Sommerserie «Freizeit IV»: Mehr als nur Honigproduzenten – Kurt Meier und seine 560 000 Bienen

16 Bienenvölker lassen den Imker ein Stück Natur erleben

Von Matthias Schüssler. Mit wenigen Schritten hat Kurt Meier die Stadt hinter sich gelassen, geht vorbei am einzig verbliebenen Bauernhof Veltheims; folgt einem Waldweg und ist bereits am Ziel: bei seinem Bienenhäuschen auf dem Wolfensberg, direkt am Waldrand, mit Aussicht über die Stadt.

An den zwölf verschiedenfarbigen Brettchen der Flugfront – dank den Farben erkennen die Bienen, welcher Eingang zu ihrem Volk führt – hängen Trauben von Arbeiterinnen: «Sie können so früh am Morgen noch nicht fliegen und weil sie im Stock keinen Platz mehr haben, bleiben sie draussen», erklärt der Imker. Vor dem Häusschen liegen einige tote Tiere: «Das sind Drohnen, deren einzige Aufgabe es ist, die Königin zu begatten. Nachher werden sie nicht mehr im Stock geduldet und ‹hinausgeworfen› – man nennt das die Drohnenschlacht.»

Brut- und Honigwaben

Der Zeitaufwand, mit dem der ein Imker für sein Hobby (in der Schweiz lebt niemand hauptberuflich von der Imkerei) rechnen muss, beträgt etwa zehn bis zwölf Stunden pro Jahr und Bienenvolk. Die Tätigkeiten sind jahreszeitabhängig; wichtig ist aber, dass der Imker stets dafür sorgt, dass die Bienen immer soviel Platz im Stock haben, wie es ihre Zahl und ihr Entwicklungsstadium verlangen. Während des Winters geben die Bienen wenig Arbeit, Meier muss den Bienen zu dieser Zeit genügend Nahrung bereitstellen. Ende März, wenn sich plötzlich Wachsrosetten am Fenster der Stöcke zeigen, beginnen die Bienen neue Brutwaben zu bauen. Um zu verhindern, dass die Bienen «wild» weiterbauen, hängt der Imker zu jedem Volk Wachsscheiben («Mittelwände»), die bereits leichte Wabenstruktur haben, auf denen die Bienen dann – auf den Hundertstelmillimeter genau – sechseckige Waben aufbauen. In diese Waben legt die Königin ihre Eier, die sich in 21 Tagen zu Arbeiterbienen oder in 24 Tagen zu Drohnen entwickeln. Wenn dann die Bienen Honig zu produzieren beginnen, kommen über die Brutwaben die kleineren Honigwaben. «Den Frühlingshonig schleudern wir im Juni.»

Jetzt, im Hochsommer, muss Meier jedem Stock die richtige Menge Futter bereitstellen. «Es hat schon Jahre gegeben, da habe ich 20 Kilogramm Zuckerwasser an ein Volk verfüttert.» Mitte September beginnt Kurt Meier, die Völker auf den Raum «einzuengen», den die verbliebenen Binenen, die im Winter in Trauben aneinanderhängen, wamhalten können.

Im schweizerischen Mittel gibt es pro Volk und Jahr etwa acht Kilogramm Honig; in der Region Winterthur liegt der Durchschnitt dank dem Rapsanbau etwa bei zwölf Kilo. Absolute Spitzenerträge erzielten die Imker 1986, als es 25 Kilogramm Honig pro Volk gab. (Als Vergleichszahl: ein Volk besteht aus 25 000 bis 50 000 Bienen.)

Die Eigenheit des Winterthurer Honigs besteht in seiner Zusammensetzung: Er wird nicht nur aus dem Nektar einer Pflanzensorte gewonnen, sondern aus dem Nektar von Blütenbäumen, Löwenzahn und Ahorn. Nein, Absatzprobleme habe er keine: «Es gibt viele Leute, die wissen, dass ich Bienen habe», schmunzelt Kurt Meier.

Seit 1973 ist Kurt Meier Imker, nachdem er mehrere Male einen Arbeitskollegen beim Bienenzüchten beobachtet hatte. Der Personalchef schätzt bei diesem Hobby durchaus die Einsamkeit, «doch wichtiger ist mir der Kontakt mit der Natur.»

Königinnenzucht

Nicht jeder Imker züchtet Königinnen, weil diese Arbeit ziemlich zeitaufwendig ist und einiges an Utensilien benötigt. «In einer Zucht von mehreren Königinnen tötet normalerweise deijenige, welche als erste schlüpft, die anderen – das muss ich verhindern.» Andere Imker können dann junge Königinnen bei Kurt Meier beziehen.

Für Nachwuchs-Imker bietet der Bienenzüchterverein, dem Kurt Meier als Präsident vorsteht, zweijährige Kurse an. Der Verein kümmert sich des weiteren um die Qualität des Honigs, den die Mitglieder produzieren, und befasst sich auch mit verschiedenen Bienenkrankheiten und weiteren Bienenprodukten wie dem «Gelée royale». Dieses Gelée ist ein beliebtes Aufbaumittel, mit dem die Arbeiterinnen die Königin füttern.

Volkswirtschaftliche Funktion

Zwangsläufig beobachtet ein Imker die Entwicklung der Umwelt mit speziellem Blick: Bauern silieren das Gras, bevor der Löwenzahn blüht und die Hobbygärtner sorgene für einen «geschniegelten» Rasen, in dem die Bienen keine Nahrung finden können. Deshalb gibt es nur eine beschränkte Anzahl von Standorten, von denen aus die Bienen ausreichend Nahrung finden können. Dabei braucht jede Landschaft eine genügend grosse Bienenpopulation, werden doch 90 bis 95 Prozent aller Pflanzenarten in unserer Region durch Bienen befruchtet. Dazu bemerkt der Imker: «Seit ich in meinem Garten vier Bienenvölker habe, tragen unsere Bäume viel mehr Obst!»

Quelle: Der Landbote, Mittwoch, 12. August 1992

Rubrik und Tags:

Metadaten
Thema: Sommerserie «Freizeit» IV
Nr: 34
Ausgabe: 92-184
Anzahl Subthemen:

Obsolete Datenfelder
Bilder: 1
Textlänge: 257
Ort:
Tabb: FALSCH