als eigenes Icon in der Taskleiste in Erscheinung tritt. Noch störender: Ist eine andere Anwendung im Vordergrund, muss jedes Bild- und Werkzeugfenster einzeln in den Vordergrund geholt werden. Auch dies ist auf die Herkunft aus der Unix-Welt zurückzuführen, wo stringente Bedienungskonzepte eine untergeordnete Rolle spielen. Kommt dazu, dass Unix-Benutzer daran gewöhnt sind, mit virtuellen Desktops zu arbeiten und Fenster nicht minimieren, sondern eher zwischen verschiedenen Desktop-Anordnungen hin und her wechseln, wenn sie mit verschiedenen Anwendungen arbeiten. In der Windows-Version kostet Gimp diese Eigenheit einiges an Nutzwert.

Vergleicht man die Benutzeroberfläche von Gimp und Photoshop, wird eines klar: Die Benutzerschnittstellen sind ein Flickwerk, weil jeder Softwareentwickler macht, was ihm gefällt. Gimp, dem geschenkten Gaul, kommt zugute, dass man ihm nicht ins Maul schauen mag. Und im Grunde wäre Gimps Weg ohnehin der bessere, da die Arbeit ohne MDI flexibler ist.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass auch auf Windows Konventionen wenig gelten. Adobe hält sich nicht an die Spezifikationen: Während Dokumentfenster wie von den Spezifikationen vorgesehen nicht ausserhalb des Anwendungsfensters erscheinen können, ist das mit Werkzeugpaletten sehr wohl möglich. Paletten können ausserhalb des Photoshop-Fensters stehen. Eine Notwendigkeit, denn sonst liesse sich auf einer Workstation mit zwei Monitoren keine sinnvolle Aufteilung zwischen den beiden Bildschirmen bewerkstelligen. Die Übersichtlichkeit, die das MDI bewirken soll, ist damit flöten – was jeder schon gemerkt hat, der zwei Adobe-Anwendungen offen hatte und in Photoshop zoomen wollte, dabei aber das Lupensymbol der InDesign-Werkzeugpalette anklickte. In Sachen «Usability», d.h. Benutzerfreundlichkeit, stecken sowohl Gimp als auch Photoshop noch in der Steinzeit.

Hohe Installationshürden für Mac, niedrigere für Windows

Bevor ans Arbeiten mit der Open-Source-Grafiksoftware zu denken ist, muss sie erst einmal eingerichtet werden. Wie nicht anders zu erwarten, lauern auch hier Schwierigkeiten. Die Hürden für Windows-Anwender sind vergleichsweise bescheiden und dürften mit Hilfe der Installationsanleitung leicht übersprungen werden. Diese gibts im Web, die Adresse ist am Ende dieses Artikels zu finden. Gimp gedeiht prächtig auf Mac OS X; zumal dieses Betriebssystem einen Unix-Unterbau besitzt und Gimp aus der Linux- bzw. Unix-Welt stammt. Über Fink (http://fink.sourceforge.net) ist Mac OS X in der Lage, die Linux-Version von Gimp auszuführen; eine spezielle Anpassung oder eine Portierung wird nicht gebraucht. Fink ist ein Zusatzprogramm, mit dem sich Mac-OS-X-Anwender die grosse weite Welt der Linux-Software erschliessen und Zugriff auf eine riesige Zahl von Open-Source-Programmen erhalten. Allerdings hat Fink nichts von der Pflegeleichtigkeit, die sich Mac-Anwender von ihrer Software gewohnt sind. Daher ist Gimp.app der einfachere Weg (Adresse: Siehe Kasten «Gimp-Infos»). Gimp.app braucht keine Linux-Bibliotheken, ist aber auf X11 angewiesen, den Window-Manager von Apple für Linux-Programme. X11 ist auf der Jaguar-Setup-CD unter den optionalen Systemkomponenten enthalten.

Unorthodox ist Gimp auch bezüglich der Dateidialoge. Fürs Öffnen und Speichern benutzt Gimp nicht die Dialoge des Betriebssystems, sondern bringt eigene Fenster mit. Das war keine gute Entscheidung der Entwickler. Die Eigenkreation ist schlechter als der Standard-Dialog von Windows. Und beim Speichern dürfte ein Anfänger seine Probleme haben, das richtige Dateiformat zu erwischen. Welches Bildformat Gimp benutzt, legt der User über die Auswahlliste «Dateityp bestimmen» fest. Die Endung muss jedoch bekannt sein, da Gimp die Formate nicht namentlich nennt. Die Web-Formate GIF (auch animiert, wobei Gimp wie Photoshop die einzelnen Ebenen als Bildframes exportiert), JPEG und PNG sind in Gimps Repertoire zu finden; die komfortablen Möglichkeiten von Photoshops «Für Web speichern»-Dialog sucht man in Gimp vergeblich. Dokumente mit Vektorinformationen (Pfade etc.) lädt und sichert Gimp als «Scalable Vector Graphic» (SVG). Gimp öffnet und speichert Adobe Photoshop-Dateien (PSD), inklusive Ebenen. Natürlich gehen Eigenschaften, die von Gimp nicht unterstützt werden, verloren; sodass eine genaue Kontrolle von Photoshop-Dokumenten in Gimp zwingend notwendig ist.

SVG-Perlen vor den Illustrator werfen

Vektorobjekte lassen sich übrigens via SVG-Format zwischen Gimp und anderen Anwendungen austauschen. Dazu bemüht man in Gimp die Pfadpalette, die im Menü «Pfade» zu finden ist. Indem man mit der rechten Maustaste auf einen Pfad klickt, lässt sich dieser im SVG-Format exportieren. Indem man einen leeren Pfad erstellt und dann über das Kontextmenü geht, erhält man auch die Möglichkeit, Vektorpfade einzulesen. Während die von Gimp exportierten SVG-Dateien keine Probleme machen und sich ohne Schwierigkeiten in Illustrator oder einem mit SVG-Plug-In ausgestatteten Browser verwenden lassen, brachte ein mit Illustrator gespeicherter Pfad Gimp zum Absturz. Schade – denn gerade das wäre eine viel versprechende Möglichkeit gewesen. Man darf aber darauf hoffen, dass die Gimp-Entwickler hier nachbessern werden. Falls die SVG-Import- und Exportfunktionen nicht zur Verfügung stehen, dürfte das übrigens an einem DLL-Konflikt liegen: In diesem Fall ziehen Sie für die Arbeit mit Gimp folgende Dateien aus dem Verkehr, die Sie im Windows-Systemverzeichnis (C:\windows\system32) finden: libxml2.dll, xmlparse.dll und xmltok.dll. Nennen Sie sie zum Beispiel jeweils *.dll alt. Nach der Arbeit mit Gimp sollten Sie die ursprünglichen Namen wiederherstellen.

Gimp offeriert als Speicherformat auch HTML – und sorgt mit diesem für Bilder komplett ungeeigneten Format erst einmal für Irritation. Benutzt man es einmal probehalber, dann entdeckt man eine dieser Funktionen, die Gimp zwar leicht skurril, aber um so liebenswerter machen: Speichert man ein Bild als HTML, legt Gimp eine Webseite an, die zur Hauptsache aus einer Tabelle besteht. Diese Tabelle repräsentiert das Bild, indem jeder Pixel des Bildes durch eine Zelle mit entsprechender Hintergrundfarbe repräsentiert wird. Eine interessante Möglichkeit, grosse Tabellen optisch interessanter zu machen.

Bei den Ebenen auf der Höhe

Die Funktionspalette Gimps ist deutlich avancierter als sein User-Interface. Es gibt alle Funktionen, die man für die Retusche, Montage und Farbkorrektur benötigt. Gimp kennt sich bestens mit Ebenen aus und kann eine Auswahl als Alpha-Kanal speichern. Auch mit Ebenenmasken kennt Gimp sich aus. Wie bei Photoshop steht die Deckkraft oder der Verrechnungsmodus (Subtrahieren, Multiplizieren, Farbig nachbelichten etc.) zur Verfügung. Korrektur-, Effekt- oder Füll­ebenen kennt Gimp nicht, mit Ebenenmasken ist das Open-Source-Programm aber bestens vertraut. Als weitere Instrumente enthält Gimps Toolbox die üblichen Malwerkzeuge wie Stift, Pinsel, inklusive verschiedene Pinselspitzen, Radierer, Airbrush und Tinte, natürlich auch die üblichen Tools für Farbverlauf und Flächenfüllung. Die Tools für die Auswahl von Bildbereichen sind nicht so elaboriert wie die von Photoshop. Gimp kann keine Auswahl transformieren und ein Plug-In wie Photoshops Extrahieren-Modul sucht man vergeblich. Immerhin, für komplexere Freistell­arbeiten findet sich unter Werkzeuge > Auswahlwerkzeuge die intelligente Schere. Sie funktioniert ähnlich wie Photoshops magnetisches Lasso-Werkzeug. Den Maskierungsmodus kennt Gimp auch. Er heisst QuickMask und wird über im Menü über Auswahl > deaktivieren benutzt (die Bezeichnung heisst tatsächlich so und dürfte von einem Übersetzungsfehler herrühren). Alternativ schaltet man zwischen dem normalen Modus und dem QuickMask-Modus hin und her, indem manauf das rote Rechteck-Symbol klickt, das in der linken unteren Bildecke zu finden ist.

Gimp ist stark im Umgang mit Ebenen, bietet die üblichen Werkzeuge zum Skalieren und Transformieren von Bild oder Bildausschnitten, beherrscht den Umgang mit Vektorpfaden und Text, der jederzeit bearbeitbar bleibt. Kleine, nützliche Hilfsmittel wie das Messen-Tool runden das Angebot ab.

Abrissmenüs à la carte

Ein praktischer Gimp-Trick eröffnet sich über das Kontextmenü: Bei einem Rechtsklick ins Bild erscheinen die Befehle aus dem Hauptmenü als Kontextmenü. Achten Sie auf die gestrichelte Linie am Menükopf: Sie erlaubt es, das Menü «abzureissen» und in eine Palette zu verwandeln, die offen bleibt. Beschäftigen Sie sich beispielsweise mit der Farbkorrektur eines Bildes, dann rechtsklicken Sie ins Bild, wählen Werkzeuge > Farben aus dem Kontextmenü, klicken auf die gestrichelte Linie und haben nun u. a. die Befehle Farbabgleich, Sättigung, Farbton und Schwellenwert/Kontrast als Palette Direktzugriff und Sie sparen sich für diese Arbeit dem Umweg übers Menü. Die Gradationskurve steckt übrigens hinter dem Befehl Werkzeuge > Farben > Kurven, und ist ein guter Beleg dafür, dass die Gimp-Macher Photoshop genau kennen dürften. Die Fenster zum Einstellen der Gradationskurven sind sich so ähnlich, dass sich ein Photoshop-Profi sofort zurechtfindet. Die Tonwertkorrektur heisst bei Gimp «Werte» und ist deutlich leistungsfähiger als Photoshops Äquivalent, indem der Gimper auch Zielwerte bestimmen kann und sich so das Bild oder die Auswahl auf die Schnelle umfärben.

Zu den Highlights von Gimp gehören die Effekte. Von diesen könnte sich selbst Photoshop ein dickes Stück abschneiden. Das Plug-In Gfig (Filter > Render > Gfig) hilft beim Konstruieren von geometrischen Objekten: Sie werden erst in einem separaten Fenster als Vektorobjekt entworfen und danach auf die Zeichenfläche gemalt. Auf diese Weise gelangen komplexe geometrische Figuren wie Polygone, Sterne oder Spiralen in die Zeichnung. Diverse Figuren stehen zum Abruf bereit, darunter auch kunstvolle Ornamente, die man sich, eine entsprechende Neigung vorausgesetzt, auf jedes exponierte Körperteil tätowieren lassen könnte. Beim Rendern der geometrischen Funktionen auf die Zeichenfläche kann man beliebige Pinsel verwenden und auch die Bitmap-Zeichenwerkzeuge dürfen verwendet werden: So konstruiert man beispielsweise einen aus Peperoni geformten Stern mit wenigen Mausklicks. Eigene Gfig-Objekte lassen sich mittels Vektortools konstruieren und zur späteren Verwendung abspeichern.

Ein weiteres, erfreuliches Plug-In ist der Fraktal-Explorer, mit dessen Hilfe man direkt in Gimp fraktale Muster in sein Bilddokument einbaut. Neben der bekannten Mandelbrot-Menge (dem «Apfelmännchen») stehen acht weitere Berechnungsmethoden zur Verfügung. Die Farbverteilung bezieht Gimp entweder aus einer speziellen Farbfunktion oder den Verlaufseinstellungen. Über den Fraktal-Explorer kann man Hintergründe oder andere Farbflächen aufbauen, die eine interessante Struktur haben und gleichzeitig natürlich wirken. Aufgerufen wird er über den Befehl Filter > Render > Fraktal-Explorer. Schöne Muster gibts vordefiniert zur schnellen Auswahl im Reiter «Fraktale» des Explorers; unsere Geheimtipps sind «Hoops», «Nebula» und «Hemp».

In der Filtervielfalt schwelgen

Im Gimp-Filtermenü sind viele weitere nützliche und kreative Plug-Ins zu finden. Manche davon kennt man von Corel Photopaint oder auch Photoshop. Es gibt aber auch Exklusivitäten; das lustvolle Stöbern sei dem Gimp-Neuling wärmstens empfohlen. Einige weitere nützliche Module sind die folgenden:

Filter > Farben > Farbe zu Transparenz wandelt eine Farbe nach Wahl in einen Alphakanal um.

Filter > Farbe > Abbilden > Ähnlich färben überträgt die Farbverteilung eines Bildes auf ein anderes. Hat man das Motiv eines weiten, blauen Meeres und nimmt dieses als Quelle für den «Ähnlich einfärben»-Filter, erhält man auf sehr elegantem Weg eine z.B. eine meeresblaue Katze.

Für die auf Automatisierung und Erweiterung bedachten Anwender hat Gimp Asse im Ärmel, gegen die kein Konkurrent ankommt. Photoshops Actions vermögen in keiner Art und Weise mit Gimps Möglichkeiten mitzuhalten. Gimp lässt sich beispielsweise über C oder Perl oder die Open-Source-Scriptsprache Python programmieren. Python (www.python.org/download) existiert für Windows, Mac und Linux und ist fast so leistungsfähig wie eine ausgewachsene Programmiersprache.

Für etwas weniger anspruchsvolle Projekte ist ein Scripting-Modul in Gimp eingebaut, von dessen Leistungsfähigkeit man sich anhand der mitgelieferten Beispiele überzeugen kann: Über den Menübefehl «Script-Fu» stattet Gimp Bilder mit exquisiten Rahmen aus, lässt Objekte Schatten werfen, rundet die Ecken einer Auswahl ab oder erzeugt strukturierte Flächen. Über Scripte lassen sich auch neue Bilder erstellen; die Module, die kein bestehendes Bild benötigen, sind über die Werkzeugpalette und den Befehl Xtns > Script-Fu zugänglich. Wer sich die Zeit nimmt, um sich anhand eines Web-Tutorials wie dem Script-Fu-Handbuch (www.gm4t9.de/gimp/tut01) einzuarbeiten, kann auch komplexe Abläufe automatisieren oder eigene Filter entwickeln. Der einzige Kritikpunkt an Script-Fu ist die träge Abarbeitung der Befehle – das liegt aber daran, dass der Programm-Code nicht so optimiert ist wie der von Photoshop und rechenintensive Funktionen tendenziell etwas mehr Zeit benötigen.

Wie eingangs erwähnt, bietet Gimp bislang keine CMYK-Unterstützung. Vierfarbenseparation ist immerhin über ein Export-Plug-In möglich. Dieses gibts unter folgender Adresse:

www.blackfiveservices.co.uk/separate.shtml

Das Separations-Plug-In muss manuell installiert werden, indem die Datei separate.exe ins Plug-In-Verzeichnis C:\Programme\GIMP-2.0\lib\gimp\2.0\plug-ins kopiert wird. Ist dies geschehen, steht in Gimp im Menü «Bild» neu der Befehl «Separate» zur Verfügung. Damit die Separation funktioniert, benötigt das Plug-In Farbprofile. Diese werden nicht mitgeliefert; daher gelingt die Umwandlung nicht, wenn man im «Separate»-Dialog einfach auf «OK» klickt. Damit es klappt, macht der Gimp-Benutzer dem Plug-In die entsprechenden Profile zugänglich: Wer ein Adobe-Programm installiert hat, gibt unter «Source Profile» das Profil sRGB Color Space Profile.icm an, welches unter C:\Programme\Gemeinsame Dateien\Adobe\Color\Profiles\Recommended gespeichert ist. Unter «Destination Profile» selektiert man ein passendes CMYK-Profil, beispielsweise EuroscaleCoated.icc. Es ist unter dem gleichen Pfad abgelegt.

Nach dem Separieren speichert man das Bild über Bild > Separate > Save und erhält ein solides CMYK-Tiff.

Wer keine Adobe-Software installiert hat, lädt sich die notwendigen Profile aus dem Netz herunter, und zwar von der Adresse www.adobe.com/support/downloads/detail.jsp?ftpID=2348.

Open Source funktioniert

Stallmans Idee der freien Software funktioniert – das beweist nicht zuletzt der Open-Source-Grafikeditor. Aus einem kleinen Projekt, das 1995 zwei Studenten der Berkeley-Universität in Angriff nahmen, wurde eine ausgewachsene Anwendung. Die erste öffentliche Version von Gimp erschien 1998 – und das, obwohl sich die beiden Väter Spencer Kimball und Peter Mattis nach ihrem Uniabschluss nicht mehr um das Projekt kümmern mochten. Die Open-Source-Gemeinschaft nahm sich dem Waisenkind an und machte es zu einer leistungsfähigen Grafiksoftware, von der heute jedermann profitieren darf.

Gimp mit Werkzeugpalette, Ebenenpalette und Bildfenster. Das Motiv zeigt das Gimp-Maskottchen Wilber, das im Rahmen der Blinkenlights-Arcade-Installation als interaktive Lichtinstallation von 520 beleuchteten Fenstern gezeigt wird. Zu sehen an den Ufern der Seine in Paris am Quai de Bercy.

Starke Effekte à la Gimp: Hier sieht man den Gfig-Filter in Kombination mit einem Bitmap-Pinsel.

Quelle: Publisher, Dienstag, 15. Juni 2004

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