Nintendo Mit Handygames hat der Spielehersteller eine Zukunft – nicht mit den eigenen Konsolen.

«Pokémon Go» ist Nintendos Rettung

Von Matthias Schüssler

Nintendo hat den Zenit überschritten. So schien es in den letzten Jahren. Manche Szenekenner stellten sogar die Überlebensfrage. Zwar geht es dem japanischen Spielehersteller finanziell noch immer gut. Doch das Geschäftsmodell scheint keine Zukunft zu haben. Nintendo wird mit sympathischen Spielkonsolen für die ganze Familie identifiziert: Da ist das Nintendo Entertainment System (NES) von Mitte der 80er-Jahre, mit dem Nintendo die Branche nach einem Zusammenbruch quasi im Alleingang gerettet hat.

Oder die Wii. Sie hat es geschafft, die Spielkonsole in ein neues Licht zu rücken: Statt faules Herumsitzen zu fördern, musste man sich bei der Wii vor dem Fernseher betätigen und Tennis oder Baseball spielen, Boxen oder Golfen. Doch heute ziehen Gelegenheitsspieler das Smartphone oder Tablet vor. Die ernsthaften Spieler bevorzugen dagegen die Xbox oder die Playstation von Sony. Sie bieten eine bessere Grafik, mehr Leistung und die heute gefragten Spieltitel.

Warum noch eigene Konsolen?

Auch im mobilen Bereich läuft es nicht mehr so wie in den 90er-Jahren, wo der Gameboy eine ganze Generation an die Videospiele herangeführt und «Tetris» unsterblich gemacht hat. Nintendo hat mit dem DS zwar in den Nullerjahren beachtliche Verkaufszahlen erzielt und einer breiten Nutzerschaft den Touchscreen nahegebracht. Doch gegen die heutige Spielkonsole der Wahl ist auch ein klingender Name chancenlos. Diese Spielkonsole ist natürlich das Smartphone. So leistungsfähig, wie es der Gameboy nie war, und überall mit dabei.

Der Ausweg liegt auf der Hand: Statt auf eigene Hardware zu setzen, wird Nintendo zur reinen Spieleschmiede, die Titel für alle grossen Plattformen produziert. Sega hat das vorexerziert: 2001 hat der japanische Hersteller seine Dreamcast-Konsole eingestellt. Er produziert nun Titel für die anderen Plattformen.

Für den Erfolg bei den Smartphoneund Tabletspielern ist Nintendo nämlich hervorragend aufgestellt: Shigeru Miyamoto, der mutmasslich beste Gamedesigner bis zum heutigen Tag, hat für Nintendo Figuren wie Super Mario, Donkey Kong und Zelda geschaffen. Sie sind hervorragend geeignet für Spieletitel, die durch In-App-Käufe Unsummen an Geld einbringen.

Andere beackern das Feld

Dieses Feld wird heute allerdings auch von den Machern von «Clash of Clans», «Candy Crush Saga» oder «Mobile Strike» beackert. Die Spielehersteller der alten Schule stehen daneben und scheinen die neuen Spielregeln verweigern zu wollen.

Doch der Wind dreht, so scheint es. Mit seinem ersten Titel für Android und iPhone musste Nintendo im März dieses Jahres noch herbe Kritik einstecken. «Miitomo» ist allerdings mehr soziales Netzwerk als Spiel und damit für viele Nintendo-Fans eine Irritation. Der fulminante Start von «Pokémon Go» darf jetzt als Anzeichen dafür genommen werden, dass Nintendo willens ist, sich der Smartphone-Ära zu stellen – und dafür die richtigen Rezepte parat hat.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 13. Juli 2016

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