Digitaler Minimalismus

Fünf Tricks, um das Handy in die Schranken zu weisen

Wir neigen dazu, uns von Smartphones vereinnahmen zu lassen. Spielerische, schräge und kreative Methoden, um sich dagegen zu wehren.

Matthias Schüssler

Einfach das Smartphone weglegen, fordern die digitalen Minimalisten. 

Der heisseste Tech-Trend von 2023 sei ein Klapphandy wie anno 1995. Das behaupten zumindest die Anhängerinnen und Vertreter des digitalen Minimalismus. Sie wollen den Einfluss von Internet, sozialen Medien und Smartphones in ihrem Leben zurückdrängen. Eine von ihnen ist Ella Charlotte Jones. Sie ist Studentin an der Universität in Leeds und erläutert auf Youtube ihren Wechsel zu einem anachronistisch anmutenden Nokia-Telefon.

Das Klapptelefon bringt es mit sich, dass die Studentin sich nicht ständig mit den sozialen Medien beschäftigt, sondern nur dann, wenn sie am Laptop sitzt.
Video: Ella Charlotte Jones (Youtube)

Das Telefon sei nicht komplett «dumm», sagt sie. Es gebe Whatsapp und Facebook darauf, doch die seien so umständlich zu benutzen, dass man es sich zweimal überlege, ob man sich das antun wolle.

Eine Anlaufstelle für die digitalen Minimalisten ist die Online-Community Reddit. Im Kanal Digital minimalism finden sich unzählige Tipps und spannende Ansätze. Einige davon haben wir hier gesammelt, ergänzt durch unsere eigenen Erfahrungen:

Löschen, kündigen und verbannen

Die radikalste Methode der digitalen Minimalisten führt über den Löschknopf. Sie klinken sich bei Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien komplett aus. Für viele soziale Medien gibt es auch die Möglichkeit, den Account zu deaktivieren. Das ist fast wie Löschen, aber mit der Möglichkeit zur Rückkehr.

Weniger extrem ist, die inkriminierten Apps vom Smartphone zu werfen. Sie können die Dienste nach wie vor über den mobilen Browser verwenden, was aber weniger komfortabel ist. Oder sie entfernen sie vom Homescreen: Die Apps sind dann zwar noch da, aber müssen über die Suchfunktion oder die alphabetische App-Liste aufgerufen werden, was umständlicher ist.

Gadgets und ein «Life-Hack» zur Selbstdisziplinierung

Statt Klapphandys gibt es auch andere Smartphone-Ersatz-Möglichkeiten. Ein Mann schreibt auf Reddit, dass er inzwischen hauptsächlich eine Apple Watch verwendet. Die kommt zwar nicht ohne Mobiltelefon aus, doch das kann oft auch zu Hause liegen. Unterwegs stellt die Uhr Karten, Podcasts, Telefonieren, SMS und Spotify zur Verfügung.

Es hilft indes schon oft, wenn das Telefon nicht in Griffnähe, sondern in der untersten Schublade liegt. Falls nicht, gibt es Hilfsmittel zu kaufen. Die Focusera-Box etwa wird mit einem Zeitschloss verschlossen, das sich erst nach der eingegebenen Zeit wieder öffnet.

Das Substitute Phone des österreichischen Designers Klemens Schillinger ist eine Attrappe in der Grösse eines Smartphones, die mit einer Aussparung ausgestattet ist, in der Steinkugeln sitzen. Die sind dazu da, die Finger zu beschäftigen – also das Scrollen und Tippen zu simulieren. Das ist mit 195 Euro allerdings nicht eben günstig.

Diese Box gibt das Handy erst wieder frei, wenn die vorgegebene Zeitdauer abgelaufen ist.
Foto: PD

Das Substitute Phone beschäftigt Finger und Hände – aber mehr tut es nicht.
Foto: PD

Hürden errichten und Denkpausen erzwingen

Viele der Tricks der Minimalisten bestehen darin, sich selbst Steine in den Weg zu legen. Das hilft der Selbstkontrolle: Wenn Facebook, Whatsapp und Instagram nicht sofort, sondern nur nach Umwegen erreichbar sind, dann verringert sich die Gefahr, diese Apps aus einem Impuls heraus zu öffnen und dann dort hängenzubleiben. Stattdessen erhalten Sie eine Denkpause, während der Sie es sich anders überlegen können.

Eine grosse Hürde errichten Sie, wenn Sie die Zugangsdaten zu Zeitdieben wie Facebook nicht abspeichern lassen: Dann müssen Sie fürs Einloggen nämlich E-Mail-Adresse und das Passwort tippen. Im Browser, egal ob am Smartphone oder Laptop, geht das am einfachsten, wenn Sie den privaten Modus (auch Inkognito-Modus genannt) benutzen.

Oder Sie verwenden die App One Sec (fürs iPhone): Sie erlaubt es Ihnen, für beliebige Apps eine Zwangspause vor dem Start einzurichten, während der Sie die Gelegenheit für einen Abbruch haben.

Ablenkung vermeiden

Sie schützen sich auch auf technischem Weg vor Ablenkung: Beim iPhone setzen Sie in den Einstellungen bei «Bildschirmzeit» Limiten für Apps. Bei neueren Android-Telefonen gibt es diese Möglichkeit auch; sie heisst je nach Modell «Digital Wellbeing» oder «Digitales Wohlbefinden». Den «Nicht stören»-Modus gibt es bei jedem Telefon, der die Benachrichtigungen stumm schaltet. Beim iPhone können Sie sich auch einen Fokus einrichten und dafür sorgen, dass während der Ruhezeiten die ablenkenden Apps vom Homescreen verbannt werden – wie das genau geht, beschreiben wir in unseren Tipps gegen den Bildschirmstress.

Über die Einstellungen bei «Bildschirmzeit» lassen sich einzelne Apps zeitlich limitieren.
Foto: Matthias Schüssler (Screenshot)

Wer bei der Forest-App nicht diszipliniert genug ist, um das Handy während der gewählten Zeitdauer ruhen zu lassen, der verwandelt das grüne Pflänzchen in einen vedorrten Strunk.
Foto: Screenshot schü

Weniger kompromisslos ist die Forest-App (für Android und iPhone): Mit ihr stellen Sie ein, wie lange das Handy unbenutzt bleiben soll. Während dieser Zeit wächst ein virtueller Baum. Falls Sie vorzeitig zu einer anderen App wechseln, verdorrt er – und im so entstehenden Wald zeugt ein Baumgerippe vom mangelnden Durchhaltewillen.

Und schliesslich: Die ausgebufften Nerd-Hacks

Der Router hilft gegen Ablenkungen. Viele der Zugangsgeräte haben eine Kindersicherung, die aber genauso von Erwachsenen benutzt werden kann. Je nach Modell können Sie das Internet während gewisser Zeiten ganz sperren oder für gewisse Geräte eine Zugangsbeschränkung einrichten – also zum Beispiel kein Facebook am Laptop und kein Tiktok am Handy, während Sie sich im heimischen Netzwerk befinden.

Manche Router, wie hier die Fritzbox, halten diverse Funktionen bereit, die zum Schutz der Kinder, aber auch für die Selbstdisziplinierung genutzt werden können.

Es gibt auch Leute, die das Display auf Schwarzweiss umschalten, weil das die Lust aufs Spielen und Surfen dämpft. Das ist beim iPhone in den Einstellungen bei «Bedienungshilfen > Anzeige & Textgrösse > Farbfilter > Graustufen» möglich. Bei Android klappt es über den Schlafenszeitmodus, der bei neueren Modellen über die Uhr-App zugänglich ist.

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 19. Januar 2023

Rubrik und Tags:

Link zum Original

Metadaten
Thema: SDL
Nr: 19536
Ausgabe:
Anzahl Subthemen:

Obsolete Datenfelder
Bilder:
Textlänge:
Ort:
Tabb: false