WARUM EIGENTLICH NICHT? (7)

Ein Laptop als Weg aus der Armut

Einen Laptop für jedes Kind in den Schwellenländern? Nicholas Negroponte, Professor am MIT, verficht diese Idee. Er hat die Initiative «One Laptop per Child» oder kurz OLPC 2005 am Weltwirtschaftsforum in Davos lanciert. Seit November 2007 wird der «100-Dollar-Laptop» (oder auch «XO») in China produziert. Anfang 2008 werden grössere Stückzahlen nach Uruguay und Peru ausgeliefert. Der XO ist ein kostengünstiger Laptop – wobei die 100-Dollar-Marke nur bei genügend grossen Stückzahlen zu erreichen ist – mit zwei WLAN-Antennen als markanten «Eselsohren» rechts und links des Bildschirms.

Walter Fust, Leiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), hat den 100-Dollar-Laptop schon in der Hand gehalten: «Er hat ein sympathisches Aussehen. Für kleine Kinder entworfen, ist die Tastatur logischerweise etwas zu klein für Erwachsene.» Aber er sei praktisch, leicht bedienbar und «erstaunlich vielseitig». Die Kinder können Musik komponieren, zeichnen und malen, spielen, Videos aufnehmen und fotografieren. Der Laptop eröffnet den Zugang zum Internet und Kommunikationsmöglichkeiten per Chat. Wissen vermittelt er in Form von elektronischen Büchern (E-Books). Alle Programme sind quelloffen. Der Laptop braucht wenig Strom, und es gibt einen energiesparenden Modus fürs Bücherlesen.

Aber ist ein Laptop das, was die Kinder in Schwellenländern am nötigsten brauchen? Jacke Lustig ist Pressesprecherin der OLPC-Initiative und antwortet kurz und bündig: «Ersetzen Sie das Wort Laptop durch Bildung, und Sie werden diese Frage nie mehr stellen!» Es handle sich nicht nur um ein Hardware-, sondern vor allem um ein Erziehungsprojekt, sagt auch Fust: «In Entwicklungsländern sollen die Regierungen die Laptops kaufen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass die Arbeit mit dem Laptop in den Schulunterricht eingebettet wird.»

Spyros Lalis ist Professor an der Uni Thessalien, derzeit Gastprofessor an der ETH Zürich und arbeitet in Griechenland an der Einführung des Laptops. Am Projekt Beteiligte haben ihm berichtet, die Kinder würden sich schnell zurechtfinden und hätten Spass: «Etwas schwieriger wird es für die Lehrer, mit den Schülern mitzuhalten», meint er augenzwinkernd.

Der Laptop kann den digitalen Graben, die Wissenskluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nicht überwinden, aber zumindest verringern. «Der Laptop allein reicht zweifelsohne nicht», sagt Fust: «Er kann aber einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn die Lernenden sich Fähigkeiten erwerben, mit denen sie die täglichen Probleme besser lösen können.»

Spyros Lalis sieht einen weiteren Vorteil: «Der Laptop wird einiges an Dynamik bringen. OLPC übt Druck auf grosse Computerhersteller aus, ihre Preispolitik zu ändern, besonders was die Entwicklungsländer betrifft.» Intel hat im Rahmen des «World ahead»-Programms einen eigenen 100-Dollar-Laptop auf den Markt gebracht, der allerdings zwischen 300 und 400 Dollar kosten wird. Der «Classmate» wird im Moment in Mexiko, Brasilien und Nigeria getestet. Informatikprofessor Spyros Lalis bewertet den Classmate als eher gewöhnlichen Laptop, wenngleich etwas billiger und kleiner.

Der XO hingegen sei für Kinder konzipiert und könne auch in schwierigem Umfeld genutzt werden. Lalis: «Er ermöglicht, die Batterie mit alternativen Methoden, etwa mit kinematischer Energie nachzuladen.» Dazu dient etwa der «Ripcord charger», der über eine Art Reissleine Strom erzeugt. Konkurrenz herrscht aber nur zwischen den Laptops, nicht zwischen den Initiativen: Intel ist OLPC inzwischen beigetreten.

In der Schweiz tut sich in Sachen 100-Dollar-Laptop nicht viel. Fust weist indes darauf hin, die Deza habe bei der Uno und anderen Gremien die «Schulen ans Netz»-Initiative eingebracht: «Die Informations- und Kommunikationstechnologie wird die Pyramide des Lernens auf den Kopf stellen: Es sind die Alten, die von den Jungen lernen.»

In den USA können Private zwei XO-Laptops für 399 US-Dollar kaufen. Den einen erhält der Käufer, der andere geht als Spende an ein Kind in einem Schwellenland. Bleibt zu hoffen, dass der Funke des «Give one get one»-Programms auch hier zu Lande überspringen wird: www.laptopgiving.org.

Matthias Schüssler

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 31. Dezember 2007

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