Gute alte Spiele, praktisch geschenkt

Game-Klassiker für Windows sind für wenig Geld – oder ganz gratis – zum Herunterladen erhältlich.

Von Matthias Schüssler

Der PC als Game-Maschine sei tot, heisst es gelegentlich. Dieser Eindruck drängt sich auf: Viele Spieleentwickler wenden sich den Konsolen zu. Die wichtigen Neuerscheinungen laufen exklusiv auf der Playstation oder der Xbox. Und wer sich zu den Gelegenheitsspielern zählt, frönt dieser Leidenschaft immer öfter am iPhone oder am iPod Touch.

Die PC-Spiele haben vor allem eines: eine grosse Vergangenheit. Die massgeblichen Titel haben, «World of Warcraft» einmal ausgenommen, alle zehn Jahre oder mehr auf dem Buckel. Damit darf man sie zu den Klassikern zählen. Sie sind optisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit, doch ihr Einfluss auf das aktuelle Schaffen der Spielemacher ist unverkennbar. Und sie haben für viele Spieler den Nimbus der guten alten Zeit, als eine witzige Geschichte noch mehr zählte als spektakuläre Grafik in 3-D.

Viele der PC-Klassiker sind nun auf www.gog.com erhältlich. Das Kürzel «gog» steht für «Good Old Games» und lässt keinen Zweifel daran, dass sich das Angebot an Leute richtet, die ihre Sozialisierung als Vidoespieler während der Hochblüte der DOS-Games erfahren haben – als es noch Genres wie das humorige Point-and-Click-Abenteuer gab, das heute als ausgestorben gilt.

Action, Horror, Knobelspass

Gog.com bringt die Klassiker zum Herunterladen, zu einem Preis zwischen 5.99 und 9.99 US-Dollar. Die Spiele sind so adaptiert, dass sie auf Windows XP, Vista und Windows 7 laufen. Sie wurden mit einem neuen Installationsprogramm versehen und vom Kopierschutz befreit, der ursprünglich bei vielen Titeln sicherstellte, dass sie nur vom Originaldatenträger ausgeführt werden konnten. Kurz: Die Nutzung ist unkompliziert und die Präsentation der Titel auf der Website tadellos. So gibt es nebst dem eigentlichen Spiel auch Zusatzmaterial wie das Handbuch, Bilder für den Desktophintergrund oder den Soundtrack. Und Spiele dürfen sogar verschenkt werden.

Das Angebot umfasst knapp 500 Titel für Windows und enthält Perlen wie «Baldur’s Gate», die Rollenspielserie von James Ohlen oder den Shoot-’em-up-Klassiker «Duke Nukem». Der wegweisende Gänsehaut-Titel «Alone in the Dark» lässt sich wiederentdecken oder zum ersten Mal spielen. Die «King’s Quest»-Märchenwelt mit allen acht Teilen steht für Fans der Spieledesignerin Roberta Williams zum nostalgischen Replay bereit. Wer von Mechanikrätseln nicht genug hat, stürzt sich neuerlich auf das Knobeladventure «Myst». Und im Bereich der Action ist «Beyond Good & Evil» des französischen Designtalents Michel Ancel eine Entdeckung wert. Und wer in den 90ern die Sierra-Klassiker «Gabriel Knight» und «Space Quest» oder den Horrorschocker «Phantasmagoria» verpasst hat, erhält mit «Gog» eine zweite Chance.

Im Angebot fehlen sämtliche Perlen von «Lucas Arts», namentlich «Indiana Jones» oder «Monkey Island» – Letztere gibt es immerhin fürs iPhone und den iPod Touch. Weitere prominente Abwesende sind die Aufbaustrategie «SimCity» und «Leisure Suit Larry», Al Lowes peinlicher Frauenheld. Dieser erlebt dafür im Browser seine Wiederauferstehung. Auf der Website Sarien.net finden sich die grössten DOS-Klassiker des Herstellers Sierra als Remake. Die nachgebauten Titel laufen ohne Installation im Surfprogramm.

Auf dem Flohmarkt stöbern

Es gibt weitere Quellen für gute alte Spiele. Ausser auf dem Estrich, wo bei manchen Leuten die Originaldatenträger lagern, wird man auf Flohmärkten oder bei Auktionsplattformen fündig. Falls die alten Originaltitel mit der neuen Windows-Version nicht laufen, ist eine Installation via DOS-Box zu empfehlen (www.dosbox.com): Der kostenlose Emulator bildet das DOS-Betriebssystem und die alte PC-Hardware nach und wurde speziell für Spiele optimiert.

Im Internet gibt es auch Websites mit alten Games, die als sogenannte Abandonware gratis zum Download bereitstehen. Die Betreiber der Abandonware-Sites stellen sich auf den Standpunkt, dass Software, die vom Hersteller nicht mehr vermarktet wird, als Allgemeingut betrachtet werden darf. Eine rechtlich unbedenkliche Weitergabe wäre nur zulässig, wenn ein Titel vom Hersteller ausdrücklich als Freeware deklariert wurde. Dennoch bleiben die Abandonware-Sites im Netz, weil viele Hersteller rechtliche Schritte als nicht lohnend erachten. Als Spieler meidet man die Sites trotzdem besser – weil dort neben alten Spielen oft neue Schadenssoftware zu finden ist.

Die Fan-Remakes

Fan-Games sind eine letzte Möglichkeit, die guten Zeiten alter PC-Spiele heraufzubeschwören. Das sind von Liebhabern in Heimarbeit entwickelte Reminiszenzen, die sich bei Machart und Gameplay ans Original anlehnen und die alten Geschichten weiterspinnen. Als Fan-Projekt ist beispielsweise «Baphomets Fluch 2.5» entstanden, der den ersten beiden Teilen des Comic-Adventures Tribut zollt (www.baphometsfluch25.de). Andere Fan-Projekte sind «Zak McKracken: Between Time and Space» (www.mckracken.net) und das Remake von «King’s Quest III» (www.infamous-adventures.com/kq3).

Brandneu ist das Fan-Game «The Silver Lining» (www.tsl-game.com). Nachdem dessen Macher nach längeren juristischen Querelen im Sommer 2010 zwei Folgen veröffentlichen konnten, erweist es nun der «King’s-Quest»-Saga die Ehre. Weitere drei Folgen sind geplant.

Jade, die wagemutige Heldin aus dem Action-Klassiker «Beyond Good & Evil». Fotos: PD

Fan-Game «The Silver Lining» als Tribut an die unsterbliche «King’s Quest»-Reihe.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 4. Oktober 2010

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