Microsoft buhlt mit 7,5 Milliarden Dollar um die Gunst der Softwareentwickler

Der Techkonzern will künftig im Segment der Open-Source-Software vorne mitmischen und kauft die Entwickler-Plattform Github.

Matthias Schüssler

Microsoft hat am Montag 7,5 Milliarden US-Dollar (in Aktien) für eine Webplattform bezahlt, von der die meisten Internetnutzer wahrscheinlich noch nie gehört haben: Github. Das ist ein sogenanntes Software-Repository: eine Website, auf der Entwickler ihre Open-Source-Softwareprojekte verwalten und auch für die öffentliche Mitarbeit zur Verfügung stellen können. 28 Millionen Entwickler nutzen Github, auch Apple, Amazon, Google und viele andere Branchengrössen. Und Microsoft sehe die Investition als Bekenntnis für «Freiheit, Offenheit und Innovation», teilt Konzernchef Satya Nadella mit.

Die Höhe des Kaufbetrags wirft Fragen auf: «So viel Geld für die Sanitärinstallation?», fragte Microsoft-Kenner Paul Thurrott lakonisch. Github gehört zur Infrastruktur der Softwareentwicklung: Es ist wichtig, aber auch unspektakulär. Dennoch anerkennt Thurrott die Bedeutung für die Entwickler: Die können zwar weiterhin die Werkzeuge verwenden, die sie wollen. Doch selbstverständlich wird Microsoft künftig die eigene Entwicklungsumgebung Visual Studio nahtlos mit der Plattform verknüpfen.

Microsoft wird dank der Github-Übernahme seine eigenen Werkzeuge mehr Entwicklern vor die Nase setzen können, wie sich Thurrott ausdrückt.

Microsoft hat während Jahren eine Konkurrenzplattform betrieben: Codeplex war 2006 gegründet und im Dezember 2017 eingestellt worden – mit dem Verweis, dass sich die Entwickler für Github entschieden hätten, jene Plattform, die im Kern auf ein Projekt von Linus Torvalds zurückgeht, dem Vater des freien Betriebssystems Linux.

Ballmers Drohung hallt nach

Das Techportal «The Verge» vermutet hinter der Übernahme auch eine Charmeoffensive: Microsoft brauche «Vertrauen und Respekt» aus der Entwicklergemeinschaft, nachdem die Übernahme von Nokia so gründlich in den Sand gesetzt worden sei. Auch das Scheitern von Windows Phone und die Stagnation beim Windows-10-Store führt «The Verge» auf die «fehlende Liebe» der Softwareszene zurück.

Ins gleiche Horn stösst die Microsoft-Expertin des Nachrichtenportals ZDnet, Mary Jo Foley. Sie erinnert daran, dass es nicht lang her ist, dass der damalige Microsoft-Chef Steve Ballmer das quelloffene Betriebssystem Linux als «Krebs» bezeichnet und der Konzern Anbietern von offener Software gedroht hat, sie mit Patentklagen einzudecken. Satya Nadella wisse das genau, meint Foley und zitiert seine Aussage: «Beurteilt uns nach unseren Taten aus der jüngsten Vergangenheit und nach dem, was wir heute und morgen tun.»

Ob Microsofts Plan aufgeht, bleibt offen. Einzelne Entwickler haben bereits Skepsis geäussert. Exemplarisch etwa der Entwickler Jacques Mattheij.

Vorsichtiges Agieren angesagt

Er schreibt in seinem Blog, der neue Chef sei zwar «ein netterer Kerl», aber das täusche nicht darüber hinweg, dass der Konzern seine dominante Stellung über Jahre missbraucht habe.

Auch die Newssite Heise.de wirft die Frage auf, ob die grossen Unternehmen und Konkurrenten, Apple, Google, Amazon und Co., der Plattform die Treue halten werden, nachdem Microsoft die Hand nach ihr ausgestreckt hat. Eines sei jedenfalls klar: «Microsoft wird viel Fingerspitzengefühl brauchen, um die Szene nicht zu vergraulen.»

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 6. Juni 2018

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