Wortwechsel in 140 Zeichen und ohne Anfang oder Ende

Twitter ist für die einen ein absurder Auswuchs von Web 2.0. Für die anderen hingegen liegt die Zukunft der Web-Kommunikation im digitalen Gezwitscher.

Von Matthias Schüssler

An Twitter.com scheiden sich die Geister. Was Twitter ist, können selbst die Befürworter oft nicht auf Anhieb erklären. Der Terminus technicus heisst «Microblogging-Dienst» und erklärt noch gar nichts.

Die Umschreibung «Chat ohne Anfang und Ende» trifft es eher. Mit Twitter kommuniziert man mit Freunden, Bekannten und Unbekannten, und zwar ohne dass man sich am Anfang begrüsst und am Ende verabschiedet. Dialoge laufen permanent und werden fortgeführt, wenn man als User etwas Neues zu sagen hat.

Twitter treibt die unter dem Schlagwort «Web 2.0» postulierte Benutzerbeteiligung am Internet auf die Spitze. Auf dieser einen Website bloggt die ganze Welt. Die Botschaften reichen von belanglosen Neuigkeiten wie «Bin auf dem Weg zur Arbeit» bis zu Nachrichten von Weltformat. Die Notwasserung des US-Airways-Flugs 1549 auf dem Hudson River wurde zuerst per Twitter verkündet. Lesen kann die Botschaften jeder, der auf http://twitter.com/public_timeline vorbeischaut.

Da aber niemand alle Meldungen der 55 Millionen Benutzer verfolgen will, lohnt sich die Registrierung. Auf der eigenen Home-Seite sieht man nur die Meldungen jener Nutzer, denen man folgt – das Verfolgen der Meldungen eines Nutzers nennt sich denn umgangssprachlich auch «followen».

Ein Tweet, eine Meldung auf Twitter, hat maximal 140 Zeichen. Der Grund für die Einschränkung liegt darin, dass man den Dienst auch mit jedem Mobiltelefon via SMS nutzen kann. Von den 160 Zeichen eines SMS sind 20 für den Benutzernamen reserviert.

«Twittern» und «yammern»

Diese Kürze ist keine Schwäche, sondern die eigentliche Stärke von Twitter. Als Schreiber muss man sich kurz fassen. Als Leser ist man in der Lage, sich auch bei vielen Meldungen schnell einen Überblick zu verschaffen und sich informiert zu fühlen.

Ein weiterer Kanal, der nichts bringt – so lautet eine häufige Kritik. Es gibt inzwischen aber Unternehmen, die Twitter oder Alternativen wie Yammer.com oder identi.ca «ernsthaft» für die interne, informelle Kommunikation nutzen: Ein Tweet ist schnell geschrieben, weil er weder Anrede, noch Schlussfloskel braucht und gegenüber einem Anruf oder einer E-Mail Zeit spart.

Inzwischen nutzen auch die Medienhäuser den Dienst. In Deutschland setzt «Spiegel online» Eilmeldungen als Tweet ab, ebenso «Heise». In der Schweiz findet man etwa «20 Minuten» auf Twitter, aber auch den «Tages-Anzeiger»: twitter.com/tagesanzeiger

Wer selbst twittern will, meldet sich an und legt los. Damit die kleinen Botschaften auch Gehör finden, braucht man «follower», also Leute, die die Tweets verfolgen. Zu denen kommt man, indem man selbst anderen folgt. Und natürlich sollte man auch interessante Dinge zu zwitschern haben. Ausserdem muss laut erfahrenen Twittern das Profilbild, der Avatar, einprägsam sein. Wer das Standardbild nutzt, ist uninteressant.

Indem man ein @ einem Namen voranstellt, kann man eine Person direkt ansprechen. Setzt man ein «d» vor den Twitter-Namen, schreibt man der betreffenden Person eine private Meldung. Links muss man meist abkürzen, damit sie in den 140 Zeichen Platz finden. Dafür gibt es «Adressverkürzungsdienste» wie snurl.com oder tinyurl.com.

SCREEN TA

Twitter, wo die ganze Welt zwitschert.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 6. April 2009

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