Revolten gegen umstrittene Deals mit der Armee

Tech-Branche Immer wieder protestieren Mitarbeiter grosser Konzerne gegen militärische Geschäfte.

An der grossen Telecommesse in Barcelona hat Microsoft diese Woche die Hololens 2 vorgestellt. Das ist die zweite Ausgabe der Mixed-Reality-Brille, mit der sich im Sichtfeld des Trägers virtuelle Objekte einblenden lassen. Das ergibt viele Anwendungsmöglichkeiten fürs Gaming und die Unterhaltung, aber auch für Forschung und Produktentwicklung.

Und fürs Militär. Microsoft hat Ende November letzten Jahres einen Vertrag über 480 Millionen Dollar an Land gezogen. Die US-Armee will die Brille für Kampfeinsätze und fürs Training. Schon bevor Microsoft die Offerte dem Militär unterbreitet hatte, kam aus der Belegschaft Kritik: Viele Mitarbeiter wollen nicht, dass ihre Arbeit für Kriegszwecke genutzt wird.

Microsoft-Chef Satya Nadella hatte in einem Interview auf CNN widersprochen: Es entspreche den Prinzipien des Unternehmens, demokratisch gewählte Institutionen zu unterstützen, «die unsere Freiheit beschützen».

Die Mitarbeiter gaben sich damit aber nicht zufrieden. Über Twitter veröffentlichten sie letzte Woche einen offenen Brief mit drei Forderungen: Microsoft müsse den Vertrag mit der US-Armee wieder kündigen, sich öffentlich gegen die Entwicklung von Waffentechnologien stellen und einen Ethikrat einsetzen.

Tödlicher dank Hololens

Die Unterzeichnenden kritisieren die Vorgabe im Vertrag, die virtuell ausgebildeten Soldaten müssten nicht nur bei der Mobilität und Lageerfassung, sondern auch bei der «Letalität» zulegen. Ferner stören sie sich daran, dass die Ingenieure erst nachträglich vom militärischen Verwendungszweck erfahren hatten. Deswegen sei auch der Lösungsvorschlag von Microsofts oberstem Juristen nicht umsetzbar: Brad Smith hatte versprochen, Mitarbeiter mit ethischen Bedenken könnten sich zu anderen Projekten versetzen lassen.

Microsoft ist nicht das einzige Unternehmen, in dem die Mitarbeiter gegen Militärprojekte opponieren. Auch Sundar Pichai, der Chef von Google, hat im letzten April einen offenen Brief erhalten. Darin haben sich Tausende gegen das «Project Maven» gestellt und verlangt, das Unternehmen solle sich nicht am «Geschäft des Krieges» beteiligen.

Google stoppt Armeeprojekt

Das Projekt des Pentagons hat das Ziel, in Drohnenvideos mittels künstlicher Intelligenz Objekte und Personen zu erkennen. Der Brief hat offenbar gewirkt: Gemäss der Newsplattform «Gizmodo» will Google den Vertrag nicht verlängern, wenn er nächsten Monat ausläuft.

Auch Amazon-Chef Jeff Bezos gehört zu den Empfängern eines offenen Briefes. Bei ihm richtete sich der Protest gegen die Lieferung einer Gesichtserkennungssoftware an Polizeibehörden.

Zumindest wenn es um Kriegsmaterial geht, wird für einen prononcierten Teil der Tech-Branche eine moralische Grenze überschritten.

Matthias Schüssler

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 27. Februar 2019

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