Was früher futuristisch war

Die charmanten Vorläufer der Smartwatch

Vor zehn Jahren läutete die Pebble das Zeitalter der vernetzten Uhren ein. Frühere Geräte reichen bis in die 70er-Jahre zurück und haben Bezüge zur Schweiz.

Matthias Schüssler

Er lancierte das Smartwatch-Zeitalter: Eric Migicovsky finanzierte über eine Crowdfunding-Plattform die Pebble-Uhr, die via Smartphone Informationen am Handgelenk anzeigte.

Vor genau zehn Jahren, im April 2012, startete ein damals 23-jähriger Ingenieurstudent aus seinem Projekt an der kanadischen University of Waterloo eines der bis dato erfolgreichsten Crowdfunding-Projekte: Eric Migicovsky hatte um 100’000 US-Dollar gebeten, doch von 69’000 Unterstützern 10,27 Millionen erhalten. Mit diesem Erfolg war die Pebble die erste kommerziell erfolgreiche Smartwatch. Und sie hat bewiesen, dass die Zeit reif ist für eine Armbanduhr, die sich über Apps erweitern lässt, via Smartphone mit dem Netz kommuniziert und nicht nur die Uhrzeit, sondern eine Vielfalt an Informationen bereithält.

Eric Migicovsky ist mit seinem Unternehmen gescheitert. Er musste 2016 Insolvenz anmelden: Er war Opfer seines eigenen Erfolgs. Viele grosse Techkonzerne haben eigene smarte Uhren auf den Markt gebracht; die erfolgreichste ist die Apple Watch, die 2021 einen Marktanteil von 30 Prozent hatte.

Die erste elektronische Uhr kommt 1972 ohne bewegliche Teile aus. Sie zeigt die Zeit mit LED-Elementen an und ist – wie man das heute von vielen Smartwatches kennt – normalerweise dunkel, um die Batterie zu schonen. Damit die Uhrzeit sichtbar wird, muss der Knopf rechts gedrückt werden.
Foto: SSPL (Getty Images)

Die Pulsar Calculator Watch, 1975 zu sehen an einer Uhren- und Schmuckmesse in London. Ihr Gehäuse wurde in der Schweiz gefertigt.
Foto: Malcolm Clarke (Getty Images)

Die Smartwatch in ihrer modernen Ausprägung feiert ihren zehnten Geburtstag, doch ihre Vorläufer reichen bis in die 1970er-Jahre zurück. Als Pionier gilt der US-Uhrenfabrikant The Hamilton Watch, der 1972 von der Bieler Uhrengruppe SSIH übernommen wird und 1978 die Markenrechte seiner Pulsar-Reihe an den japanischen Hersteller Seiko abtritt. In dieser Pulsar-Reihe erscheint 1972 die erste vollständig elektronische Uhr, die die Zeit mittels LEDs anzeigt. Dieses als «Time Computer» vermarktete Modell kostet 2100 US-Dollar. 1975 folgen die Calculator Watch, ein Pulsar-Modell mit einem eingebauten Taschenrechner, und 1982 die Pulsar NL C01. Sie kann 24 Bit an Informationen speichern und an einen Sublimationsdrucker angeschlossen werden.

Die Seiko UC-2200, vorgestellt 1983, war eine Computeruhr mit eigener Dockingstation und darin eingebautem Thermodrucker.
Foto: Gamma-Rapho, Getty Images

Ebenfalls 1983 stellt Seiko eine Uhr vor, die über einen klobigen Adapter ein Fernsehbild in Schwarzweiss auf dem Uhren-Display anzeigen konnte.
Foto: Images Press (Getty Images)

Die Seiko RC-1000 von 1984 hat einen Speicher von 2051 Byte, der für Telefonnummern, Alarme und Notizen genutzt werden kann. Sie zeigt zwei Zeilen Text mit je sechs Zeichen und tauscht über die serielle Schnittstelle Daten mit diversen Heimcomputern aus. Sie kommuniziert mit dem Apple II, dem C64 oder dem IBM PC.

Heim-PC am Handgelenk

Der Seiko Receptor von 1990 ist auch ein Pager und zeigt Textinformationen, die über dieses Funksystem verbreitet werden, an. 1998 legt der Konzern mit einem Modell nach, das einem Heim-PC fürs Handgelenk entspricht: Die Ruputer-Uhr hat einen 16-bit-Prozessor mit 3,6 MHz Taktfrequenz, zwei Megabyte Speicherplatz und einen Arbeitsspeicher von 128 Kilobyte. Zur Anzeige verwendet sie ein schwarzweisses Display mit 102 auf 64 Pixeln. Mit anderen Geräten kommuniziert sie über eine serielle Schnittstelle oder drahtlos per Infrarot. Erfolg ist dieser technoiden Uhr nicht beschieden. Einerseits ist der Bildschirm zu klein für aussagekräftige Informationen, andererseits ist die Texteingabe über eine Art Joystick mühsam.

Die Timex Datalink 150 ermöglicht es 1994, den digitalen Kalender über die Uhr einzusehen.
Foto: Ricardo Bernardo (Flickr.com)

Eine Benutzeroberfläche mit Icons, auf Handgelenk-Dimensionen geschrumpft: Obwohl die Fossil Wrist PDA von den Medien als «Dick-Tracy-würdig» gelobt worden ist, taugt sie für den Alltag nichts: Neben dem winzigen Display bemängeln die Nutzer auch die schwierige Texteingabe, die ungenügende Resistenz gegen Wasser, die kurze Batterielaufzeit und den zu leisen Alarm.
Danski14/Wikipedia, GFDL

Nicht nur Seiko fabriziert solche Computeruhren, sondern auch der US-Hersteller Timex. Sein Datalink Model 150 von 1994 überträgt Informationen aus Microsofts Outlook-Vorläufer namens Schedule+ und ist, wie ein Test des Onlinemagazins «Golem» herausgefunden hat, auch 2019 «im Alltag noch erstaunlich hilfreich»: Besonders die übersichtliche Terminplanung sei praktisch.

Microsofts Smartwatch-Technologie floppt

2004 bringt Fossil Wrist PDA. Diese Uhr verwendet das Betriebssystem Palm OS, das für Handheld-Computer gedacht ist, auf der Uhr mit ihrem Display von 160 auf 160 Pixeln aber winzig wirkt. Um Text einzugeben, verwendet man auf dem Touchscreen die sogenannten Graffiti: vereinfachte Buchstaben, die von der Texterkennung besser verstanden werden. Es gibt einen winzigen Stift, der im Armband der Uhr untergebracht werden kann.

Microsoft war zu früh dran: Die Spot-Technologie, die Bill Gates hier während einer Präsentation 2003 anhand einer Uhr von Fossil zeigt, hat sich im Praxiseinsatz nicht bewährt.
Foto: Lee Celano (WireImage)

Für den US-amerikanischen Markt hat Swatch 2004 das Modell Paparazzi lanciert, das via Funk Informationen und Unterhaltung aufs Display liefert.
Foto: PD

Und wie schon bei den Tablets ist Microsoft auch bei den Smartwatches zu früh dran: 2003 lanciert der Konzern die Spot-Technologie, die Uhren und Haushaltsgeräte gleichermassen intelligent machen soll: Sie überträgt Daten über die UKW-Radiofrequenz, wofür ein Daten-Abo von 59 US-Dollar pro Jahr nötig ist. Diverse Hersteller bringen 2004 Spot-Geräte auf den Markt: Fossil und Suunto, aber auch Tissot und Swatch. 2009 gibt Microsoft die Einstellung des Dienstes bekannt; Mobilfunk und WLAN haben ihn überflüssig gemacht.</p

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 12. April 2022

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