Analyse Die nächste Windows-Version werde die letzte sein, hat Microsoft kürzlich verlauten lassen. Das Betriebssystem wird nicht etwa eingestellt – sondern für die Zukunft positioniert.

Windows hat als Goldesel ausgedient

Von Matthias Schüssler

Windows 10 werde die letzte Version von Microsofts Desktop-Betriebssystem sein. Das verkündete Jerry Nixon, ein leitender Softwareentwickler beim Softwaregiganten, an der Entwicklerkonferenz Ignite.

Eine plakative Aussage – die man nicht so interpretieren darf, dass Microsoft sich so bald von seiner 30-jährigen Erfolgsmarke verabschieden wird. Microsoft-Experte Paul Thurrott kommentiert lakonisch, es handle sich um eine Marketingmassnahme: Microsoft werde Windows weiterentwickeln, und falls man in Redmond irgendwann zum Schluss kommt, «es sei sinnvoll, ein Produkt mit dem Namen Windows 10 Ausgabe 2, Windows 11 oder Windows Yoghurt zu veröffentlichen, dann wird man das natürlich tun».

Trotzdem ist es bemerkenswert, dass sich Microsoft von der versionsweisen Veröffentlichung seines Produkts verabschiedet. Statt sich von Meilenstein zu Meilenstein zu hangeln, wird man das Betriebssystem kontinuierlich über häufige kleine Aktualisierungen weiterentwickeln. Microsoft-Chef Satya Nadella nennt das neue Modell «Windows as a Service»: das Betriebssystem als Dienstleistung. Dieses Modell gibt Microsoft die Möglichkeit, schneller auf Anforderungen zu reagieren und Gegensteuer zu geben, falls Neuerungen nicht auf Akzeptanz stossen.

Microsoft zieht die Lehren aus der Vergangenheit, als lange Entwicklungszyklen den Fortschritt blockierten. Zum Beispiel bei Vista: Das System wurde während fünf Jahren an den Nutzerbedürfnissen vorbei entwickelt und war bei seinem Erscheinen 2007 ein Flop. Ironischerweise erwies sich auch das populäre Windows XP als Fortschrittsbremse. XP war so beliebt, dass manche Nutzer während der fast 13-jährigen Verfügbarkeitsphase nicht umsteigen wollten.

Die Ära von «Windows as a Service» wird im Sommer dieses Jahres mit der Veröffentlichung von Windows 10 beginnen. Microsoft hat schon angekündigt, wie den Anwendern von Windows 7 und 8 der Umstieg schmackhaft gemacht werden soll: Sie dürfen nämlich während eines Jahres kostenlos auf Windows 10 umsteigen.

Das weckt bei vielen Anwendern Ängste. Will Microsoft die Nutzer mit einem Gratis-Update auf Windows 10 locken, um sie danach regelmässig zur Kasse zu bitten? Das «Software as a Service»-Modell beinhaltet normalerweise eine monatlich oder jährlich zu entrichtende Miete. Und es birgt die Gefahr, dass die Software nicht mehr zur Verfügung steht, sollte man es verpassen, seine Gebühr zu entrichten – was bei einem Betriebssystem die fatale Folge hätte, dass der Computer als Ganzes unbenutzbar wäre.

Diese Angst ist indes unbegründet. Terry Myerson, der stellvertretende Windows-Chef bei Microsoft, hielt dazu schon im Januar in einem Blog-Beitrag fest: «Sobald ein Gerät auf Windows 10 aktualisiert worden ist, werden wir es über die ganze Lebensdauer des Geräts aktuell halten – kostenlos.»

Mit Betriebssystemen ist kein Geld mehr zu verdienen. Diese Erkenntnis hat bei Apple schon 2013 Einzug gehalten, als das Mac-Betriebssystem kostenlos wurde. Nun kommt Microsoft zum gleichen Schluss – der darum einleuchtet, weil nur ein vergleichsweise kleiner Anteil der Privatkunden jeweils die neue Windows-Version gekauft hat.

Für Microsoft überwiegt die Einsicht, dass Windows dann eine wichtige Säule für das Unternehmen bleiben wird, wenn es als solide, moderne Unterlage für Bezahldienste wie Office 365 dient. Microsoft wird sicherlich auch sein Cloud-Angebot ausweiten und die App-Stores alimentieren. Abzuwarten bleibt, ob Windows auch für Unternehmen kostenlos wird oder ob sie weiterhin Lizenzgebühren zu berappen haben.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 13. Mai 2015

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