Bilderbeschaffung

Tauschen statt kaufen

Reproduktionsfähige Bilder gibt es gratis im Internet – und zwar legal. Nach dem Prinzip von Geben und Nehmen darf man die Bilder anderer Fotografen benutzen, wenn man seine eigenen Aufnahmen zur Verfügung stellt.

MATTHIAS SCHÜSSLER Kazaa, Napster, eDonkey und Morpheus – das Prinzip des Tauschens per Internet ist in Verruf geraten. Die Musikindustrie, und seit der stärkeren Verbreitung von Breitbandanschlüssen auch die Filmbranche, beklagen Milliardenverluste. Das Sharing über Peer-to-Peer-Netzwerke soll schuld sein, dass der Verkauf von Tonträgern in den letzten fünf Jahren um rund zwanzig Prozent zurückgegangen ist. Und im Bereich des bewegten Bildes soll das illegale File­sharing im Jahr 2003 allein in Deutschland einen Einnahmenausfall von knapp 130 Millionen Euro verursacht haben.

Es leuchtet ein, dass die Verletzung von Urheberrechten im grossen Stil kein gutes Licht auf die Tauschbörsen wirft. Das Fehlen jeglichen Unrechtbewusstseins bei einem grossen Teil der Downloadpiraten und «Power-Sauger» ist bedauerlich – und bedauerlich ist auch, dass deren Treiben das Prinzip des Teilens und Tauschens in Verruf bringt. Denn es geht auch ohne Urheberrechtsverletzung und zum Nutzen aller Beteiligten.

Legales Tauschgeschäft

Ein Gegenbeispiel zu MP3 und gerippten DVDs sind Digitalfotos. Im Internet gibt es eine Reihe von Websites mit Bildarchiven, die als Community funktionieren: Wer eigenes Material zur Verfügung stellt, darf die Bilder der anderen Teilnehmer benützen. Juristisch ist die Sache einwandfrei, denn wer selber fotografiert, besitzt das Urheberrecht an den Bildern und darf anderen das Nutzungsrecht einräumen. Wer seine Bilder beispielsweise bei Pixelquelle.de hochlädt, «räumt das nicht exklusive und zeitlich sowie räumlich unbegrenzte Nutzungsrecht an dem hochgeladenen Bildmaterial ein». Für das Hochladen gibt es kein Geld, dafür aber das Recht, die heruntergeladenen Bilder selbst zu verwenden; sei es online oder im Druck: «Das Nutzungsrecht umfasst eine Nutzung im Internet, das Recht auf Bearbeitung und Umgestaltung sowie eine Vervielfältigung in Printmedien. Ausgeschlossen ist eine Nutzung in Bilddatenbanken, Bildkatalogen und die Bereitstellung von Bildern zum Download oder zum Verkauf.» Ferner ist der Nutzer aller freien Bilddatenbanken dazu verpflichtet, als Quelle die Website, auf der er das Bild gefunden hat, anzugeben. Und selbstverständlich sollte man beim Urheberrechtsvermerk auch den Namen des Fotografen angeben.

Das grösste Kunstmuseum der Welt

Die Idee, Fotos per Internet zu tauschen, ist nicht neu. Der Schweizer Informatikpionier Hannes Keller betreibt seit April 1999 die Site Visipix.com und nennt sich inzwischen ganz unbescheiden «das grösste Kunstmuseum der Welt». Visipix enthält zum einen rund 33’000 Abbildungen von Gemälden und Kunstgegenständen, darunter auch Van Goghs, Goyas und Rembrandts, und zum anderen sind auf der Site etwa 66’000 Fotos zu finden. Unter dem Schlagwort «Let us publish your pictures» deckt sie ein breites Spektrum an Bildern ab und zeigt Fotos aus allen Lebenslagen. Es fehlen, wie bei anderen Diensten, tagesaktuelle Bilder, d.h. News-Fotos. Visipix, meint Keller, sei eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, ein tolles Internetportal aufzubauen – und ist darüber hinaus der Idee der Gemeinschaft verpflichtet: «Visipix.com sammelt, editiert, indexiert und publiziert Fotos und Kunstwerke unseres kulturellen Erbes. In Druckqualität und kostenlos.»

Im Vergleich zu dem Bildbestand kommerzieller Agenturen ist die Auswahl bei den freien Bilddatenbanken bescheiden. Getty Images hat rund 45 Millionen Fotos im Portfolio, Corbis, Bill Gates’ Agentur besitzt etwa siebzig Millionen «Assets». Die Zahl der Bilder bei den kostenlosen Agenturen bewegt sich dagegen im Bereich der Zehn- oder Hunderttausende. Die ungarische Website Stock.xchng ist seit Februar 2001 online und hat in dieser Zeit einen Bestand von 126900 Digitalfotos aufgebaut. Etwa 200’000 User benützen den Bildbestand. Die Site Pixelquelle.de hat rund 23’000 Bilder im Angebot und bei Openphoto.net sind es 2200 Aufnahmen, bei ­Image­after.­com 10200 Stück und 60’000 bei Morguefile.com.

Jekami liefert gute Qualität

Und die Chancen stehen gut, dass das Potenzial längst nicht ausgeschöpft ist. Internet-Projekte, die zum Massenphänomen werden, nehmen ungeahnte Dimensionen an. Das lässt sich gut an Wikipedia beobachten: Auch bei der freien Enzyklopädie sind die Nutzer auch gleichzeitig die Produzenten, indem jedermann Lexikonbeiträge verfassen darf. Wikipedia enthält inzwischen rund 225’000 Beiträge und kann damit jeder anderen Enzyklopädie Paroli bieten. Und auch die Qualität der Beiträge ist durchs Band weg gut; falsche oder einseitige Beiträge werden in aller Regel schnell gelöscht oder berichtigt.

Auch bei den Bilddatenbanken ist die Qualität besser, als man es von einem Jekami-Projekt erwarten dürfte. Die Palette der Bilder ist breit und fotografisch sind die meisten Aufnahmen über allfällige Zweifel erhaben. Zu allgemeinen Themen findet man bei Stock.xchng eine bestens dotierte Auswahl: Musikinstrumente, Nahrungsmittel, Architektur, Gegenstände des Alltags, Menschen, Blumen, Tiere – die typischen Symbolbilder der professionellen Anbieter sind auch hier vertreten. Im Bereich der Informationselektronik herrscht ein wirklich reichhaltiges Angebot: Von Chips über USB-Kabel, Mäuse, Tastaturen, Bildschirme, Serverfarmen, verfremdete Screenshots, PDAs, Gamepads, Festplatten und Disketten bis zu PC-Arbeiter, Laptoptrager und Spielkonsolenspieler findet man gängige Motive, die man zum Illustrieren von allerlei Computerthemen verwenden kann.

Dünn wird die Auswahl bei Stock.xchng, wenn man spezifischer sucht – Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gibt es keine; unter «George W. Bush» findet man gerade ein Bild des amerikanischen Präsidenten: Einen abfotografierten Fernsehschirm nämlich. Das Bundeshaus in Bern ist ebensowenig vertreten wie die Kapellbrücke von Luzern oder das Grossmünster von Zürich. Immerhin findet man den Rheinfall und das Matterhorn – Letzteres sogar in einer wunderschönen Luftaufnahme.

Da jedermann Bilder einschicken kann, variieren die technischen Merkmale der Bilder naturgemäss. Komprimierung und Auflösung sind unterschiedlich; bei unserem Test haben wir die Bilder aber immer in akzeptabler technischer Güte vorgefunden – d.h. eine Auflösung von mindestens 800 auf 1200 Pixel und eine nicht allzu starke Komprimierung. Stock.xchng erlaubt übrigens auch die Suche nach der Kamera. Auf diesem Weg lassen sich auch Beispielbilder für ein bestimmtes Modell finden. Und es ist möglich, online die Exif-Informationen der Bilder auszulesen, sodass man auch gleich über die Aufnahmeparameter eines Bildes informiert ist. Die Suchfunktionen sind bei Stock.xchng am besten. Visipix hat ein Manko, indem die Bilder kaum verschlagwortet sind. Sucht man beispielsweise nach «Bern», findet man Aufnahmen von Wien und der Chinesischen Mauer – und zwar, weil der Fotograf ein Berner war.

Suche nach Farben

Die Suchfunktion kann dagegen durchaus ein Grund sein, sich für eine kommerzielle Bilddatenbank zu entscheiden. Beim Schweizer Anbieter Imagepoint.ch gibt es die Farbsuche: Diese erlaubt es, bei der Suche einen Farbton zu bestimmen, und liefert Treffer, in denen der gewählte Ton dominiert. Wer ein Farbkonzept zu realisieren hat, spart sich mit der Farbsuche ein langwieriges Browsen durch die Archive – und das ist das Geld für den Kauf schnell wert. Auch Kursiv.ch ist empfehlenswerte Alternative zu den Tauschplattformen: Die Metasuche erlaubt, die Bestände mehrerer Anbieter (insbesondere auch solcher mit europäischen Inhalten) gleichzeitig zu durchforsten.

Auch Pixelquelle und Visipix haben zu historischen oder aktuellen Anlässen wenig bis nichts zu bieten – wer «George W. Bush» abbilden will, kommt um die kostenpflichtige Bildagentur nicht herum. Pixelquelle hat immerhin einige historische Spezialitäten im Angebot: nämlich eine Reihe von DDR-Reliquien, darunter Bilder von DDR-Mark, eines Reisepasses und eines Führerscheins aus dem ehemaligen Ostdeutschland.

Für Leute ohne Bilderbudget

Der Bildertausch in der Community macht Sinn. Nicht unbedingt für Zeitungsredaktionen, Magazine, PR-Abteilungen grosser Unternehmen oder Werbeagenturen: Sie können es sich leisten, bei Getty, Corbis oder Digitalstock einzukaufen oder selbst Fotoaufträge zu erteilen. Wer seine Websites und Publikationen mit der kleineren Kelle anrühren muss, verfügt in den seltensten Fällen über ein Bilderbudget. Auch Schulen oder Studenten, Betreuer privater oder nicht gewinn­orientierter Publikationen oder Vereine haben meist kein Geld für den Bilderkauf zur Verfügung. Da bleibt die Möglichkeit, auf Bilder zu verzichten, PR-Bilder einzusetzen oder Bilder aus dem Internet zu klauen. Es liegt auf der Hand, dass keine dieser drei Varianten befriedigend ist.

Bei den freien Bilddatenbanken hingegen darf man sich bedienen und die Bilder wie erwähnt (in den meisten Fällen) auch kommerziell nutzen. Es ist somit erlaubt, mit den freien Fotos Artikel in Zeitschriften zu illustrieren, sie für Inserate und Anzeigen zu verwenden, die Bilder zu verfremden und zum Beispiel für Kompositionen in Photoshop einzusetzen oder sonstwie damit zu arbeiten. Die meisten Bilddatenbanken stellen keine Bedingungen bezüglich Uploads, sodass man Bilder abgreifen darf, auch wenn man selbst kein einziges übermittelt hat.

Loslassen können

Es macht aber Sinn, nicht bloss Bilder herunterzuladen, sondern als Nutzer auch einige Fotos beizusteuern. Wenn alle nur nehmen und keiner gibt, wird die Community nicht funktionieren. Ein zweiter, mindestens ebenso wichtiger Grund ist das Publikum. Der Fotograf erhält zwar kein Geld, aber immerhin die Gelegenheit, seine Werke Leuten zu zeigen, die sie auf anderem Weg nie zu Gesicht bekämen. Wer loszulassen vermag und seine Bilder der Community überantwortet, macht sie breiter zugänglich, als es auf irgendeine andere Weise möglich wäre. Statt auf der Festplatte zu schlummern, entwickeln die Bilder ein Eigenleben und erhalten die Chance, gefunden, veröffentlicht und betrachtet zu werden. In die Freiheit entlassene Bilder finden auf der ganzen Welt ihr Publikum. Internet-Bilder-Communities sind nützlich und eine wahre Fundgrube für neugierige Bildermenschen – und als globales, «überpersönliches» Fotoalbum auch eine faszinierende Angelegenheit.

«Working in red room» von Basti Schaeffer bei Stock.xchng.

«In the air again» von Eric Richter bei Stock.xchng.

«Min Honey» von Dennis Brandt bei Pixelquelle.de.

«BMX 5» von Thomas Devard bei Stock.xchng.

«Alligator in Everglades, Florida» von Nikita Golovanov bei Stock.xchng.

Quelle: Publisher, Montag, 25. April 2005

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Thema: Fokus
Nr: 6374
Ausgabe: 05-3
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