Software-gestütztes Denken

Mindmapping-Software Sie sind Geburtshelfer für Ideen und Grafikwerkzeug für Planung und Projektierung. Mind-Manager, Know-ledge-Map und Free-Mind fassen komplexe Zusammenhänge in gefällige Grafiken und wollen Papier und Bleistift Konkurrenz machen.

Matthias Schüssler*

Das Einsatzgebiet von Mind-mapping-Programmen ist die Planung. Sie treten an, einem Team oder einzelnen Anwendern zu helfen, Ideen zu entwickeln und Projekte anzuschieben. Salopp könnte man auch von «CAT»-Programmen (Computer Aided Thinking) sprechen. Denn der Anspruch von Mindmapping-Programmen ist es, dem Anwender beim Denken zu helfen. Oberfläche und Funktionsweise dieser Anwendungen schränken den Benutzer aber eher ein, im Unterschied zu Bleistift und Papier. Ihre Stärken spielen die Programme erst bei denjenigen Funktionen aus, die über reines Mindmapping hinaus gehen.

Die Technik des Mindmappings wurde Anfang der siebziger Jahre vom englischen Psychologen Tony Buzan entwickelt. Ausgehend von einem zentralen Begriff, der in der Mitte des Blattes aufgezeichnet wird, fügt man rund um den Ausgangspunkt weitere Aspekte hinzu. Da Linien anzeigen, in welcher Beziehung die einzelnen Begriffe untereinander stehen, werden die Früchte dieses freien Assoziierens in geordnete Bahnen gelenkt. Als Stärke der Mindmaps gilt, dass nicht nur die linke, analytische Hirnhälfte am Prozess beteiligt ist. Das Aufzeichnen regt die rechte Hirnhälfte an. Im Idealfall führt die grafische Darstellung dazu, dass aus vagen Ideen konkrete Projekte werden.

Abstraktes, gefällig

Verrichtet man seine Denkarbeit mit Unterstützung eines Mindmapping-Programms, kann man seine Entwürfe jederzeit revidieren. Während Mindmaps auf Papier mitunter chaotisch und skizzenhaft wirken, besticht die digitale Variante durch ihre Optik. Bei der Erarbeitung steht die ganze Werkzeugpalette eines Grafikprogramms zur Verfügung. Die resultierenden Illustrationen machen sich gut in Geschäftsdokumentationen oder Präsentationen. Exportiert man Mindmaps fürs Internet, bieten die Grafiken auch interaktive Möglichkeiten. Sie verlinken beispielsweise zu weiteren Websites oder erlauben es, Äste per Klick ein- und auszublenden.

Die Software Knowledge-Map des deutschen Entwicklers Ingo Straub liegt neu in Version 2005 vor. Straub will mit seiner Software nicht nur Mindmaps abdecken, sondern ein ausgewachsenes Wissensmanagementsystem bieten. Für letzteres enthält die Software einen integrierten Webserver, mit der sich ad-hoc ein einfaches Intranet aufbauen lässt. Der Webserver macht die Dokumente des angegebenen Verzeichnisses über eine dynamisch generierte, als Mindmap aufgebaute Navigation zugänglich. Beim Start führt der Server eine Textanalyse durch, sodass sich anschliessend Dokumente per Volltextsuche finden lassen. Aber nicht nur das: Mit Hilfe berechneter Korrelationen zeigt der Server zu jedem Thema ähnliche Dokumente an – natürlich wiederum in der Form einer Mindmap. Analysiert werden Dateien im HTML- (Hypertext Markup Language), RTF- (Rich Text Format), Word- und PDF-Format.

Über den Knowledge-Map-Webserver erschliesst sich der eigene Dokumentenbestand auf ungewohnte Weise. Statt über eine hierarchische, von Hand gepflegte Dateiablage findet man seine Dokumente mit Hilfe der vom Programm automatisch erstellten Querverbindungen. Das ermöglicht ein amüsantes und mitunter verblüffendes Surfen über die eigene Festplatte. Oft erkennt Knowledge-Map die Zusammenhänge zielsicher, manchmal liegt das Programm aber auch völlig daneben. Auf alle Fälle ist Ingo Straub ein spannender Ansatz gelungen: Mit dem Wissensmanagement braucht man sich beim Zugriff auf den eigenen Datenbestand nicht um Dateinamen, Ordner und Speicherorte zu kümmern. Stattdessen kann man sich auf die eigentlichen Informationen konzentrieren. Ein solcher Ansatz könnte, als Alternative zum Windows-Explorer, zu einer anderen Art der Dateiverwaltung führen. Eine, die weniger davon bestimmt ist, wie Festplatten Dateien speichern, sondern mehr den menschlichen Bedürfnissen entspricht. Unternehmen, deren Intranet zur Unordnung neigt, könnten in Knowledge-Map-Server ein zweckmässigeres Organisationsmittel finden.

Was die eigentlichen Mindmap-Funktionen anbelangt, eignet sich Knowledge-Map 2005 dank eines günstigen Preises auch für Gelegenheitsanwender. Bezüglich des Funktionsumfanges muss sich Knowledge-Map nicht verstecken, auch wenn Platzhirsch Mind-Manager mit Abstand das dickste Softwarepaket bietet. Die Bedienung von Knowledge-Map ist gewöhnungsbedürftig, sodass man nicht darum herum kommt, zumindest die kurze Einführung aus der Hilfedatei zu lesen. Einige der Charakteristiken der Bedienung sind am Anfang eher hinderlich: Beispielsweise lassen sich Stichpunkte nicht frei per Maus platzieren: Verschiebt man einen Stichpunkt, rutschen alle anderen nach. Das liegt daran, dass Knowledge-Map die Abstände immer gleichmässig verteilt. Hat man sich mit diesem Umstand abgefunden, dann schätzt man, dass Knowledge-Map selbsttätig für eine akkurate Anordnung sorgt. Flexibilität zeigt das Produkt in anderen Bereichen: Die Vorgaben bezüglich Anordnung und grafischer Look gelten nicht für die ganze Map, sondern können für einen einzelnen Knoten und dessen Unterpunkte vergeben werden.

An Mind-Manager messen

Jedes Mindmapping-Programm muss es sich gefallen lassen, an Mind-Manager aus dem Hause Mindjet gemessen zu werden. Und der Mind-Manager legt die Latte hoch: Er fügt sich harmonisch in die Softwarepalette eines typischen Bürorechners ein und arbeitet bestens mit Microsoft Office zusammen. Eine Fülle von Mustervorlagen macht es leicht, für ein neues Projekt den passenden Einstieg zu finden. Die rund zwanzig mitgelieferten Stilvorlagen erlauben es, einer Map per Mausklick einen neuen Look zu verpassen. Die Stilvorgaben könnten durchaus abwechslungsreicher gestaltet sein; aber es steht dem Benützer frei, einen Look nach seinem Gusto zu entwerfen. Praktisch ist der Brainstorming-Modus, der es erlaubt, Ideen erst zu sammeln, bevor man sie gliedert.

Free-Mind ist gewissermassen der Exot unter den Mindmap-Programmen. Die Software ist Open-Source und läuft als Java-Applet plattform-unabhängig. Als Betaversion vermag es mit den beiden alt gedienten Konkurrenten bislang noch nicht mitzuhalten. Der Funktionsumfang ist viel versprechend und das Free-Mind-Browser-Applet funktioniert bereits bestens. Es gestattet es, Mindmaps als interaktive Java-Programme in Webseiten einzubauen: Wenns darum geht, Informationen hauptsächlich per Web zu präsentieren, ist Free-Mind somit schon jetzt eine gute Wahl.

Am leichtesten ohne Maus

In der Bedienung gibt Gemeinsamkeiten bei allen drei Programmen: Per Druck auf die Taste Einfügen ergänzt man die Mindmap um einen Stichpunkt respektive Ast. Um einen Unterpunkt hinzuzufügen, betätigt man die Umschalttaste und «Einfügen». Allerdings – und das ist der grosse Nachteil von digitalem Mindmapping – die Benutzerfreundlichkeit von Papier und Bleistift bleibt ungeschlagen. Wenn man seine Software nicht aus dem FF beherrscht, kommt der Fluss der Ideen immer wieder ins Stocken.

Die herkömmlichen Benutzeroberflächen haben ihre Defizite; das zeigt sich gerade beim Thema Mindmapping. Muss sich der Anwender mit dem Programm und seiner Funktionsweise beschäftigen, kann er sich nicht auf das eigentliche Projekt konzentrieren. Der Stiftmodus von Mind-Manager ist ein erster Schritt zu einer natürlichen Bedienung. Doch bis wir so leichthändig wie mit Bleistift und Papier digitale Mindmaps zeichnen, müssen Tablet-PC und Stiftsteuerung noch einen gewaltigen Entwicklungssprung hinlegen.

Produkt: Knowledge-Map 2005

Hersteller: Inforapid

Vorteile: Wissensmanagementsystem, gutes Preis-Leistungsverhältnis, gute Funktionen für den Webexport, Stilvorgaben nicht nur für die Map, sondern auch für Themenpunkte.

Nachteile: Bedienung ist teilweise gewöhnungsbedürftig, schlechte Office-Integration.

Preis: 99 Franken

Info/http://www.inforapid.de

Produkt: Mind-Manager X5

Hersteller: Mindjet

Vorteile: Grosser Funktionsumfang, grosse Auswahl an Cliparts und Vorlagen, gelungene Einbindung in Microsoft Office, Version für den Pocket PC.

Nachteile: Teuer, Export als Vektorgrafik nur im WMF-/EMF-Format (Windows/Enhanced Metafile) möglich.

Preis: ab 322 Franken

Info/http://www.tradeup.ch

Produkt: Free-Mind

Hersteller: Daniel Polansky

Vorteile: Kostenloses Open-Source-Programm, plattformunabhängig, da in Java geschrieben, Mindmaps lassen sich für die Einbindung in Web-seiten als interaktive Java-Applets exportieren.

Nachteile: Eignet sich nur für geübte Anwender, noch im Entwicklungsstadium (Betaversion).

Preis: kostenlos (Open Source)

Info/http://freemind.sourceforge.net

In diesem Beitrag:

– Wie sich Mindmapping-Software im Verleich mit Papier und Bleistift behauptet

– Welche zusätzlichen Funktionen die getesteten Anwendungen bieten

– Worin sich die drei Programme unterscheiden

Visualisierungshilfen: Mind-Manager analysiert ein Word Dokument, während Knowledge-Map die Festplatte als Mindmap zugänglich macht.

Quelle: Computerworld, Freitag, 21. Januar 2005

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Thema: Software-Test
Nr: 5886
Ausgabe: 05-3
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