«Netflix steht in der Pflicht»

Matthias Schüssler

Bei der Swisscom ruckelt Netflix seit dem Wochenende stark. Die Kunden schiessen sich auf den Internetprovider ein. Er spielt den Ball weiter an den Streamingdienst.

Viele Netflix-Kunden konnten übers Wochenende ihre Filme nicht so recht geniessen, zumal wenn ihr Internetzugang über die Swisscom lief. Die Verbindungsgeschwindigkeit ging so weit zurück, dass die Wiedergabe nicht mehr flüssig lief. Diverse frustrierte Kunden machten sich über die sozialen Medien Luft, auch prominente. Viktor Giacobbo drohte sogar mit einem Wechsel zur Konkurrenz.

Auf Anfrage spielt Swisscom-Mediensprecher den Ball weiter an den Streaming-Anbieter. «Netflix steht in der Pflicht», ist Armin Schädeli überzeugt. Beim Markteinstieg von Netflix 2014 hätte es ein Peering-Abkommen mit der deutschen Telekom gegeben. Das habe gut funktioniert, denn die deutsche Telekom «habe einen breiten Schlauch».

Peering-Abkommen sind dazu da, die Server der Streaminganbieter mit breiten Verbindungen an die Netze der Internetprovider anzubinden. Eine solche Verbindung kann direkt erfolgen oder aber über zwischengeschaltete Unternehmen erfolgen – den Transitanbietern. Laut Schädeli haben die Probleme denn auch damit begonnen, als Netflix zu anderen Peering-Partnern wechselte, unter anderem zu Cogent und Level 3: «Einer davon ist in der Branche bekannt für die zu knappen Kapazitäten», erklärt Schädeli. Letzte Woche sei das Problem eskaliert, weil Netflix die Kapazität bei den Transitanbietern reduziert habe. «Die Daten kommen bei uns am Übergabepunkt schon langsam an. Zum Kunden sind die Leitungen breit genug, aber der Transit ist nicht mehr in der Qualität vorhanden, wie er sein müsste», sagt Schädeli.

«Ökonomische Differenzen»

Als Grund gibt Schädeli «ökonomische Differenzen» an: Man sei sich bezüglich eines Direktpeerings nicht einig geworden, so wie es Netflix mit anderen Providern unterhält. Ein solches sei aber nicht zwingend notwendig für eine ausreichende Qualität. Die Swisscom ist im Moment gemeinsam mit Netflix an einer Lösung dran. «Die Geschwindigkeit ist im Moment weder aus Sicht von Netflix noch für die Swisscom zumutbar», sagt Schädeli. Einen konkreten Zeitpunkt für eine Einigung will er aber nicht nennen.

Fredy Künzler, der Chef des Winterthurer Providers Init7, hat in einem Blogbeitrag im Januar die Hintergründe der Peering-Streitereien erläutert: «Viele grosse Provider halten die Interkonnektionskapazitäten passiv-aggressiv knapp. (…) Upgrades erfolgen nur noch, wenn der Content-Anbieter dafür zahlt, und das meistens nicht zu knapp. Es gibt keinen Markt für diese Interkonnektion – der Provider kann also Monopolpreise verlangen. Wird nicht bezahlt, stehen die Daten im Stau, und das ist bei Videos eben direkt sichtbar.»

Auch die Antwort der Swisscom lässt vermuten, dass sich die beiden Kontrahenten nicht über die Zahlungsmodalitäten einig geworden sind – und Netflix nun womöglich versucht, durch Reduktion der Transitkapazitäten Druck auf die Swisscom auszuüben. Ist das so? Netflix’ diplomatische Antwort: «Netflix und Swisscom arbeiten an einer technischen Lösung, um die Netflix-Erfahrung für unsere gemeinsamen Kunden zu verbessern. Dies sollte bald umgesetzt sein und ein viel besseres Streaming-Erlebnis für Netflix-Mitglieder über das Swisscom-Netzwerk ermöglichen», sagt André Fertich.

Update Kurz nach Publikation hat die Swisscom mitgeteilt, dass die mit Netflix getroffene Lösung in Kraft und das Ruckeln beendet sei.

Bei der Geschwindigkeitsmessung von Netflix steht die Swisscom inzwischen an letzter Stelle. Bild: PD

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 22. März 2016

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