Die Herren der Scheibe

Von Matthias Schüssler

Am 1. August 2002 wird das neue Filmgesetz in Kraft treten. Mit der neuen Regelung dürfen Filme auf DVD nur mehr mit Zustimmung des Rechteinhabers vertrieben werden. Dies hat zur Folge, dass es nicht mehr legal ist, wenn DVD-Shops selbst importierte Scheiben verkaufen: Die beliebten Code-1-Filme mit den neuesten US-Kinostreifen werden aus den Regalen verschwinden. Nachdem die technischen Barrieren zur Verhinderung der Parallelimporte versagt haben, muss der Gesetzgeber zum Rechten schauen.

Ginge es nach den technischen Spezifikationen, dürfte ein europäischer DVD-Player gar keine US-amerikanischen Filme abspielen, der so genannte Ländercode sollte es verhindern. Doch findige Filmfreunde haben Mittel und Wege gefunden, ihn zu umgehen. Und weil es einem Bedürfnis entspricht, werden codefreie Wiedergabegeräte in grosser Zahl verkauft.

Jan Scharringhausen von der Schweizerischen Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie «Safe» begründet, weshalb die Schweizer keine Code-1-DVD mehr sehen werden: Wenn ein Film noch vor dem offiziellen Kinostart auf DVD zu haben ist, «gefährdet das die Schweizer Kinolandschaft». Vor allem in der Westschweiz ist das ein Problem, da von Kanada die französischsprachige Fassung vorzeitig ins Land gelangt. «Nur wenn die Auswertungskaskade funktioniert, lässt sich ein Film refinanzieren», so Scharringhausen.

Man kann darüber streiten, ob ein Angebot an Code-1-Filmen wirklich so viele Leute vom Kinobesuch abhält. Eher einleuchtend ist der Ärger der hiesigen Rechteinhaber, die nichts an der Importware verdienen. Doch auch die Filmfans verdienen Verständnis, wenn sie die Angebotsschmälerung bedauern – vom Importverbot sind nicht nur die Blockbuster, sondern auch die kleinen Filme betroffen, die es nie in die Schweizer Kinos schaffen. Es steht zu vermuten, dass manch Cinephiler sich selber helfen wird und den Streifen aus dem Internet lädt.

Nach der Musikbranche reagiert auch die Filmindustrie defensiv, sobald die Kehrseite des DVD-Booms sichtbar wird. Das ist betrüblich, weil der Boom den Studios Traumumsätze bescherte. Und bedauerlich ist, dass der Konsument der Leid Tragende ist. Dabei gäbe es auch andere Lösungen für den globalisierten Filmmarkt. Filmstarts weltweit zum gleichen Starttag würden USA-Importe der grossen Filmhits überflüssig machen. Die Kinoereignisse «Episode II» oder «Herr der Ringe» haben das zweifelsfrei bewiesen.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 1. Juli 2002

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