Wie Sie sich vor fiesen Mails und Schockanrufen schützen
Wir erfahrenen Internet-User – wir fallen niemals auf einen Internetbetrug herein. Auch ich war überzeugt, dass mich keiner leimt: Diese Nachricht, die mir einen Twint-Gutschein von 100-Franken verspricht, riecht fünf Kilometer gegen den Wind nach Phishing. Ha! So leicht klaut mir keiner das Passwort!
Dann belehrte mich ein Podcast über «Romance Scams» eines Schlechteren. In «Love, Janessa» der BBC gaukeln Betrüger die grosse Liebe vor, um die Opfer auszunehmen. Eines der Opfer ist ein Reporter. Er roch den Braten und wollte den Betrügern hinterherrecherchieren. Dabei hat er sich im Geflecht aus Liebesbetörungen und Lügen verheddert und selbst grosse Geldsummen überwiesen.
Und ich bekam es mit dem «Pig Butchering» zu tun: Bei dem werden die Opfer erst wie Schweine gemästet und dann geschlachtet. Die Betrüger lassen sich Zeit. Die Kontaktaufnahme erfolgt per Messenger und klingt nach einem Versehen: «Du, Fred, steht die Abmachung für Freitag noch?» Schreibt man zurück, vertiefen die Betrüger die vermeintliche Zufallsbekanntschaft, und verlangen später Geld.
Das hätte verfangen können. Mir kam zugute, dass ich eine Sendung des Late-Night-Talkers John Oliver gesehen hatte, in der es um «Schweineschlachten» ging. Ein Zufall, auf den wir uns nicht verlassen dürfen: Niemand kann bei all den neuen und alten Betrugsmaschen die Übersicht wahren. Es hilft nur eines: Wir müssen jede Kontaktaufnahme als potenziellen Betrugsversuch werten – und uns bei Zweifeln sofort ausklinken.
Die Cyberkriminellen wollen unsere Abwehrtaktiken unterlaufen. Zum Beispiel per Schockanruf: Ein Verwandter stecke ich in einer akuten Notsituation, er brauche sofortige Hilfe. Das Opfer soll keine Zeit haben, nachzudenken und misstrauisch zu werden. Das ist wirkungsvoll: Die Methode appelliert an unsere Hilfsbereitschaft und Anteilnahme. Um uns zu entziehen, müssen wir uns auf eine Weise verhalten, die wir als unhöflich oder sogar grob erachten: Wir verweigern den Dialog, löschen Kontaktanfragen und legen bei Druckversuchen auf.
Das empfiehlt auch die Schweizerische Kriminalprävention. Die interkantonale Fachstelle weist darauf hin, dass die falschen Anrufe extrem echt klingen können. Manchmal werden per KI die Stimmen von Verwandten imitiert. In den sozialen Medien finden sich persönliche Informationen, die den Betrügern helfen, sich als Enkel, Sohn oder Tochter, als naher Bekannter auszugeben – oder wahlweise als Arzt, Anwalt oder Polizist.
Haben Sie Eltern im höheren Alter? Dann klären Sie sie auf. Betonen Sie, dass es unmöglich ist, die Betrugsabsicht immer zu erkennen. Besprechen Sie, ob sie den Eintrag im Telefonverzeichnis anpassen wollen. Die Betrüger nehmen oft ältere Menschen ins Visier. Altmodische Vornamen helfen ihnen, sie im Telefonbuch zu erkennen. «M. Müller» anstelle von «Margrit Müller» verringert dieses Risiko.
Ihre Eltern – und Sie selbst – sollten verinnerlichen, dass in der Schweiz keine Kautionen oder Vorschüsse per Telefon verlangt werden. Auch wenn das Telefon anzeigt, dass die Stadtpolizei am Draht ist, dann ist das kein Grund für Vertrauen: Die Anruferkennung lässt sich fälschen. Nehmen Sie sich vor, überfallartige Anrufe abzubrechen und sich Klarheit zu verschaffen, indem Sie selbst bei der angeblich betroffenen Person nachfragen.
Sie können, wenn Sie wollen, ein auch Familien-Codewort vereinbaren. Das ist ein Wort, das sich gut merken lässt und in einer normalen Unterhaltung nicht vorkommt. Bei heiklen Telefonaten hilft es ihnen, die Identität des Anrufers zu klären.
Matthias Schüssler ist Digitalredaktor der SonntagsZeitung.