Onlinewerbung als Streitpunkt

Werbeblocker werden immer beliebter. Das passt den Verlagen nicht.

Matthias Schüssler

«In den Browsern herrscht der Krieg», ­titelte die «Frankfurter Allgemeine» neulich. Das ist reichlich übertrieben. Es ist aber unübersehbar, dass sich das ­Verhältnis zwischen Informationskonsumenten und Websitesbetreibern in den letzten Monaten stark eingetrübt hat. Es geht um die Werbeblocker: Das sind Browsererweiterungen, die in den Code von Websites eingreifen und dort die Werbebanner herauslöschen.

Diese Filtermethode existiert schon fast so lange wie die blinkenden Banner im Web. In den letzten Jahren hat die Verbreitung der Blocker aber stark zu­genommen: um 41 Prozent von 2014 auf 2015. In Deutschland vermeidet ein ­Viertel aller Surfer die Reklameeinblendungen. In Polen und Griechenland sind es laut einer Studie von Pagefair und ­Adobe sogar über 35 Prozent. Der Axel-Springer-Verlag gewährt daher seit kurzem nur noch jenen Lesern Zugang zu seiner Site Bild.de, die Browsererweiterungen wie Adblock Plus abgeschaltet haben. Das ergebe «rund drei Millionen zusätzlich vermarktbare Seitenbesuche in einer Woche», twitterte der Verlag letzte Woche stolz.

Blockieren als Geschäft

Die Werbeblocker sind ein Dilemma. Einerseits lösen sie Probleme: Sie sorgen dafür, dass Websites schneller laden. Sie erhöhen die Sicherheit, denn Schadsoftware wird oft durch verseuchte Banner eingeschleust. Sie verbessern die Privatsphäre, weil Onlinewerbung die Surfer auch trackt. Und sie schonen das mobile Datenguthaben und die Batterie – denn Video-Werbeformen sind diesbezüglich anspruchsvoll.

Andererseits bringen Nutzer, die Werbeblocker einsetzen, die Anbieter der redaktionellen Inhalte um wohl­verdiente Werbeeinnahmen. Vor allem kleine Informationsangebote mit einem technisch versierten Publikum leiden. Bei einzelnen Game-Sites lassen dem Vernehmen nach nur zehn Prozent der Nutzer Werbung überhaupt noch zu.

Aus diesem Grund hat der Entwickler Marco Arment seinen erfolgreichen iPhone-Werbeblocker Peace zurück­gezogen. Arment steht auch hinter der Lese-App Instapaper und war Mitbegründer der Blogging-Plattform Tumblr. Er fühle sich nicht gut mit Peace, schrieb Arment in seinem Blog: «Werbeblocker bringen für viele einen riesigen Nutzen. Aber sie schaden auch einigen, die es nicht verdient haben.»

Das Blockieren von Werbung ist selbst zu einem Geschäft geworden. Adblock Plus, der bekannteste Werbe­blocker, hat sich das eigentlich löbliche Ziel gesetzt, nur lästige Werbung zu eliminieren: Banner, die ungefragt Video und Audio wiedergeben, sich mit Fenstern in den Vordergrund drängen oder den Mauszeiger verfolgen. «Akzeptable Werbung» soll durchgelassen werden.

Das gesunde Augenmass fehlt

Der Haken: Grosse Werbetreiber müssen bezahlen, um am Adblock-Programm teilzunehmen. Laut Blogger Sascha Pallenberg zahlten Amazon, Ebay, Google und Yahoo Ende 2013 um die 30 Millionen, um ihre Werbung als akzeptabel durchzuschleusen. Pallenberg unterstellt Adblock Plus, selbst Werbegelder abgreifen zu wollen: «Diese Software ist kein Adblocker, sie ist ein Konkurrenzblocker.» Die nicht zahlenden Werbenetzwerke bleiben aussen vor. Pallenberg empfiehlt allen Nutzern von Blockern, die «Blacklist» selbst aufzubauen: «Das sind zwei Klicks für die nervigsten 50 regelmässig besuchten Seiten.»

Derweil entwickeln Werber sogenannte Native-Advertisement-Werbeformate. Sie gliedern sich nahtlos in die ­redaktionelle Berichterstattung ein und sind unblockierbar.

Helfen könnte ein gesundes Augenmass auf beiden Seiten: Würden einerseits die Werbetreibenden mehr Rücksicht nehmen und den Usern weniger Impulse liefern und andererseits die Nutzer stören­de Banner beim ausliefernden Medium anprangern, liesse sich die Situation beträchtlich entspannen.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 11. November 2015

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