Gemeinsam spielen in der globalen Arena

Seit wenigen Tagen kann man mit Microsofts Konsole auch in der Schweiz übers Web spielen. Der Xbox-Chef zu Möglichkeiten und Gefahren.

Mit Cameron Ferroni* sprach Matthias Schüssler

Nutzer von Xbox live (siehe Kasten rechts) verbringen im Schnitt zweieinhalb Stunden pro Tag im Netz – das ist nur etwas für Freaks!

Es gibt die Hardcore-Gamer, die Freaks. Sie wetteifern mit anderen, sie wollen den höchsten Spielstand erzielen. Dann gibt es die Leute, die gern gegen ihre Freunde spielen. Es ist ein Wettkampf, aber nicht allzu ernsthaft. Ich bin solo ein Hardcore-Gamer, aber wenn ich online gehe, dann wegen der Gesellschaft meiner Freunde. Bei einer dritten Kategorie ist die Geselligkeit wichtig, das Spielen rückt in den Hintergrund. Jemand aus dieser Gruppe geht nicht online, weil er spielen will, sondern um sich mit alten Freunden vom College zu unterhalten.

Gegen Hardcore-Gamer habe ich als Gelegenheitsspieler nicht den Hauch einer Chance. Ich bin von vornherein der Loser.

Deshalb können Sie gegen Ihre Freunde spielen und den sozialen Aspekt pflegen. In unserer Variante von «Tetris» gibt es auch den «Lounge mode»: Hier spielt jeder Spieler sein eigenes Spiel, während man sich gemeinsam unterhält.

Onlinespielen ist eine Männerdomäne, 85 Prozent der Spieler sind Männer. Ist es da nicht ziemlich langweilig in der Lounge?

Titel wie das Snowboardspiel «Amped 2» bringen Frauen und Mädchen auf den Geschmack. Dieses Spiel ist nicht auf Wettkampf ausgelegt. Man kann online gehen und in Gruppen von bis zu acht Leuten locker die Hänge hinunterrauschen.

Wird das Internet neue Spieltypen schaffen, neue Genres? Oder werden einfach bestehende Titel um Internetfunktionen erweitert?

Das Internet hat das Potenzial, neue Genres zu schaffen. Beispielsweise ein Hockeyspiel: Wenn man das revolutionieren will, dann fügt man Spielsaisons und Turniere hinzu und veranstaltet Meisterschaften. Das ist einfach eine total neue Art, Hockey zu spielen. In «Top Spin», unserem Tennisspiel, haben Sie die Möglichkeit, einen eigenen Charakter zu entwerfen. Und es gibt Tenniscracks: Martina Hingis ist im Spiel, ebenso Anna Kournikowa.

Wie viel hat Martina Hingis für ihren Auftritt bekommen?

Das weiss ich nicht.

Was denken Sie von Kampf-Games? Sie spielen mit Ihren Freunden: Ist es nicht eine seltsame Freizeitbeschäftigung, seine Freunde niederzumetzeln?

Ja … es ist etwas seltsam. Aber schauen Sie sich das Paintball-Phänomen an. Ich weiss nicht, ob das in Europa ein Thema war. Als ich aufgewachsen bin, haben wir uns mit diesen Farbpatronen beschossen. Es ist Cartoon, das ist mein Eindruck.

Aber der Unterschied ist die realistische Grafik.

Ist es realistischer oder weniger realistisch als ein Film heute?

Die Spielindustrie macht gern diesen Verweis, weil es offensichtlich sehr realistische Filme gibt, die auch gewalttätig sind.

Der wichtigste Punkt in dieser Streitfrage ist die Wahlfreiheit. Persönlich schaue ich mir keine Horror- oder Kriegsfilme an. Ich ziehe romantische Liebeskomödien vor und Streifen wie «American Pie». Bei den Spielen gibt es Hunderte von Titeln, darunter auch Dinge wie die Jagdsimulation «Deer Hunter». Das ist die Spannweite der Vorlieben in der Bevölkerung.

Einverstanden. Dennoch müssen Sie eine klare Haltung haben: Wenn Sie alles machen, was die Konsumenten wünschen, ist die Skala der Grausamkeiten nach oben offen.

Wir verlassen uns auf die Altersfreigaben und auf die Empfehlungen einer Kontrollinstanz, dem Entertainment Software Rating Board. Es gibt einen Grund, weshalb wir unsere Spiele einem Ratingsystem unterwerfen. Ich ermutige Eltern, dem kleinen Label auf der Packung Beachtung zu schenken.

Wie schützt man die Kinder online?

Als erstes braucht es für die Anmeldung den bewussten Entscheid eines Erwachsenen, den Kindern zu erlauben, online zu gehen. Nachher gibt es für die Eltern verschiedene Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen: Sie können etwa die Sprechverbindung abschalten, wenn sie nicht wollen, dass ihre Kinder sich online unterhalten.

Wie verhindern Sie Belästigungen beim gemeinsamen Spiel?

Wenn Sie mit jemandem nicht sprechen wollen, dann schalten Sie diese Person stumm. Auffällige Benutzer können wir vom Dienst verbannen. Sie können nicht unter anderem Namen zurückkommen.

Wie häufig ist das vorgekommen?

Es ist ungefähr eine Person aus Tausend, die sich wie ein Trottel aufführt.

Vor kurzem hat Microsoft die Chats auf seiner Website MSN abgeschaltet. Weil Kontrolle nicht möglich sei. Was ist der Unterschied zum Chat bei Xbox live?

Wenn man das Abo abschliesst, dann tut man das, weil man zu der Onlinegemeinschaft gehören will. Es ist nicht wie beim Chatraum, in den man zufälligerweise hineingerät. Wenn jemand zwei Stunden vor der angesagtesten Bar der Stadt in der Schlange wartet, dann ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass er im Lokal Dinge tut, für die er rausgeschmissen werden kann.

Kann die Xbox auch mit dem PC kommunizieren? Oder anderen Geräten?

Wir haben Pläne dazu. Mit dem Music Mixer wird man Fotos und Musik vom PC auf die Xbox kopieren können. Das ist interessant, weil die Xbox das bessere System ist, um Musik zu hören oder Bilder am grossen Bildschirm anzuschauen. Auch wird der Xbox-User Einladungen zum Gamen an PDAs oder PCs schicken können.

Was ist Ihr Lieblingsspiel?

Das ist eine Openendfrage … Auf die einsame Insel würde ich wohl «Robotron» mitnehmen. In der letzten Zeit habe ich viel Zeit mit «Knights of the Old Republic» verbracht. Das ich in 35 Stunden zu Ende gespielt habe.

* Cameron Ferroni ist General Manager bei Microsoft für die Xbox-Plattform.

BILD MICROSOFT

Ferroni spielt gern mit Freunden.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 10. November 2003

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Thema: Interview
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