So wird das Internet der Dinge scheitern

Wenn Hersteller wie Philips oder Sonos den Support einstellen, werden smarte Geräte unweigerlich zu dummem Elektroschrott.

Matthias Schüssler

Philips hat schlechte Nachrichten für Besitzer eines smarten Hue-Beleuchtungssystems der ersten Generation. In einem verklausuliert formulierten Supportdokument kündigt der Hersteller an, die Bridge der ersten Generation nicht weiter mit Updates und Onlinediensten zu versorgen. Ab Ende April lässt sich das fünf Jahre alte System nur noch eingeschränkt benutzen. Es ist noch per App steuerbar, wenn sich der Besitzer in seinem Heim-WLAN befindet. Die Bedienung von ausserhalb via Internet oder über einen digitalen Sprachassistenten ist nicht mehr möglich.

Philips ist nicht der einzige Hersteller, der seinen vernetzten Geräten nur eine beschränkte Lebenszeit zugesteht. Osram hat angekündigt, per 31. August 2021 seine Lightify-Plattform abschalten zu wollen. Das wird dazu führen, dass die smarten Lampen dieses Herstellers «verdummen» und nur noch wenige Steuerungsfunktionen zur Verfügung stehen. Ein Ausweg ist immerhin, die Lampen auf ein kompatibles System eines anderen Herstellers umzustellen (Zigbee).

Der Recycling-Modus von Sonos

Auch Lautsprecher-Hersteller Sonos hat Probleme, ältere Modelle auf der Höhe der Zeit zu halten: Geräte, die vor zehn oder mehr Jahren lanciert worden sind, können den heutigen Anforderungen an die Prozessorleistung und Speicherkapazität nicht mehr standhalten. Sie funktionieren isoliert zwar weiterhin einwandfrei. Doch sie arbeiten nicht mit modernen Lautsprechern und mit zeitgemässen Technologien wie Airplay 2 zusammen.

Um dieses Problem zu lösen, hat Sonos den «Recycling-Modus» eingeführt. Er war dazu da, nach einem 21-tägigen Countdown die älteren Lautsprecher irreversibel zu deaktivieren. Kunden, die diesen Modus aktivierten, erhielten im Gegenzug einen Rabatt von 30 Prozent auf einen neuen Lautsprecher.

Wie zu erwarten war, hat die permanente Deaktivierung für harsche Kritik gesorgt. Es widerspreche jedem Umweltgedanken, völlig intakte Hardware per Update zu zerstören, kritisierten Nutzer auf Twitter. Sonos verteidigte sich, man habe verhindern wollen, dass unwissende Kunden einen nicht mehr zeitgemässen Lautsprecher aus zweiter Hand erwerben würden. Doch nach den Protesten der Nutzer hat Sonos letzte Woche eingelenkt: Nutzer erhalten den Rabatt, auch wenn sie ihren Lautsprecher nicht unbrauchbar machen.

Ohne Cloud geht gar nichts

Die Beispiele zeigen ein grundsätzliches Problem der vernetzten Geräte: Es ist die Abhängigkeit von der Cloud. Ohne die Anbindung an die Server funktionieren die smarten Lautsprecher, Kameras, Lampen, Fahrzeuge und Haushaltsgeräte nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr. Aber es ist aufwendig, diese Internetkomponente über Jahre oder Jahrzehnte zur Verfügung zu stellen und mit Updates die Kompatibilität und Sicherheit zu gewährleisten. Offensichtlich sind die Hersteller nicht gewillt, die Kosten dafür unbeschränkt zu tragen. Und manchmal sind sie auch nicht in der Lage – zum Beispiel bei einer Insolvenz.

Die Kunden werden ihrerseits kaum einem Hersteller die Treue halten wollen, wenn sie gerade gezwungen worden sind, ein völlig intaktes Gerät wegzuwerfen und zu ersetzen. Es ist klar: Das Internet der Dinge hat keine Existenzberechtigung, wenn es auf geplanter Obsoleszenz und einer völlig antiquierten Wegwerfmentalität gründet. Die Hersteller müssen einen Weg finden, die Lebensdauer der Software an die Hardware anzupassen. Und der Weg dafür sind offene Standards: Wenn ein Produkt nicht von der proprietären Cloud des Herstellers abhängt, sondern auch mit alternativen Datenwolken harmoniert, dann hat der Nutzer die Wahl, es so lange weiterzubetreiben, wie es ihm passt.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 11. März 2020

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