Dinhard: Regierungsrätin Rita Fuhrer sprach zum Thema «Sicherheit»

Wie sind die Emotionen und die Realität in Einklang zu bringen?

Das Thema «Sicherheit» ist eine heikle Sache: Von der Faktenlage scheint alles klar – detaillierte Statistiken geben Auskunft über die reale Bedrohung der Kantonsbevölkerung. Doch das emotionale Empfinden der Leute ist oft ein ganz anderes und individuelle Ängste sind kaum mit Zahlen zu beruhigen. Rita Fuhrer, Zürcher Regierungsrätin und Vorsteherin der Polizei- und Militärdirektion sprach in Dinhard darüber, wie sie die beiden Aspekte in Einklang zu bringen versucht – und das bei schwindenden Finanzmitteln.

(msc) Bei emotionalen Themen wie Kriminalität und der Sicherheit für Leib, Leben und Besitz trügt oft das individuelle Empfinden. Wie sehr die reale Bedrohung und ihre subjektive Wahrnehmung auseinanderklaffen, machte Rita Fuhrer an der von SVP und FDP organisierten Veranstaltung deutlich: Während bei Umfragen 76 Prozent der Bevölkerung glauben, im Lauf ihres Lebens einmal Opfer eines schweren Verbrechens zu werden, passiert dies laut Statistik nur einem Prozent wirklich. Gefeit vor solch verzerrter Wahrnehmungen sei jedoch niemand, sagte Fuhrer. «Und für unsere Lebensqualität, das Sich-Wohlfühlen und die Geborgenheit ist die Sicherheit zentral» – daher nehme sie auch die emotionale Seite vollkommen ernst.

Delikte: 90 Prozent Diebstähle

Doch nicht nur im subjektiven Empfinden nimmt die Bevölkerung die Bedrohung in den letzten Jahren stärker wahr – auch die Statistik weist eine Zunahme der Straftaten nach. 313 391 Delikte wurden 1996 im Kanton angezeigt – das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme um 2,9 Prozent. Der Löwenanteil der Delikte sind Diebstähle – nämlich 91,6 Prozent. Verbrechen gegen Leib und Leben machen dagegen «nur» 1,4 Prozent aus.

Im Vergleich zur übrigen Schweiz ist der Kanton Zürich allerdings überdurchschnittlich. Während 16 Prozent der Schweizer im Kanton Zürich wohnen, werden hier 27 Prozent aller innländischen Straftaten begangen. Opfer der Straftaten sind hauptsächlich die 18 bis 64 Jährige; alte Menschen und Kinder sind entgegen dem öffentlichen empfinden nur selten betroffen.

Mehr Sicherheitsbedürfnis in der Krise

Die Gründe dieser Entwicklung analysierte Rita Fuhrer mit Sorgfalt: In der Krise, wenn der Arbeitsplatz und der eigene Wohlstand gefährdet sei, erhalte die Sicherheit ein grosses, oder sogar überdimensioniertes Gewicht. «Das soziale Gefüge wankt, das Zusammenleben wird schwieriger und die politische Auseinandersetzung findet zunehmend auf der Strasse statt», sagte die Regierungsrätin. Kontaktarmut, weniger Sicherheit in Familien und Freundeskreis, einseitige Informationen und unbewältigt Aggressionen und Früste trügen das ihre bei. «Ausserdem ist eine Verwahrlosung festzustellen: Es wird weniger zwischen ‹Mein und Dein› unterschieden und die Nachbarschaftshilfe nimmt ab.» Dafür steige der Wunsch nach einer «gerechten Macht», die für Recht und Ordnung sorgt. Doch die Polizei, deren einziges Ziel die Sicherheit der Bevölkerung sei, könne der Gesellschaft die soziale Aufsicht nicht abnehmen: «Das ‹Zunendand-Luege› kann nicht delegiert werden», meinte Fuhrer.

Dass Ausländer einen grossen Anteil der Delinquenten ausmachten, nannte Fuhrer als weiteren Grund. An vielen schweren Verbrechen seien Ausländer beteiligt – bei Tötungsdelikten beispielsweise zu rund 59 Prozent. Dennoch warnte sie vor Panikmache und einer generellen Angst vor Ausländern. «Flüchtlinge, die in Familien kommen, sind keine Gefahr». Probleme gebe es jedoch mit alleinreisenden, jungen Männern, die aus Kriegsgebieten kämen und aufgrund ihrer Erfahrungen eine niedrige Hemmschwelle betreffend Kriminalität hätten.

Emotionale Diskussion

Die rund fünfzig anwesenden Dinharder beteiligten sich lebhaft an der abschliessenden Diskussion. Ein Anwesender meinte, es sei doch angesichts der Wichtigkeit der emotionalen Seite unsinnig, die kleinen Polizeiposten zu schliessen und die Dorfpolizisten abzuschaffen. Gerade diese hätten doch einen positiven Einfluss auf das Sicherheitsempfinden der Leute. Fuhrer pflichtete dem bei, meinte aber, die Kantonspolizei habe hier bis anhin Aufgaben übernommen, die eigentlich Sache der Gemeinden wären. «Heute ist das Geld dafür nicht mehr vorhanden und ich will nicht zugunsten der emotionalen Sicherheit die reale vernachlässigen», erklärte Fuhrer.

Die emotionale Seite des Themas zeigte sich dann im Verlauf der Diskussion: Ein Anwesender hatte geäussert, beispielsweise der Bahnhof Winterthur sei «zunehmend in schwarzer Hand». Fuhrer räumte ein, mit illegalen Einwanderern aus Ghana bestünden Probleme: «Die Rückschaffung ist schwierig, da die Ghanesischen Behörden kein Interesse an einer Kooperation haben.» Weiter meinte die Polizeidirektorin, die Kantone würden von den Schweizer Bundesbehörden in dieser Frage ziemlich alleingelassen, Bern lehne beispielsweise eine Koppelung der Entwicklungshilfe an die Lösung dieser Frage ab. Fuhrer vermochte die Wogen jedoch zu glätten, auch mit dem Hinweis, dass Schweizer durch die Ghanesen wenig bedroht seien, wenn Angehörige dieser Gruppe Verbrechen verübten, seien hauptsächlich Landsleute die Opfer.

«Im Spannungsfeld Realität und Emotionen ist es schwierig, Informationen zu vermitteln», hatte Fuhrer eingangs gesagt. Durch ihre sachliche Art ist ihr das bei der Dinharder Bevölkerung sicherlich gelungen.

Quelle: Der Landbote, Samstag, 20. September 1997

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Thema: Regierungsrätin Rita Fuhrer zum Thema «Sicherheit»
Nr: 160
Ausgabe: 97-217
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