Kommentar

Stundenlohn von knapp zwei Franken

Von Matthias Schüssler

Was vor sieben Jahren als technische Spielerei begann, ist seit fünf Jahren zu einer intensiven Freizeitbeschäftigung geworden: Auf Clickomania.ch blogge ich über die Dinge, die für die Zeitung zu exotisch, zu wenig ausgegoren oder zu sperrig sind. Und nebenbei hat mich die Frage interessiert, ob sich mit Bloggen auch Geld verdienen lässt. Die Erfahrungen sind ernüchternd:

Werbung. Adsense ist Googles Werbeplattform. Sie platziert Banner anhand der Themen im Blog und der Vorlieben der Besucher. Adsense lässt sich einfach auf der eigenen Website einbauen. Man definiert Grösse und Art der Banner und platziert die entsprechenden Code-Schnipsel.

In meinem Blog läuft Adsense seit 6 Jahren und hat in der Zeit knapp 3400 Franken eingebracht – mit 1,4 Millionen Seiten- bzw. 2,1 Millionen Banner-Aufrufen und 2500 Klicks auf die Werbung. Es fällt auf: Die Einnahmen schwanken stark und sind nicht zu prognostizieren. Und sie sind, verglichen mit dem Aufwand, niedrig: Wenn ich den über den Daumen gepeilten Zeitaufwand fürs Schreiben und Produzieren gegenrechne, ergibt sich ein Stundenlohn von etwa 2 Franken.

Noch betrüblicher sind die Einnahmen bei Youtube: 22 Dollar «Lohn» bekomme ich in zwei Jahren für 36’700 Videoaufrufe.

Affiliate-Links. Als Blogger kann man an Partnerprogrammen teilnehmen. Man erhält eine Provision an den Verkaufsumsätzen, wenn man Webshops über den Blog Kunden zuführt. Ich beteilige mich seit ungefähr einem Jahr an den Affiliate-Programmen von Amazon und dem Apple-iTunes-Store. Fazit hier: Einnahmen von 11.57 Euro bei Amazon für einen Umsatz von 223 Euro. Apple beteiligt mich mit 3.03 Euro an einem Umsatz von 43.20 Euro (für 1254 Klicks und 45 verkaufte Apps). Wenn man nennenswerte Beträge erzielen will, muss man teure Produkte wohlwollend besprechen. In meinem Fall ein klarer Zielkonflikt mit dem Anliegen meines Blogs.

Bezahlinhalte. Als Blogger erhält man immer wieder Angebote, Inhalte gegen Bezahlung in seinem Blog zu platzieren. Die übernimmt man entweder fixfertig oder schreibt sie selbst gemäss den Vorgaben. Man kann solche Auftragsarbeiten deklarieren oder – was den Auftraggebern in aller Regel lieber ist – ohne entsprechenden Hinweis publizieren. Dafür gibt es auch mal 150 bis 200 Euro. Eindeutig die aussichtsreichste Methode zum Geldverdienen. Nur schade, dass sie aus ethischer Sicht absolut tabu ist.

Fazit: Als Blogger im deutschen Sprachraum muss man sich auf die populären Themen stürzen und mit allen Mitteln Klicks bolzen. Oder man begnügt sich damit, seine öffentliche Mission als Hobbypublizist zu verfolgen. Da wundert es nicht, dass die Hälfte der Blogger über Apple schreibt.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 20. April 2016

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Thema: Cotext
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