Chrome blockiert lästige Banner

In der neuesten Version filtert Googles Browser lästige Werbung aus. Das führt zum Teil zu harscher Kritik.

Matthias Schüssler

Google hat seinen Chrome-Browser mit einem Werbeblocker ausgestattet. Die neue Version wird seit letzter Woche durch die Updatefunktion automatisch installiert. Da Google selbst der grösste Werbevermittler ist, funktioniert diese neue Funktion jedoch nicht so wie klassische Werbefilter: Sie eliminiert Banner nicht generell, sondern nur dann, wenn sie als «inakzeptabel» taxiert wurden.

Unerwünschte Werbeformen sind Pop-ups, die den Text überlagern, automatisch startende Videos mit Sound, vorgeschaltete Anzeigen mit Countdown, blinkende Animationen und grosse Werbebereiche, die beim Scrollen unbeweglich bleiben. Die Vorgaben, was zumutbar ist und was nicht, wurden von der Coalition for Better Ads ausgearbeitet. Zu dieser Koalition gehören nebst Google auch Facebook, Microsoft und andere Grössen der Werbebranche.

Es geht Google und der Coalition for Better Ads effektiv darum, die Akzeptanz der Werbung im Netz zu erhöhen und die Nutzer davon abzuhalten, eine Browsererweiterung zu installieren, die gar keine Banner mehr durchlässt. Und ein offensichtliches Ziel ist auch die Disziplinierung der Websitebetreiber: Wenn auf einer Website eine nicht akzeptable Werbeform identifiziert wurde, blockiert Chrome nicht nur diese, sondern sämtliche Banner. Da Googles Browser einen Marktanteil von 60 Prozent hat, bedeutet das beträchtliche Einnahmenausfälle.

Samuel Leiser von Google Schweiz teilt auf Anfrage mit, dass der Werbeblocker auch in der Schweiz aktiv sei, und zwar nicht nur bei den Betriebssystemen Windows und für Apples Mac, sondern auch bei Android, Linux und Chrome OS, aber nicht bei iPhone/iPad.

Eindrückliche Drohkulisse

Google hat eine eindrückliche Drohkulisse aufgebaut, die Wirkung zeigte, noch bevor der Werbeblocker seine Arbeit überhaupt aufgenommen hat. Das Techportal Wired.com zitiert einen Google-Mediensprecher, der sagt, viele betroffene Sites hätten präventiv Änderungen vorgenommen, namentlich «Forbes», die «Los Angeles Times» und die «Chicago Tribune». Generell seien von den 100 000 beliebtesten Websites in Nordamerika und Europa weniger als ein Prozent betroffen, liess Google ausrichten.

Damit lassen sich nicht alle beschwichtigen: Nick Nguyen ist Produktchef bei der Mozilla-Stiftung, die den Firefox-Browser entwickelt. Er sagt, der Ansatz der Coalition for Better Ads greife zu kurz: «Der Werbeblocker von Chrome tut nichts gegen die unsichtbaren Tracker, die mit den Standards konform gehen.» Diese Tracker sammeln Daten über die Aktivitäten der Webnutzer und machen sie den Werbetreibenden und deren Partnern zugänglich.

Das ist für viele Webnutzer Grund genug, einen Werbeblocker eines Drittherstellers einzusetzen, der auch die Tracker lahmlegt. Auch Firefox wirbt mit dem kürzlich eingeführten «Schutz vor Aktivitätenverfolgung». Er filtert jene Module aus, mit denen gerade Facebook und Google unsere Surfspuren quer durchs Netz nachverfolgen.

Als «heuchlerisch» bezeichnet

Ein Kommentator der Zeitung «The Hill» kritisiert Googles Initiative aus einem zweiten Grund als «heuchlerisch»: Über Jahre habe Google die Netzneutralität aktiv unterstützt. Das ist die Forderung, dass Internetprovider keine Inhalte im Netz blockieren oder benachteiligen dürfen. «Und jetzt macht Google genau das, was das Unternehmen bis vor kurzem zu den schlimmstmöglichen Sünden gezählt hat.» Wie schon George Orwell in «Animal Farm» geschrieben hat, seien einige Tiere eben gleicher als andere. «Das beschreibt Googles Problem ganz gut», schreibt «The Hill».

Video Vier Methoden, um die Privatsphäre zu schützen
privacy.tagesanzeiger.ch

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 21. Februar 2018

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