Wenn PCs WCs wären–…

Von Matthias Schüssler

«Die Situation ist sehr ernst!», sagt William Buxton über die Computerindustrie. Für einmal sind aber nicht die Börsen-Turbulenzen Anlass für gedrückte Stimmung. Der Computerwissenschaftler beklagt, Computer seien unlogisch in der Bedienung, vollgepackt mit technischen Spielereien, aber alles in allem unfähig, auf menschliche Bedürfnisse zu reagieren: «Sie sind weniger fortschrittlich als eine automatische Toilette auf einem Flughafen, die die Spülung auslöst, wenn der Benutzer aufsteht», kritisiert Buxton.

Computer, die mitdenken – Bedürfnismaschinen, die ihren Benutzern ebenso wirkungsvoll Erleichterung verschaffen wie die Flughafentoilette –, das klingt gut! Doch in der Realität denken nicht einmal einfache technische Geräte mit. Da kann ich mich noch so ärgern, mein Radio merkt nicht, dass mir ein überdrehter Moderator auf den Wecker geht. Mein Staubsauger bemüht sich noch nicht einmal, den Staub alleine unter dem Bett hervorzusaugen, um mir das Bücken zu ersparen. Wie sollte da ein Computer, eine Allzweckmaschine, die für viele unterschiedliche Arbeiten eingesetzt wird, Benutzerwünsche erahnen und vorauseilend Gehorsam üben?

Vermutlich ist William Buxton ein Sciencefiction-Fan und liebt die Vorstellung von klugen Computern und Androiden, die auf Zuruf dienen. Vielleicht hat er auch zu dem nicht wirklich hilfreichen Toilettenvergleich gegriffen, um Aufmerksamkeit für ein legitimes Anliegen zu bekommen: Trotz genialer Erfindungen wie der Maus kommen Computer menschlichen Eigenarten kaum entgegen. Menschen kommunizieren auf vielen Ebenen, PCs furchtbar stereotyp. Als Benützer ist man nach wie vor gezwungen, sich die Informatik-Nomenklatur anzueignen und eine Vorstellung davon zu haben, wie ein Computer funktioniert – daran wird sich so schnell wohl kaum etwas ändern. Wenn sich die Wissenschaft ernsthaft mit der Verbesserung von Computern beschäftigt, dann bäckt sie kleine Brötchen: In Software-Ergonomie etwa wird angehenden Programmierern beigebracht, wie Dialogboxen und Menüs zu gestalten sind, damit Programme für den Benutzer leichter verständlich sind. Als Verkaufsargument eignet sich die hohe Ergonomie eines Programms oder Geräts selten. Dies wird sich auch an der grossen Computermesse CeBIT diese Woche zeigen, wo viele neue Geräte und Gadgets zu sehen sein werden. Revolutionär einfach in der Bedienung wird keines davon sein.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 19. März 2001

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Thema: Monitor
Nr: 3614
Ausgabe: 01-319
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