3-D-Grafik mit Open-Source-Modellier- und Animationssoftware Blender 2.33

Blendwerk für den Hausgebrauch

Blender modelliert dreidimensionale Welten, versetzt künstlich geschaffene Wesen in Bewegung – und verrichtet als Open-Source-Programm sein schöpferisches Werk zum Nulltarif. Eine Anleitung zum Einstieg ins Universum der 3-D-Grafik.

MATTHIAS SCHÜSSLER Was Gimp für die Welt der flachen Bilder, ist Blender für die dreidimensionale Grafik. Mit Open Source lässt sich trefflich Bildbearbeitung treiben: Digitale Fotos nachkorrigieren, Sujet montieren ist alles kein Problem mit den Tools, die die Anhänger der freien Software im Internet freigeben. Im letzten Publisher 3-04 ab Seite 47 stellten wir eine solche Open-Source-Hoffnung vor: Mit Gimp steht ein Editor für Pixelbilder zum kostenlosen Download bereit, der zwar noch Wünsche offen lässt, aber bei Retusche und Bildkomposition manch kommer­ziellem Produkt den Meister zeigt.

Auch dreidimensionale Bildschöpfungen lassen sich mit Open Source bestreiten. Seit Juli 2002 untersteht Blender der GNU Public License (GPL). Damals hat die «Free Blender campaign» Geld gesammelt, um den Programmcode der Software vom Entwickler NaN zu erwerben. Das holländische Unternehmen «Not a Number» (NaN) war im Oktober 2001 Pleite gegangen und der Hauptanteilseigner forderte die Summe von 100 000 Euro für den Quellcode von Blender. Der Gründer von NaN, Ton Roosendaal, wollte Blender mit Hilfe einer Spendensammlung retten. Die beispiellose Aktion war ein durchschlagender Erfolg. In sieben Wochen kam das Geld zusammen; Blender war gerettet. Die Software gehört nun der Non-Profit-Organisation Blender Foundation und ist seit Version 2.25 Open Source.

Kostenloser Einstieg in die Welt der Cyberbabes

Blender ist ein Modeller wie Cinema 4D, Alias Wavefront Maya oder Caligari TrueSpace. Genau wie Gimp vermag Blender zwar nicht zuvorderst in der Liga mitzuspielen. Doch als Open-Source-Programm erspart er Investitionen von Hunderten von Franken und öffnet eine Tür zur faszinierenden Welt der dreidimensionalen Grafik, ohne dass ein Eintrittspreis zu berappen wäre. Die Einsparungen sind im Fall von Blender besonders gross, da 3-D-Software ein teures Produktsegment ist. Cinema 4D ist ab rund 1000 Franken zu haben, für Maya berappt man mindestens 2000 Euro. Angesichts der Preise setzt man diese Tools nur ein, wenn mans auch todernst meint mit der 3D-Grafik.

Mit Blender kann man kleinere Projekte in Angriff nehmen oder einfach nur «herumspielen»: 3-D-Kunstwerke dringen in Bereiche vor, wo sie bislang nicht anzutreffen waren: Kleine Publikationen mit geringem oder nicht vorhandenem Bilderbudget wären ein Beispiel, Schulen ein anderes. Das Bedürfnis und das Interesse waren zwar da, die Software schlicht zu teuer.

Blender eignet sich für kleinere Illustrationen – ein Logo in 3-D, ein Symbolbild oder eine aufgepeppte Infografik sind ein gefundenes Fressen. Dank seinen vielseitigen Animationen ist das Open-Source-Programm auch ein Tool für Webdesigner, digitale Videofilmer oder -künstler oder Designer von 3-D-Games. Die Blender-Community – also die Entwickler und Anwender der Software – wird übrigens weltweit auf etwa 250000 Leute geschätzt.

Vor das Eintauchen in die wunderbare Welt der künstlichen Landschaften, der Fantasie-Architektur, der Cyberbabes und der digitalen Fabelwesen, haben die Blender-Macher den Schweiss gesetzt. Blender erschliesst sich einem nicht auf Anhieb. Im Gegenteil, man muss ihm seine Geheimnisse regelrecht abtrotzen, denn die Bedienung entspricht keinen Konventionen. Wie Gimp funktioniert Blender komplett anders als ein gängiges Windows- oder Mac-Programm. Bei Blender laufen viele Bedienungsschritte über die Tastatur – wer die Keyboard-Befehle nicht intus hat, ist nicht einfach etwas langsamer als einer, der jede Tastenkombination kennt, sondern komplett aufgeschmissen. Die Oberfläche ist anfänglich ein komplettes Mysterium, obwohl äusserst flexibel und anpassungsfähig, sucht man zu Beginn lange, um bloss einen simplen Würfel in die Landschaft zu stellen und sich diese Ansicht rendern zu lassen. Allerdings ist auch Maya von Wavefront keine Software, die man mal nebenbei erlernt. Wer sich aber am Morgen eines verregneten Sonntags dazu entschliesst, den Tag mit Blender-Experimenten zu verbringen, wird am Abend respektable Resultate vorzuweisen haben. Auf der Blender-Website sind Handbücher zu finden, die keine Frage offen lassen: Wer sich in das (leider nur in Englisch verfügbare) Werk vertieft, erfährt, wie der Hase läuft. Das Blender-Manual ist, natürlich mit der Software selbst, auch auf der Publisher-Jubiläums-DVD enthalten.

Für erste Fortschritte braucht man sich nicht das ganze Handbuch – das immerhin fast siebenhundert Seiten umfasst – zu Gemüte zu führen. Unverzichtbare Befehle und Tastaturkürzel haben wir im Kasten «Essenzielles Know-how» zusammengefasst. Kennt man diese Befehle und zentralen Blender-Konzepte, steht dem Zusammenschustern einer ersten 3-D-Szene nichts im Weg.

Die ersten Hürden sind die schwersten

Elementar für die Arbeit mit Blender ist es, den Unterschied zwischen dem Object Mode und dem Edit Mode zu kennen. Im Object Mode platziert und arrangiert man seine geometrische Körper: Man verschiebt, skaliert oder rotiert sie oder versieht sie mit einer Farbe oder einer Textur (einer Bitmap-Datei, die die Oberfläche eines Materials simuliert). Im Edit Mode verändert man den Körper, indem man durch Eckpunkte umpositioniert, löscht oder hinzufügt, Manipulationen auf den Körper wirken lässt oder eine der anderen vielfältigen Methoden Blenders einsetzt. Wie der erwähnte Kasten «Essenzielles Know-how» verrät, wechselt man am schnellsten mit der Tabulatortaste zwischen dem Edit und dem Object Mode. Man kann dazu aber auch die Modus-Drop-Down-Liste aus der Symbolleiste des 3-D-View-Fensters verwenden.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Funktionsweise der Maustasten: Mit der linken Maustaste positioniert man das Fadenkreuz (den 3-D-Cursor). Dieser ist für viele Operationen das Zentrum. Die rechte Maustaste dient dem Auswählen von Objekten: Im Object Mode selektieren Sie mit der rechten Maustaste ganze Körper, im Edit Mode einzelne Vektorpunkte eines Körpers. Dass ein Körper bzw. ein Eckpunkt markiert ist, erkennen Sie an einem rosa Punkt, der im Object Mode das Zentrum eines Körpers symbolisiert und im Edit Mode die gewählten Vektorpunkte eines Objekts kennzeichnet.

Legospiel für Fortgeschrittene

Wer die Hürden der Bedienung gemeistert hat, ist bereit, sich der eigentlichen Herausforderung zu stellen: der Modellierung von virtuellen Gegenständen. Blender bietet dazu verschiedene Möglichkeiten: Man kann aus dem Repertoire Blenders generische Objekte auf die Arbeitsfläche bringen und sie dort editieren und kombinieren: Beispielsweise, indem man über Add > Mesh > Cylinder einen Zylinder in die Szene stellt, diesen über die numerischen Eigenschaften des Objekts (Taste «n»; siehe auch Kasten) in die Länge zieht und so zur Säule macht, dann markiert und mehrfach dupliziert (Object > Duplicate oder Umschalttaste + «d») und die so gewonnenen Säulen anordnet und zu einem Säulengang arrangiert. Blender stellt verschiedene geometrische Grundtypen zur Verfügung, aus denen man komplexere Objekte zusammenbauen kann – gewissermassen als virtuelles Legospiel für Fortgeschrittene. Zu finden sind im Add-Menü Meshes («Maschen-Objekte»), darunter die Ebene (plane), der Würfel (cube), Kreis (circle), Zylinder (cylinder), Röhre (tube), Kegel (cone) und das Gitter (grid).

Über Add > Curves fügt man der Szene Bézier-Kurven und NURBS hinzu. Bézier-Kurven kennt man aus Vektor-Grafik-Programmen wie Adobe Illustrator oder Macromedia Freehand und NURBS steht für «Non-Uniform Rational B-Spline und Surfaces». NURBS können sowohl einfache zweidimensionale Formen wie Bögen oder Rechtecke beschreiben, genausogut aber komplexe 3-D-Volumenkörper oder Freiformflächen. NURBS sind weit verbreitet und liefern eine präzise Repräsentation der geometrischen Objekte.

Wo die Donuts zu suchen sind

Im Surface-Punkt des Add-Menüs hält Blender eine Menge generischer NURBS-Objekte bereit: Kurve, Kreis, Fläche, Röhre und Ring (Curve, Circle, Surface, Tube, Sphere und Donut). Der Menüpunkt «Meta» offeriert Objekte, die miteinander in Interaktion treten. Platziert man beispielsweise zwei Metaballs nebeneinander, dann «verwachsen» diese beiden ineinander – genügend Nähe vorausgesetzt. Auf diese Weise wird aus zwei einfachen Kugeln eine Art «Erdnuss», ohne dass der 3-D-Grafiker mehr hätte tun müssen, als zwei Metaballs nebeneinander zu setzen. Nebst Kugeln stehen Röhren, Ebenen, Ellipsoide und Meta­würfel zur Verfügung. Über «Text» platziert man einen Schriftzug in der Blender-Szene.

Schliesslich platziert der 3-D-Künstler über das Add-Menü auch Lichtquellen (lamps) und Kameras in der Szene.

Im Object Mode verschiebt, skaliert und rotiert man seine Gegenstände: Um ein Objekt umzuplatzieren, wechselt man ggf. in die richtige Ansicht, markiert das Objekt mit einem rechten Mausklick, hält die rechte Maustaste gedrückt, verschiebt das Objekt an die neue Stelle und drückt die linke Maustaste, um die Position zu bestätigen. Um die Grösse eines Elements zu verändern, erst die Taste «s» drücken und dann durch Bewegen der Maus die Grösse vorgeben. Für eine Drehung gehts ähnlich, nur wird die Modifikation durch die Taste «r» eingeleitet.

Ein Schlüssel statt die Titanic

Um aus diesen einfachen geometrischen Objekten komplexe Szenen zu bauen, gibt eine Reihe verschiedener Konzepte – welches sich als das richtige erweist, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Ein Gefühl dafür, aus welchen Elementen ein grösseres Objekt zusammengesetzt ist, entwickelt man mit der Zeit – es lohnt sich aber, nicht gleich mit einer 3-D-Repräsentation der Mona Lisa oder der Titanic zu beginnen, sondern mit etwas Einfachem wie einem kleinen Raumschiff, einem Tempel, einem Schwert oder einem Alltagsgegenstand wie einem Schlüssel oder einer Teetasse. Das erwähnte Blender-Tutorial zeigt eine ganze Reihe solcher Objekte und ihr Entstehen und hilft über die unvermeidliche, anfänglich immer mal wieder einkehrende Ratlosigkeit hinweg.

Wie weiter oben erwähnt, kann im «Edit Mode» ein Objekt «innerlich» verändert werden: Ähnlich wie beim Arbeiten in einem Vektorgrafikprogramm kann die Form eines Objekts verändert werden , indem durch Anfasser markierte Punkte mit der Maus verschoben werden. Anders als bei der Arbeit in Illustrator oder Freehand tut man das in Blender aber im freien Raum – so kann man einem Würfel eine heraustretende Spitze verpassen, indem man ihn markiert, in den Edit Mode wechselt, mit der rechten Maustaste den durch einen pinkfarbenen Anfasser repräsentierten Eckpunkt anklickt und damit aktiviert und dann an seine neue Position bringt. Mit Hilfe der Umschalttaste kann man im Edit Mode mehr als einen Punkt auswählen und damit beispielsweise eine der Kanten aus dem Würfel «herausziehen». Im «Select»-Menü bietet Blender verschiedene Befehle, die beim Auswählen hilfreich sind. Über Select > Vertex Loop erhält man ein Werkzeug, mit dem man die Kante eines Objekts auswählen kann und so alle zu dieser Kante gehörenden Eckpunkte selektiert. Vertex ist der mathematische Fachbegriff für Ecke oder Eckpunkt. Ein Vertex (Plur. Vertices) ist das dreidimensionale Äquivalent zu dem Ankerpunkt einer zweidimensionalen Bézier-Kurve.

Über Select > Border select (Taste «b») erscheint ein Fadenkreuz, mit dem man bei gedrückter linker Maustaste einen Bereich aufzieht, innerhalb dessen alle Vertices markiert werden. Mit Select > Face Loop wählen Sie alle Vertices, die zu einer Fläche (Face) gehören.

Zu der Bearbeitung von Objekten bietet Blender im Edit Mode viele Befehle. Diese sind im Mesh-Menü zu finden und sind dazu da, verbundene Vertices aufzutrennen oder lose zu verbinden, neue Vertices hinzuzufügen, Objekte zu vereinfachen. Und so weiter.

Nebst der Bearbeitung eines einzelnen Objekts kann Blender auch mehrere Objekte zusammenführen. Hat man beispielsweise im Object Mode zwei Würfel ausgewählt, die an einer Ecke ineinander greifen, dann kann man diese über den Befehl Object > Boolean Operations miteinander verrechnen. Durch die boolesche Operation Intersect («kreuzen») enthält man das Schnittobjekt der beiden Würfel, was in diesem Fall einfach ein kleinerer Würfel ist (die beiden ursprünglichen Objekte bleiben dabei bestehen). Die boolesche Operation Union verschmilzt die beiden Würfel, sodass ein einziges Objekt entsteht. Die Operation Difference schliesslich führt dazu, dass der eine Würfel vom anderen «abgezogen wird – es entsteht ein Objekt mit einer rechteckigen Einkerbung.

Aus 2-D wird 3-D

Ein weiteres leistungsfähiges Konzept der 3-D-Modellierung besteht darin, aus zweidimensionalen Formen dreidimensionale Körper zu machen. Dazu dient zum einen der Extrudieren-Befehl: Er zieht aus einer 2-D-Linie oder einem Polygon ein dreidimensionales Objekt auf. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn man eine Figur auf ein Laubsägeholz aufzeichnet und dann ausfräst. Um in Blender ein extrudiertes Objekt zu erstellen, wählt man als Erstes den Befehl Add > Curve > Bezier Curve. Dann gestaltet man mittels dieser Kurve die zu Grunde liegende Bézier-Form. Um der Kurve Ankerpunkte hinzuzufügen, markieren Sie einen Endpunkt, halten die Taste «Ctrl» gedrückt und setzen die Punkte mit der linken Maustaste. Es ist zwar möglich, bestehende Bézier-Kurven zu importieren, allerdings ist das nicht ganz einfach. Der Kasten zu dem Infografik-Projekt liefert mehr Informationen dazu. Die Blender-Macher beschreiben im Tutorial, wie man über die Funktion Background-Picture ein Hintergrundbild in Form einer Pixelgrafik ins Blender-Fenster laden und dieses Motiv dann mittels Bézier-Funktionen nachzeichnen kann: siehe Kapitel 7, Curves and Surfaces.

Um die Kurve zu schliessen, die Taste «C» drücken. Danach wählen Sie «F9» (dieser Befehl zeigt im Buttons Window die Einstellungsoptionen Curve and Surface an), indem sich die Optionen fürs Extrudieren eingeben lassen. Der Parameter Ext1 setzt die Dicke des Extrusionsobjekts und über Ext2 lässt sich steuern, ob das Objekt bauchig erscheint. Sichtbar ist das Extrusionsobjekt nur im Objektmodus. Sie können ein solche extrudierte Bézier-Kurve in ein ganz normales Objekt verwandeln. Dazu aktivieren Sie, falls nötig, den Objektmodus und wählen den Befehl Object > Convert Object Type > Mesh bzw. über die Tastatur «Alt» + «C». Eine Extrusion kann auch entlang eines Pfads erfolgen – mehr dazu im Tutorial.

Ins Rotieren kommen

Das Rotieren ist eine zweite Möglichkeit, aus Bézier-Kurven dreidimensionale Objekte zu machen. Diese Technik wird oft «lathe» (Drehbank) genannt, Blender spricht von spin (drehen). Viele runde Objekte erstellt man als Rota­tionskörper: ein Glas oder eine Kaffeetasse, ein Sonnenschirm, eine Lampe… Für einen Rotationskörper erstellen Sie wiederum eine Bézier-Kurve, die dem Profil des Rotationsgegenstands entspricht. Um eine Tasse (ohne Henkel) zu erhalten, benötigen Sie eine Bézier-Kurve in Form eines Winkels: Aus dem nach oben zeigenden Teil der Kurve wird die Wand, der waagrechte Teil wird zum Boden der Tasse. Im Unterschied zu der zu extrudierenden Kurve muss die Kurve offen bleiben: Das offene Ende der Kurve wird Blender als Achse für die Rotation verwenden. Nun wandeln Sie, wie oben beschrieben, die Kurve über die Tastaturkombination «Alt» + «C» und den Befehl Convert Curve to Mesh in ein 3-D-Objekt um. Wechseln Sie dann wieder in den Edit Mode und drücken Sie die Taste «F9», um im Buttons Window die Ansicht der Mesh-Tools zu erhalten. Geben Sie in diesem Fenster unter Degr vor, wie weit die Rotation erfolgen soll – für eine volle Umdrehung geben Sie 360 Grad ein. Benützen Sie die Taste «A», um alle Vertices auszuwählen, klicken Sie dann auf die Schaltfläche Spin und schliesslich auf die eben erstellte Kurve – und Blender berechnet aus der Kurve ein dreidimensionales Objekt. Entscheidend ist, in welcher Ansicht Sie auf das zu rotierende Mesh-Objekt klicken: In der Seitenansicht würde Blender eine waagrechte Rotationsachse wählen, in der Aufsicht eine senkrechte.

Wie die Übersicht behalten?

Beherrscht man die beschriebenen Blender-Techniken, ist man für einfachere Szenen bestens gerüstet. Eine Schwierigkeit zeigt sich aber sofort: Es ist nicht einfach, die Übersicht zu behalten. Nur mit gutem Vorstellungsvermögen behält man im Edit Mode die Orientierung. Da ausserdem ein flacher Bildschirm nicht eben geeignet ist, ein räumliches Objekt abzubilden, ist man während eines grossen Teils der Arbeit mit Blender damit beschäftigt, die Ansicht zu wechseln und von Aufsicht in die Frontalansicht oder die Perspektive umzuschalten. Auf einem grossen Bildschirm kann man sich das sparen. Blender kann die Szenen in verschiedenen Ansichten gleichzeitig darstellen. Wer bereits mit 3-D-Programmen gearbeitet hat und auf die in vielen Programmen übliche Viertelung des Bildschirms in Aufsicht, Frontalansicht, Seitenansicht und Perspektive nicht verzichten will, kann sie auch mit Blender einrichten – Blenders Bildschirmdarstellung passt sich recht flexibel verschiedenen Bedürfnissen an. Der Bildschirm besteht aus verschiedenen Arbeitsbereichen. In der Standardaufteilung befindet sich zuoberst der Bereich User Preferences, der nur aus einer Menüleiste besteht und am «i»-Symbol erkennbar ist. In der Mitte des Bildschirms trifft man auf den Bereich 3 D view mit dem Gitter-Symbol und zuunterst auf das Buttons window. Was Blender in einem Bereich anzeigt, bestimmt man über die Symbol-Schaltfläche ganz links: Klickt man mit der rechten Maustaste darauf, erscheint das Angebot der Blender-Arbeitsbereiche, welches unter anderem auch einen Bilder-Browser, eine Zeitleiste und einen Video-Editor zu bieten hat.

Um einen neuen Arbeitsbereich einzurichten, teilt man einen vorhandenen in zwei. Um das mit der 3 D view zu tun, klickt man mit der rechten Maustaste auf die untere Kante der 3-D-View-Symbolleiste, die so genannte Split-Linie. Darauf erscheint ein Kontext-Menü, aus dem Sie den Befehl Split Area auswählen. So geschehen, zeigt Ihnen Blender eine vertikale Linie, die Sie dort positionieren, wo Sie den Bildschirm geteilt haben möchten, und dann linksklicken. Sie können den Bereich allerdings jederzeit über die Split-Linie in der Grösse verändern und eine Aufteilung rückgängig machen, indem Sie auf die Split-Linie rechtsklicken und den Befehl Join Area wählen.

Um einen Arbeitsbereich horizontal zu teilen, klicken Sie auf die vertikale Split-Linie, die Sie am linken Rand jedes Arbeitsbereichs finden, d.h. im Fall der 3D View am linken Bildschirmrand. Blender speichert die Aufteilung des Bildschirms in der bearbeiteten Datei. Haben Sie eine Ihnen genehme Aufteilung getroffen, sollten Sie sie in eine leere Datei speichern, denn beim nächsten Start wird Blender wieder die Standarddarstellung zeigen.

Sortiertes Chaos

Ein zweites Feature für mehr Übersicht sind die Blender-Ebenen. Darunter versteht man keine räumliche Ebene, sondern nur ein Ordnungskriterium. Indem man Objekte auf verschiedene Ebenen anordnet, kann man sie ein- und ausblenden. In der Symbolleiste jeder 3-D-Ansicht finden sich zwanzig in zwei Reihen angeordnete kleine Knöpfe, die den zwanzig Ebenen (layers) entsprechen. Ist die Schaltfläche gedrückt, werden alle Objekte der entsprechenden Ebene angezeigt, ansonsten sind sie unsichtbar. Um mehrere Ebenen gleichzeitig anzuzeigen, halten Sie beim Anklicken die Umschalttaste gedrückt. Die Ebenen lassen sich auch über die numerischen Tasten der Tastatur (oberhalb der Zeichen, nicht der Ziffernblock) aktivieren, wobei die Ebenen ab elf mit gedrückter «Alt»-Taste anzusteuern sind. Um ein Objekt auf eine andere Ebene zu verschieben, drücken Sie die Taste «m» und geben die Zielebene an.

Soweit gekommen, ist ein letzter Schritt in Angriff zu nehmen: das richtige Material für das Objekt. Nebst der Form ist die Oberfläche – ihre Farbe, das Reflexionsverhalten gegenüber dem Licht, die Textur – entscheidend für die Glaubwürdigkeit einer 3-D-Szene. Um einem Objekt in Blender ein Material zuzuweisen, wählen Sie das Objekt und drücken die Taste «F5»: Dadurch erscheinen im Buttons Window die Materialeinstellungen. Am einfachsten ist es, dem Objekt eine Farbe zuzuweisen: Dazu klicken Sie bei den Einstellungen zu Material auf die Schaltfläche mit dem Symbol aus zwei Pfeilen links von der Angabe «MA:Material», worauf ein Menü mit den vorhandenen Materialien erscheint. Aus diesem Menü wählen Sie, falls vorhanden, ein bestehendes Material oder erstellen über den Klick auf Add new ein neues. Über die Schieber R, G und B im unteren rechten Bereich der Material-Einstellungen geben Sie die Rot-, Grün- und Blau-Werte der gewünschten Farbe vor. Gefällt Ihnen die Farbe, weisen Sie sie einem Objekt zu, indem Sie mit der rechten Maustaste darauf klicken. Ob die Farbe wunschgemäss übernommen wurde, erkennen Sie, wenn Sie die Darstellung der Objekte auf Solid oder Shaded ändern. Wie Blender die Objekte darstellt, geben Sie über das Viewpoint-Shading-Menü vor, das sich direkt neben dem Menü zur Selektion von Object Mode bzw. Edit Mode befindet.

Es glänzt und gleisst

Es gibt viele weitere Einstellungen, welche das Aussehen eines Objekts beeinflussen. Im Shaders-Einstellungsbereich wählen Sie das Rechenmodell, mit dem Blender die Oberfläche eines Objekts unter Einbezug der Umweltbedingungen (Schatten, Reflexionen etc.) berechnet. Bei Diffusion stellt man ein, wie das Objekt das Licht streut. Hier stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl: Lambert ist der Standard-Shader, Oren Nayar bietet eine «physischere» Oberfläche, die auf Wunsch kleine Unreinheiten in eine Oberfläche einbringt. Je nach Einstellung bei Rough erscheint sie als sandig, seidenartig oder geriffelt. Toon ist ein «unphysischer» Shader und eignet sich vor allem für Comic-artige Bilder.

Beim zweiten Regler im Shader-Menü gehts um die specular reflexion, also um die Spiegelungen. CookTorr ist der einfachste Algorithmus mit den wenigsten Einstellungen für neutrale Oberflächen. Phong eignet sich für Materialien, die mit markanten Schlaglichtern in Erscheinung treten sollen. Blinn wiederum ist ein physischer Shader und Toon generiert harte Spitzlichter. Die Optionen Translucency aktiviert man bei durchscheinendem Material, Amb. (Ambient) gibt vor, wie stark ein Material das Umgebungslicht reflektiert, und indem man den Regler Emit hochschiebt, bringt man einen Körper dazu, aus sich heraus zu leuchten.

Blender bietet weitere Optionen für die Materialgestaltung wie Texturen oder Environment Maps. Wie damit umgegangen wird, erklärt die gelungene Einführung auf Linuxfocus.org, wo in Blender ein Kinderzimmer «gebaut» wird: www.linuxfocus.org/Deutsch/November2003/article318.shtml.

Zu guter Letzt: das Rendern

Am Schluss bleibt das Rendern – die Ausgabe des Bildes in eine Pixeldatei. Dazu muss als Erstes die Kamera platziert und die Szene richtig ins Bild gerückt werden. Dies fällt Anfängern erfahrungsgemäss nicht leicht. Am einfachsten gehts, wenn man via Taste «7» auf dem Ziffernblock in die Aufsicht wechselt, dann die Kamera markiert (das pyramidenförmige Objekt) und durch Drücken der Taste «n» das Feld für die numerischen Eingaben anzeigen lässt. Nun wechselt man per Taste «0» wieder in die Kamera-Ansicht und verändert die Werte Loc X, Lox Y und Loc Z, bis die Kamera in Position steht. Über Rot X, Rot Y und Rot Z kann man die Kamera drehen, um schräge Bilder zu «schiessen» oder die Vogel- bzw. die Froschperspektive zu wählen.

Für die eigentliche Ausgabe drückt man die Taste «F10», und es erscheinen die Einstellungsmöglichkeiten zum Rendern, zur Ausgabe von Animatio­nen und zum Output-Format. Ganz rechts wählt man die Grösse des Ausgabebildes in Höhe und Breite, dessen Format – Tiff fehlt, aber Targa oder PNG sind gute Alternativen. PNG eignet sich insbesondere dann, wenn die Option RGBA für ein RGB-Bild mit Alpha-Kanal für die Transparenz benutzt wird. Über den Eingabebereich Output wählt man den Speicherort der Ausgabedatei. Blender bietet diverse Render-Optionen. Wichtig ist der Knopf OSA. Er steht für Oversampling – aktiviert man es, dann gibt Blender das Bild mit Antialiasing, d.h. mit Kantenglättung, aus. Da man selten auf Anhieb die richtigen Einstellungen erwischt und auch häufig kleine Vorschauen berechnen lässt, sind die Schaltflächen 100%, 75%, 50% und 25% praktisch: Klickt man sie an, gibt Blender das Bild im gewählten Prozentsatz der Ausgabegrösse aus, was die Berechnung markant beschleunigt.

Ist alles bereit, startet ein Klick auf die Schaltfläche Render oder das Drücken der Taste «F12» den Berechnungsvorgang.

Wer Blender im Griff hat, erschafft solche Szenen …

Das Blender-Hauptfenster und das Modell eines New Beetle.

Wer Anfänger ist, bringt nicht gleich Lokomotiven zum Dampfen – peppt aber jederzeit eine Infografik mit einem flotten 3-D-Bild auf. Die Grafik zeigt die Zulassungen von Neuwagen in der Schweiz.

Die Kartendarstellung der Schweiz im Vektorformat, wie sie auf der Swiss Publisher CD vorliegt.

Der Beetle aus dem Internet.

Quelle: Publisher, Montag, 23. August 2004

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Nr: 5654
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