10 Fragen und 10 Antworten zum Microsoft-Nokia-Deal

Matthias Schüssler und Rafael Zeier

Zuwarten mit dem nächsten Handykauf? Was machen nun Apple und Samsung? Und was ist mit den Tablets? Das Tagesanzeiger/Newsnet-Digitalteam sagt, was der Nokia-Kauf durch Microsoft bedeutet.

Kurz nach dem Abgang von Steve Ballmer kommt erneut ein Paukenschlag von Microsoft: Der Computerkonzern übernimmt die Mobilfunksparte von Nokia, 32’000 Mitarbeiter werden übernommen.

Über diesen Schritt war lange spekuliert worden. Wir erklären, was er nun für die Kunden, die Konkurrenz und den Smartphone-Markt bedeutet.

Passen Microsoft und Nokia überhaupt zusammen?

«Zwei Truthähne ergeben keinen Adler», hatte Google-Vize Vic Gundotra anlässlich der Zusammenarbeit von Nokia und Microsoft gelästert. Trotzdem ist es nur Nokia und den Lumia-Modellen zu verdanken, dass Windows Phone überhaupt abheben konnte. Die anderen Gerätehersteller haben Windows Phone nur sehr lustlos unterstützt – und seit Nokia und Microsoft zusammenarbeiten, ist die Begeisterung bei Microsofts Partnern für Windows Phone gänzlich dahin.

Wem nützt die Übernahme mehr? Microsoft oder Nokia?

Microsoft verfolgt seit gut einem Jahr das erklärte Ziel, vom Softwarehersteller zum Anbieter von Geräten und Diensten zu werden. Nokia bringt die notwendige Erfahrung – und viele Patente – in diese Partnerschaft mit ein. Microsoft braucht dieses Know-how dringend. Nokia hat seinerseits die Smartphone-Wende verschlafen. Die Finnen haben es nicht nur verpasst, ihr Symbian-Betriebssystem in die Touch-Ära zu führen, sondern sind mit ihren Systemen Maemo und Mee Go schnurgerade aufs Abstellgleis gefahren. Microsoft ist für sie der einzige Ausweg.

Möglicherweise ist die Abtrennung des Handygeschäfts für Nokia sogar ein Segen. So können sich die Finnen nun ganz auf die Bereiche Netzinfrastruktur und Kartendienste konzentrieren. Gerade mit dem Kartendienst Here ist Nokia sehr gut für die Zukunft gerüstet. Genauso wie IBM den Verkauf der eigenen Computersparte verkraftet hat, könnte der Wegfall des Handygeschäfts Nokia neuen Schwung verleihen.

Was heisst das für die Kunden?

Falls die Integration der rund 32’000 Nokia-Mitarbeiter (davon rund 4700 in Finnland) in den Microsoft-Konzert gelingt und die Firmenkulturen einigermassen kompatibel sind, dann darf man sich als Kunde auf einen schlagkräftigen dritten Player nebst Google und Apple freuen – und auf eine echte Alternative zum iPhone und zu Android. Das Lumia 1020 beweist, dass das Gespann zu echter Innovation fähig ist.

Soll man nun mit dem Kauf eines Smartphones zuwarten?

Nein. Erst müssen die Nokia-Aktionäre der Übernahme zustimmen (am 19. Oktober). Bis sich diese auf die Smartphones in den Läden auswirkt, dürfte es noch Monate – wenn nicht länger dauern. Wer mit einem Lumia-Smartphone liebäugelt, der darf sich jetzt in diesem Entscheid bestärkt fühlen.

Wie wird die Konkurrenz (Samsung, Apple, HTC) reagieren?

Amüsiert bis erleichtert. Die bei solchen Anlässen üblichen spitzen Bemerkungen dürften nicht lange auf sich warten lassen. Hersteller wie Samsung oder HTC, die halbherzig Windows-Phone-Geräte im Angebot haben, können und werden die Übernahme nun für einen eleganten Ausstieg nutzen. Für Apple und Google dürfte die Lage nach der Übernahme kaum bedrohlicher werden als vorher. Eine schnelle Reaktion ist also nicht zu erwarten. Längerfristig müssen die zwei Marktführer Microsoft aber im Auge behalten. Es wäre nicht das erste Mal, dass gesättigte Marktführer einen Trend verschlafen und von einem hungrigen Underdog überholt werden.

Was heisst die Übernahme für die Suche nach dem Ballmer-Nachfolger?

Der ehemalige Microsoft-Manager Stephen Elop war schon vor der Übernahme als möglicher Nachfolger im Gespräch. Jetzt ist er Kronfavorit.

Ist das das Ende der Marke Nokia?

Nein. Microsoft darf mit dem Deal die Marke Nokia für 10 Jahre nutzen. Nokia hat einen sehr guten Ruf bezüglich solider Hardware und hervorragender Kameras. Daher wird Microsoft gut daran tun, die Marke weiter zu pflegen.

Kann Microsoft so Google und Apple Konkurrenz machen?

Microsoft ist auf dem Handymarkt mit Windows Phone bereits die Nummer 3 hinter iOS und Android – wenn auch abgeschlagen. Die Chancen stehen gut, dass Microsoft diese Position halten und den Rückstand verkleinern kann. Die Chancen stehen vor allem in den aufstrebenden Märkten gut. Nokia weiss, wie man solide Hardware günstig baut. Dass jetzt über ein günstiges iPhone 5c spekuliert wird, deutet darauf hin, dass sich Apple für diesen Markt wappnen will.

Was wird jetzt aus dem Surface-Tablet von Microsoft?

Microsofts eigenes Tablet machte bis jetzt hauptsächlich mit Verlusten Schlagzeilen. Trotzdem dürfte, wenn man den Gerüchten glaubt, ein Nachfolger noch diesen Herbst präsentiert werden. Nokia hat ebenfalls ein eigenes Tablet in den Startlöchern (Gibt Nokia dem Tablet noch eine Chance? ). Hier dürfte Microsoft sicher ausmisten. Denkbar wäre etwa, dass sich Nokia in Zukunft auf Handys spezialisiert und Surface als Tablet-Marke etabliert wird. Dazu muss das neue Surface aber erst einmal ein Erfolg werden.

Ist mit der Übernahme Finnland – und damit auch Europa – als Player im globalen Mobilfunkmarkt erledigt?

Die Nokia-Teams sollen weitestgehend an ihren Standorten belassen werden, daher wandert das Know-how zumindest vorerst nicht in die USA ab. Microsoft will ausserdem in Finnland ein Rechenzentrum für Microsoft- und Nokia-Kunden bauen und 750 Millionen dafür investieren. Finnland bleibt ein Technologiestandort, Nokia Solutions and Networks (vormals Nokia Siemens Networks) für die Netzausrüstung wird als eigenständiges Unternehmen weitergeführt. Dennoch muss sich Europa eingestehen, im globalen Mobilfunkmarkt nicht mehr viel zu melden zu haben.

Ob das auch wirklich zusammenpasst, muss sich erst noch weisen: Microsoft-Chef Steve Ballmer und Nokia-Boss Stephen Elop bei der Präsentation von Windows 8 für mobile Geräte. (2012)
Bild: Keystone

Nokias Dilemma
Das Nokia N95, hier an der Consumer Electronics Show 2008 in Las Vegas, zeigt Nokias Dilemma im Smartphone-Markt: Viele Funktionen, aber wenig Massentauglichkeit.
Bild: David Paul Morris/Getty Images/AFP

Einstieg in Windows Phone
An der Nokia World 2011 wird das Lumia 800 präsentiert. Es ist das erste Nokia-Smartphone mit Windows Phone und soll verlorenen Boden gutmachen.
Bild: AP Photo/Sang Tan

Microsoft baut Hardware
Microsoft wird vom Softwarehersteller zum Anbieter von Geräten und Dienstleistungen. Symbol für diesen Strategiewechsel ist das Surface-Tablet, das in Seattle von Microsoft-Store-Mitarbeiter Stuart Pitts präsentiert wird.
Bild: AP Photo/Elaine Thompson

Ballmers letzter Streich
Mit der Übernahme Nokias ebnet Noch-Chef Steve Ballmer seinem Nachfolger den Weg in eine Zukunft, in der Microsoft auch im Mobilmarkt ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat.
Bild: AP Photo/Jeff Chiu, File

Damals war Nokias Welt noch in Ordnung
Jorma Ollila, Chef und Vorsitzender 2001, als Nokia noch der weltweit grösste Mobiltelefonhersteller war.
Bild: AP Photo/Lehtinuva, Martti Kainulainen

Der Zukunft nicht gewachsen
Nokias Symbian-Betriebssystem konnte viel, war aber wenig elegant und intuitiv. Zudem verschlief Nokia den Touchscreen-Trend.
Bild: ops/Liquid Air Lab GmbH

Elops Vorgänger
Olli-Pekka Kallasvuo musste Stephen Elop an der Nokia-Spitze Platz machen. Anfang 2010 präsentierte er noch Nokia-Neuheiten an einer Messe in Las Vegas.
Bild: AP Photo/Laura Rauch

Der nächste Microsoft-Chef?
Stephen Elop stellt sich am 10. September 2010 als neuen Nokia-Chef vor. Heute ist er Kronfavorit im Rennen um die Nachfolge von Microsoft-CEO Steve Ballmer.
Bild: AP Photo/Lehtikuva, Markku Ulander

Windows Mobile als Flop
Trotz Bill Gates› Begeisterung und dem persönlichen Einsatz konnte sich Microsofts Windows-Mobile-Plattform nie durchsetzen.
Bild: Reuters

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 3. September 2013

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