Diese Katzen beherrschen das Netz

Von Matthias Schüssler

Zum Weltkatzentag sei die Frage erlaubt: Wie konnte es passieren, dass die Samtpfoten das Web kampflos erobert haben?

Das Internet hätte ein Hort der Meinungsfreiheit sein sollen. Ein Instrument der Aufklärung, die Speerspitze der Demokratie. Ein Menschheitsprojekt, das die Erkenntnis befördert und Wissen schafft.

Doch dann tauchten die Katzenbilder und -videos auf und die wahre Natur des Internets kam ans Licht. Es ist eine Verbreitungsmaschine für Tierfotos, die das Herz anrühren und keinerlei geistige Hürden stellen. Die Superstars dieses Internets sind Maru, eine Schottische Faltohrkatze, deren Youtube-Kanal mehr als 200 Millionen Zuschauer hat. Oder Snoopy the Cat, eine Exotische Kurzhaarkatze, die mit ihren grossen, runden Augen wie eine lebendig gewordene Comicfigur ausschaut. Lil Bub, Colonel Meow, Nala, Scarface, die Nyan Cat mit ihrem regenbogenfarbigen Schweif – das Web hat längst für jede Vorliebe die passende Katze zu bieten.

Und mit Grumpy Cat auch einen echten Vielverdiener. Grumpy Cat ist eine aufgrund eines körperlichen Defekts mürrisch dreinblickende Katze. Sie wurde 2013 zum Internetphänomen und hat heute nicht nur Millionen Fans, sondern auch ein Management. Grumpy Cat hat bei Madame Tussauds in San Francisco ihre eigene Wachsfigur. Tausende von Grumpy-Cat-Produkten gibt es zum Kauf, sodass die Katze inzwischen mehrere Millionen Dollar schwer sein dürfte.

Katzen, die wie Hitler aussehen

Katzen im Internet – das ist ein kaum mehr überblickbares Phänomen. Da gibt es die «Lolcats» – lustige Bilder mit amüsanten Sprüchen, in denen es im Wesentlichen um die Vermenschlichung der Katzen geht. Die Website «I Can Has Cheezburger?», die solche Bilder verbreitet, erreicht jeden Tag ein Millionenpublikum und hat den Gründer zum Millionär gemacht. «Catvertising» ist der Gebrauch von Katzen in der Werbung. Erst kürzlich hat Jung von Matt dem deutschen Lebensmitteldiscounter Netto einen viralen Spot beschert. Im Netz gibt es Katzen, die wie Hitler aussehen. Und die Hochkultur, die sich in die Niederungen des Internets herablässt: Das Museum of the Moving Image in New York hat letztes Jahr die Ausstellung «How Cats Took Over the Internet» gezeigt – wie die Katzen das Internet vereinnahmt haben.

Das wird manchen Internetnutzern zu viel: Wo bleibt die Relevanz, fragen die einen. Wo bleibt der Sinn und Zweck, wenn immer mehr Leute mit dieser Katzenmasche nach Klicks und Likes betteln, wollen andere wissen.

Katzen gegen den Terror

Doch als eingefleischter Katzenhasser mag sich selbst im Internet kaum einer outen – der Gipfel der Kritik ist ein ironisierender Gebrauch der Katzen-Memes. Zum Beispiel Ende 2015, als belgische Social-Media-Nutzer während der Antiterror-Razzien in Brüssel keine Tatortfotos posteten, sondern Katzen in allen erdenklichen Posen.

Jordan Shapiro hat 2012 in «Forbes» versucht, sich dem Phänomen psychologisch zu nähern. Und sieht die kollektive Katzenleidenschaft als eigentlicher Akt der Befreiung, als Wandel unserer «kollektiven Mythologie»: So, wie eine Katze den Tag nach ihren eigenen Regeln lebt, können wir uns im Internet vernetzen, wie es uns gerade passt.

Das würde dann zumindest erklären, warum die Hunde im Netz einfach nicht ganz mithalten können.

Quelle: Newsnetz, Montag, 8. August 2016

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