Profi-Bildbearbeitungssoftware Eclipse

Jetzt mag auch Windows kosmische Schattenspiele

Bisher nur für Silicon-Graphics-Rechner verfügbar, kann das Bildbearbeitungsprogramm «Eclipse» auch unter Windows benützt werden. Für viele Aufgaben sogar gratis!

«Eclipse» steht im Englischen für Mond- oder Sonnenfinsternis. Als Verb gebraucht, bedeutet der Name des Programms «verfinstern» und gibt dem Programmbenützer Rätsel auf: Wer Eclipse ausprobiert, hat keinen Grund für eine düstere Miene. Zwar ist die Bedienung ungewohnt, aber die Funktionen überzeugen.

Die deutsche Bildverarbeitungssoftware (die es trotzdem nur in Englisch gibt) ist ein erprobtes High-End-Produkt, das nun unter Windows 98, NT und 2000 läuft. Bald nach Erscheinen von MacOS X kann Eclipse auch auf Apple-Rechnern ausgeführt werden. Auf MacOS X wird sich Eclipse wohl auch wie zu Hause fühlen: Denn wie die neue Version des Apple-Betriebssystems hat auch Eclipse eine Unix-Vergangenheit. Das Bildbearbeitungsprogramm ist für Silicon-Graphics-Workstations entwickelt worden und lief bis vor kurzem nur auf der Unix-Variante Irix.

Arbeitstier zum Schnäppchenpreis

Am erfreulichsten ist der Preisabschlag von Eclipse: Während die ursprüngliche Irix-Version mit mehr als 20000 Mark zu Buche schlägt, kostet die Fassung für Windows 2100 Franken. Eclipse ist auch in einer Demo erhältlich. Diese arbeitet dreissig Tage lang ohne Einschränkung. Wenn der Mond die Erde einmal umrundet hat, lassen sich nur noch Bilder öffnen, die nicht grösser als 1600 x 1600 Pixel sind. Für viele Anwender ist das ausreichend. Und der Preis der Demoversion ist unschlagbar: 0 Franken.

Bei einem ersten Test fällt auf, dass das Programm auch auf einem verhältnismässig langsamen Rechner mit wenig Arbeitsspeicher Operationen flink durchführt. Der Grund dafür ist in der geschickten Verwendung des Arbeitsspeichers zu suchen. Anders als Photoshop lädt Eclipse nicht das ganze Bild in den Arbeitsspeicher. Eclipse erzeugt so genannte Proxy-Bilder, die es ermöglichen, dass das Programm stets nur die für den am Bildschirm sichtbaren Ausschnitt notwendigen Daten in den Speicher holt. So lassen sich laut Hersteller bei einem Arbeitsspeicher von 32 MB Bilder von bis zu 600 MB bearbeiten. Gemäss den Tests des TecChannels kann Eclipse ein solches Bild innert weniger Sekunden drehen, während Photoshop für die gleiche Aufgabe minutenlang rechnet. Zaubern kann Eclipse jedoch nicht: Wenn man ein Bild speichert, führt das Programm die anhand der Proxydatei aufgezeichneten Änderungen am Original durch, was bei grossen Bildern natürlich seine Zeit dauert. Dennoch ist es angenehm, dass der Computer nicht bei jedem Arbeitsschritt aufwändige Berechnungen durchführt, sondern erst nach Abschluss der Bearbeitung.

Alles eine Frage des Vektors

Eclipse hat für Photoshop-Anwender aber noch grössere Überraschungen in petto. Ein zentrales Konzept des Herstellers Form & Vision sind die ShapeLayers. Dies sind Vektorobjekte, die mit den Bézier-Tools gezeichnet oder aus Illustrator- oder Eclipse-Dateien importiert werden können. Ein ShapeLayer lässt sich dann mit einer Farbe, einem Verlauf (in Eclipse «Vignette» genannt) oder einem Bild füllen. Ein ShapeLayer beschneidet das enthaltene Bild, arbeitet also ähnlich wie ein mit einem Bild gefüllter Rahmen in InDesign. Füllt man den ShapeLayer mit einem Bild, behält dieses die Originalauflösung, bis man das Programm beauftragt, auf die Canvas, also die Arbeitsfläche, zu re- ndern. Während des Montagevorgangs kann man die einzelnen Objekte beliebig skalieren, ohne Qualitätseinbussen befürchten zu müssen.

Das zentrale Werkzeug ist die Palette «ShapeLayer Fill», über die die Verhaltensweise der Vektorobjekte gesteuert wird. Hier findet man die sechs Einträge Bild, Maske, Farbe, Transparenz, Operation und Kantenabblendung. Die verschiedenen ShapeLayer-Einstellungen lassen sich kombinieren, soweit das Sinn hat. So lässt sich die Kantenabblendung sehr schön zusammen mit einer Farbe, Transparenz oder einer Bildfüllung anwenden (vrgl. grossen Screenshot).

Über die Option «Operation» in der Fill-Palette kann einem ShapeLayer auch einer der Effekte aus dem «Effect»- oder «Correct»-Menü zugewiesen werden. In den Dialogen hat der Benutzer zwei Möglichkeiten: Klickt man im Dialogfenster, bei dem sich die Parameter des Effekts bestimmen lassen, auf die Schaltfläche «Correct», dann wendet Eclipse den Effekt auf das Bild an. Klickt man dagegen auf «Memorize», dann wird der Effekt dynamisch erzeugt und lässt sich weiterhin verändern oder auch wieder entfernen – bis auf die Schaltfläche «Rendern» geklickt wird. Erst dann verändert Eclipse die eigentlichen Bilddaten.

Präzision dank numerischer Eingabe

Die Auswahl an Korrektur­mög­lich­keiten ist beeindruckend: Für das Korrigieren der Farben und der Helligkeit eines Bildes oder Bildausschnitts via Gradationskurve offeriert Eclipse mehr als ein Dutzend Dialoge, die wie die meisten Eclipse-Fenster auch genaues Arbeiten über numerische Eingaben ermöglichen. Bei den Effekten ist das Programm etwas weniger spendabel: Neben den elementaren Funk-tionen wie Schärfen, Unschärfen oder Invertieren gibts bloss noch einige wenige Effekte – Photoshop-kompatible Module lassen sich leider nicht verwenden. Dafür ist sind die 3D-Schatten oder die Lichteffekte verblüffend; besonders, weil auch diese dynamisch bearbeitbar bleiben. Überraschend ist auch der Warp-Effekt, wie er anhand der verzogenen Tastatur demonstriert wird. Ein in einen ShapeLayer abgelegtes Bild lässt sich über die Objektanfasser verziehen, wobei Eclipse die Veränderungen in Echtzeit darstellt.

Texte bleiben editierbar

Auch Texte werden in Eclipse als ganz normale ShapeLayers angelegt, können also wie jedes andere Objekt für Effekte oder Montagen verwendet werden. (Leider benützt Eclipse nur TrueType-Schriften.) Dabei bleibt der Text bearbeitbar – man kann seine Wörter bei markiertem ShapeLayer durch Klicken auf das Texttool jederzeit ändern oder anders formatieren.

Wenn man mit den Bézier-Werkzeugen selbst Vektorobjekte anlegt, ist es wichtig, diese zu schliessen, indem man das Kästchen «close» ankreuzt. Offene Bézier-Objekte zu füllen, weigert sich Eclipse nämlich standhaft.

Mehrere Objekte in einer Montage können verschmolzen oder gruppiert werden. Auf diese Weise lassen sie sich global verändern.

Ganz konsequent ist das Konzept mit den stets editierbaren Objekten leider nicht umgesetzt: Wenn man Eclipse per «Stroke»-Schaltfläche anweist, einen Pinsel entlang der Kurve eines ShapeLayers aufzutragen, dann verändert das Programm den Hingergrund – die Kontur verbleibt an Ort und Stelle, auch wenn man das Vektorobjekt verschiebt.

Einige wenige Dinge trüben den positiven Gesamteindruck: Der Bildschirmaufbau ist gelegentlich fehlerhaft: Von gelöschten oder verschobenen Elementen bleiben machmal Überreste an der ursprünglichen Stelle zurück. Wechselt man mit der rechten Maustaste in den «Hand-Modus» (zum Verschieben des Bildausschnitts), wird das nicht mit einem speziellen Mauszeiger signalisiert. Weiter werden die Windows-Konventionen nicht immer eingehalten – namentlich bei der Belegung der Menüs oder fehlender Drag-und-Drop-Unterstützung. Auch sucht man spezielle Funktionen für Webgrafiken vergeblich. Schwerer wiegt, dass Eclipse keine Farbkorrektur unterstützt und Photoshop-Dateien mit Ebenen nicht öffnen kann. Auch elementare Funktionen für die Neuberechnung von Bildern betreffend Auflösung oder Farbtiefe fehlen. Eclipse ist daher höchstens eine Ergänzung, kein Ersatz für Photoshop oder andere lieb gewonnene Pixeleditoren. Trotz der Mankos legen wir engagierten Bildbearbeitern ohne Schwellenängste eigene Experimente mit Eclipse wärmstens ans Herz. n

Weitere Infos: aia gmbh, 8005 Zürich, 01 445 20 00, www.aia.ch.

Download unter www.publisher.ch oder www.formvision.de: eclipse314release.exe; 9649 kB

Quelle: Publisher, Mittwoch, 1. November 2000

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Thema: Prepress: Software-Test
Nr: 429
Ausgabe: 00-6
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