Von Freund zu Freund tauschen

Neben Napster existiert eine grosse Zahl an alternativen Tauschbörsen.

Von Matthias Schüssler

Nicht manches Unternehmen mit kaum fünfzig Mitarbeitern schafft es, den eigenen Firmennamen weltweit bekannt zu machen. Einer kalifornischen Firma ist dieses Meisterstück in wenigen Monaten gelungen – wer sich für die Geschehnisse in der Internetwelt interessiert, dem ist Napster.com ein Begriff.

Student, Chat-Fan und Napster-Gründer Shawn Fannings zündende Idee war, zwei leistungsfähige Technologien auf innovative Weise miteinander zu verheiraten. Technologie eins ist ein Dateiformat mit der Bezeichnung MP3, mit dem sich Musik in guter Qualität, aber sehr schlank verpacken lässt. Technologie zwei wird mit dem Begriff «Peer-to-peer-Netzwerk» umschrieben (kurz: P2P). Das englische Wort «peer» bedeutet Gleichgestellter oder auch Freund und umschreibt die Beziehung, in der die Arbeitsstationen in einem P2P-Netzwerk stehen. Als ebenbürtige Mitglieder im Rechnerverbund darf jeder einzelne PC die Rolle des Servers übernehmen und für die anderen Stationen Ressourcen zur Verfügung stellen – pragmatisch, je nach Angebot und Nachfrage.

Durch das ständige An- und Abmelden einzelner Mitglieder ist das Angebot eine sich sekündlich ändernde Titelsammlung, die aus den Beständen aller eingeloggter Mitglieder besteht. Das «normale» Internet dagegen funktioniert sehr viel geordneter, weil der PC des Surfers stets als «Kunde» (Client) fungiert und die Ressourcen auf möglichst zuverlässigen Servern bereitliegen.

Aliensuche nach dem Napster-Prinzip

Weltweite Gemeinschaften zum Musiktausch ist nicht die einzige Anwendung des Peer-to-peer-Prinzips. Das Projekt SETI home («Search for Extraterrestrial Intelligence at home»; Suche nach ausserirdischer Intelligenz zu Hause) benützt eine P2P-Technik, um die Daten auszuwerten, die durch die Beobachtung des Weltalls anfallen. Teilnehmer stellen die Rechenkapazität ihrer PCs zur Verfügung. Ein Bildschirmschoner wird aktiv, wenn der Computer nicht benützt wird, und verwendet dessen Rechenleistung für die Datenanalyse. Wer selbst Ausserirdische suchen möchte, findet das Programm unter http://setiathome.ssl.berkeley.edu/).

P2P im Dienste der Wissenschaft ist eher die Ausnahme; der typische P2P-Dienst existiert, weil sich der prähistorische Sammlertrieb auch beim Surfer des 21. Jahrhunderts bemerkbar macht. Getauscht werden längst nicht mehr nur Musikdateien, sondern auch Bilder, Programme oder ganze Kinofilme – alles, was nicht niet- und nagelfest ist und sich durch eine Internetleitung quetschen lässt. Neben Napster stehen inzwischen so viele Dienste, Programme und Communities zur Auswahl, dass auch Internetexperten die Übersicht verlieren. Zur Verwirrung trägt bei, dass man sich als angehender Web-Tauschhändler nicht nur mit den unterschiedlichen Programmen, sondern auch mit den diversen Netzwerken auskennen muss: Vom Netzwerk ist abhängig, mit welchen Benutzern man in Kontakt treten und welche Inhalte man austauschen kann. Hat man sich für ein Netzwerk entschieden, dann stehen unter Umständen diverse Programme zur Verfügung, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Das Onlinemagazin «Wired» hat in einem ausführlichen Special allein 26 solcher Tauschgemeinschaften und mehr als fünfzig Tauschprogramme aufgelistet.

Gnutella: Süss und mastig

Neben Napster gehört das Gnutella-Netzwerk zu den beliebtesten Plattformen. Der Programmiercode des Ur-Clients ist frei verfügbar, sodass inzwischen diverse Gnutella-Abkömmlinge verfügbar sind. Der vielversprechendste heisst BearShare. Im Gegensatz zum «Stammvater» ist BearShare relativ einfach zu bedienen und bietet auch bei analogen Modemverbindungen ansprechende Verbindungsgeschwindigkeiten.

BILD WWW.BEARSHARE.DE

BearShare: Auch optisch ein würdiger Napster-Nachfolger.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 19. Februar 2001

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Nr: 3632
Ausgabe: 01-219
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