Fad statt knusprig

Von Matthias Schüssler

Kein Zweifel, die Welt braucht Kartoffelchips. Wenn das Fernsehprogramm sich als fad und geschmacklos entpuppt, dann sind dünne, würzige Kartoffelscheiben des Zuschauers letzte Rettung. An Grillpartys ist das knusprige Frittiergut Pflicht, und sogar ohne festlichen Anlass kauft man die aufgeplusterten Plastikbeutel. Sie nähren nicht, bieten dem Nascher dafür orale Befriedigung.

Braucht das Internet Kartoffelchips? Die Firma Zweifel bejahte und richtete dem Krack-Snack eine Homepage ein. Eine gute Entscheidung, denn www.zweifel.ch trug dem Spreitenbacher Unternehmen letzte Woche den «Master of Swiss Web Award» ein. Ausgerichtet wurde der Preis von der sima, dem Branchenverband für neue Medien, und der «Netzwoche», die heuer zum ersten Mal die jährliche «Oscarverleihung der Schweizer Web-Branche» durchführte.

Die preisgekrönte Website ist toll gemacht. Es gibt ein das Auge erfreuendes Flash Intro, ein durchgestyltes Screen Design, einen Chat, Games und sogar musikalische Berieselung. Schön und trotzdem überflüssig. Das Web braucht www.zweifel.ch nicht.

Websites wie diese sind im Dutzend billiger: Auftritte, die sich in Aufbau und Konzeption gleichen wie ein Chip dem anderen. Das Memoryspiel, welches bei Zweifel zu finden ist, wäre auch auf einer Site zu griechischem Fetakäse, englischen Luxusautos oder schwedischen Sexfilmen nicht verkehrt. Immerhin: Eine Diashow zeigt die Entstehung des salzigen Naschwerks – da hat der Surfer für einmal nicht das Gefühl, dass beim designverliebten Vorzeigeprojekt einer Webagentur Form alles und Inhalt nichts ist.

Dabei haben Kartoffelchips genügend charakteristische Merkmale für einen würzigen Webauftritt. Die Werbung der Firma Zweifel machts vor: Weil sich der Geschmack der Chips im elektronischen Medium nicht vermitteln lässt, rückt die Kampagne geschickt das Chips essenden Konsumenten vertraute Draufbeiss-Geräusch ins Zentrum.

Wo ist der Internet-Krack-Effekt? Die Site über den Hersteller eines Produkts, das man meist gedankenverloren aus dem Beutel fingert, muss eine Wundertüte sein. Der Besuch sollte, wenn nicht im konkreten, dann im übertragenen Sinn, beim Surfer klebrige Finger und Sättigung hinterlassen. Die Jury der Schweizer Weboskars täte gut daran, nebst «Back-End-Integration» oder «Usability» auch diesen Umstand zu gewichten.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 7. Mai 2001

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Thema: Monitor
Nr: 3617
Ausgabe: 01-507
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