Wo Kickstarter kickt

Schlüsselt man die Projekte von Kickstarter.com nach Ländern auf, zeigt sich: Europa hat bei der globalen Schwarmfinanzierung noch grossen Aufholbedarf, nur Grossbritannien und eine kleine Insel sind vorne mit dabei.

Von Matthias Schüssler

Insgesamt 132’476 Projekte sind bei der populären Crowdfunding-Plattform Kickstarter aufgeführt. Davon stammen lediglich 33 Projekte aus der Schweiz – das sind 0,25 Promille. Ist das nicht beschämend für den Forschungsstandort Schweiz und die hiesige Start-up-Szene? Eine Blamage für Zürich – das sich als IKT-Mekka Europas sieht («Tagesanzeiger» vom 3. November 2010: «Die Bankenstadt wandelt sich zum Silicon Valley»)?

Nicht unbedingt. Mit 100-days.net und Wemakeit.ch existieren zwei Schweizer Plattformen, die sich für lokale und regionale Projekte grosser Beliebtheit erfreuen und beweisen, dass Crowdfunding auch hierzulande eine etablierte Form der Finanzierung darstellt. 323 Projekte vermeldet 100 days. Wemakeit.ch gibt 545 erfolgreiche Projekte an. Die Kickstarter-Zahlen für die Schweiz legen jedoch nahe, dass es sich nur sehr wenige Personen hierzulande zutrauen, gleich die ganze Welt verändern zu wollen. Sie suchen sich die Geldgeber lieber im Inland, als über Kickstarter oder Indiegogo eine Finanzierung durch ein weltweites Publikum anzustossen. Den globalen Impetus lassen die Europäer aber generell vermissen, wie die Kickstarter-Zahlen zeigen. Mit 117’066 Projekten (Stand: 19. Februar 2014) kommt der Löwenanteil (88 Prozent) aus den Vereinigten Staaten. 18,7 Prozent steuert Kalifornien bei und 2,5 Prozent sind in San Francisco beheimatet. Deutschland steht im Vergleich zu der Schweiz nicht besser da: Das Land ist mit 308 Projekten oder 0,23 Prozent bei Kickstarter vertreten. Finnland, Frankreich und Italien rangieren alle unter ferner liefen. Zwei Ausnahmen gibt es indes: Das Vereinigte Königreich stellt fast 5 Prozent der Projekte (2 Prozent aus London). Und die Internet-affinen Isländer haben 60 Projekte auf die Beine gestellt. Das ist, gemessen an der Bevölkerungszahl, fast fünfzigmal so viel wie die Schweiz.

In der Geschichte von Kickstarter wurden bisher mit rund einer Milliarde US-Dollar http://blog.tagesanzeiger.ch/datenblog/index.php/594/Kickstarter.com/help/stats. Die Statistik gibt auch einen interessanten Einblick, in welchem Umfang Geld gesammelt wird. 63 Prozent der Projekte veranschlagen zwischen Tausend und Zehntausend Dollar. Nur zwei Prozent der Projekte erheben zwischen 100’000 und einer Million. Es sind fast nur Spiele, die in der Millionenliga spielen.

Wir haben die erfolgreichen Projekte den gescheiterten gegenübergestellt. Anteilmässig am wenigsten Projekte sind im Bereich Tanz gescheitert. Auch bei Theater und Musik haben vergleichsweise viele Ideen Geld erhalten. Bei Fotografie, Spielen, Technologieideen und Publishing gelingt nur eins von drei Projekten. Am wenigsten Erfolg versprechend sind die Start-ups in der Modebranche.

Zwei bekannten Plattformen

Eine Reihe von Plattformen stellen sich für Projekte zur Verfügung, die auf klassischem Weg, per Bankkredit oder Risikokapital, nicht finanziert werden können – oder deren Urheber eine ausreichend gute Vernetzung in ihrer Community haben, dass sie sich Projekte direkt von ihren Kunden vorfinanzieren können. Wer als Kreditgeber ein Projekt unterstützt, erhält in aller Regel nicht nur das fertige Produkt, sondern je nach Höhe der Finanzierung auch zusätzliche Anreize wie beispielsweise ein exklusives Abendessen mit den Projektverantwortlichen.

Die zwei international bekannten Plattformen sind Kickstarter und Indiegogo. Indiegogo.com wurde 2008 in San Francisco gegründet, Kickstarter ein Jahr später in New York. Welche Plattform wichtiger ist, lässt sich schlecht abschätzen, da Indiegogo kaum Geschäftszahlen veröffentlicht. Techcrunch.com http://techcrunch.com/2013/08/30/kickstarter-owns-indiegogo-with-around-6x-more-total-dollars-raised-average-success-rate-much-higher/, Indiegogo spiele beim Crowdfunding die zweite Geige. Das Investitionsvolumen ist laut dem Beitrag bei Kickstarter rund sechsmal so gross.

Kickstarter funktioniert nach dem Prinzip alles oder nichts. Nur wenn innerhalb der gesetzten Frist die ganze Finanzierung zusammenkommt, wird das Geld ausgeschüttet. Bei Indiegogo kann ein Projektbetreiber sich auch eine Teilsumme auszahlen lassen, wenn er sein Ziel nicht erreicht, dann allerdings zu einer höheren Gebühr für Indiegogo. Indiegogo ist auch weniger streng, was die zugelassenen Projekte angeht. Auf Indiegogo kann man sich auch seine Studiengebühren oder einen neuen Computer finanzieren lassen. Bei Kickstarter werden nur Projekte zugelassen, die ein klares (verkaufbares) Resultat haben.

Bei der Interpretation der Daten ist zu berücksichtigen, dass für die Lancierung eines Kickstarter-Projekts der Unternehmer über ein US-Bankkonto verfügen muss. Entsprechend sind die Hürden für US-amerikanische Unternehmer etwas geringer als beispielsweise für schweizerische.

 

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 27. Februar 2014

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