swissinfo DVD mit 3-D-Grafik in Echtzeit

Wie im Flug aus flachen Bildern Bergketten werden

Das neueste Modul der swissinfo DVD, «Birdflight», leistet aufwändige Renderingarbeit, um aus Bilddaten der Schweiz «on the fly» eine 3-D-Landschaft zu rechnen.Telefon-CD-ROMs sind längst darüber hinausgewachsen, ein simples Telefonnummernverzeichnis zur praktischen Recherche am Bildschirm zu sein. Die Scheiben mutierten in den letzten Jahren zur multifunktionalen Informationssammlung, die einen gefundenen Telefonanschluss gleich in einer Karte einträgt und per Routenplaner den optimalen Anfahrtsweg zu dieser Adresse ermittelt: Die Macher der Telefon-CD-ROMs dürfen sich nicht damit begnügen, auf neue Versionen der Nummernscheiben einfach die aktuellsten Daten der «weissen Seiten» zu packen.

Das Geschäft mit den Telefon-CDs ist lukrativ; regelmässig werden die Verkaufshitparaden der Softwaretitel von einem Vertreter dieses Genres angeführt. Die «Handelszeitung» schätzt den Markt auf 16 Millionen Franken. Entsprechend hart umkämpft ist die Kundschaft und gross der Druck, die Scheiben stets mit neuen Funktionen auszustatten: Der letzte Trend geht hin zu multimedialen Features.

Zwei Anbieter

In der Schweiz teilen sich zwei Anbieter den Kuchen. Marktführer ist Twixtel mit etwa 65 Prozent. Die restlichen 35 Prozent gehen an die swisscom directories AG mit den zwei Produkten telinfo und swissinfo DVD. Letzteres bietet dank der gegenüber der CD-ROM um ein Vielfaches höheren Speicherkapazität des DVD-Mediums eine Vielzahl zusätzlicher Informationen und Daten. Eines der Highlights dabei: Der Atlas auf der swissinfo DVD enthält hochauflösende Flugaufnahmen, so genannte Orthofotos. Diese Technik stammt aus der Luftbildkartografie. Dabei erstellen die Vermesser aus dem Flugzeug möglichst senkrechte Aufnahmen.

Erst flach…

Diese Bilder werden in einer aufwändigen Nachbearbeitung digitalisiert und entzerrt (die Originalaufnahme ist nur im Mittelpunkt massstabgetreu). Die einzelnen Aufnahmen werden aneinander gereiht, sodass die Schweiz mit wenigen Lücken abgebildet werden kann. Dieser Vorgang ist anspruchsvolle Bildbearbeitung: So muss für die farbliche Übereinstimmung zwischen den ver­schiedenen Aufnahmen gesorgt werden; ausserdem haben Grafiker die Aufgabe, unerwünschte «Bild­störungen» wie Wolken aus den Bildern zu entfernen. Diese Orthofotos erfreuen sich nicht nur als Hintergrundbilder für den Routenplaner grosser Beliebtheit, sondern z.B. auch im CD-ROM-Produkt des Bundesamts für Landestopographie, den «Swiss-Maps» oder auch als gedruckte Landkarten.

… dann wieder reliefartig

Damit nicht genug: Als das Bundesamt für Statistik für die Schweiz ein Höhenmodell verfügbar machte, kamen die Entwickler der swissinfo DVD auf die Idee, die Bilder mit den Höhenangaben zu kombinieren und daraus eine fotorealistische 3-D-Ansicht zu generieren. Das Orthofoto wird dabei gewissermassen auf das aus den Höhenangaben gewonnene Relief projiziert. «Diese Ansicht wirkt präziser, als sie eigentlich ist», kommentiert Werner Bättig, dessen Firma Optobyte die swissinfo DVD für die swisscom directories produziert: Obwohl relativ wenig Höhenpunkte zur Verfügung stehen würden, entstehe auf diese Weise eine verblüffend realistische Ansicht der Landschaft.

Berechnungen für Überflieger

Mit einer statischen 3-D-Darstellung wollten sich die swissinfo-Macher jedoch nicht zufrieden geben. Für die neueste Version der DVD entwickelten sie das Modul «Birdflight», welches die Berechnung der 3-D-Ansicht in Echtzeit ermöglicht. Durch die On-the-Fly-Bereitstellung der Daten ist ein virtueller Flug über die Schweiz möglich: «Dieses Feature ist sexy, der Flug macht einfach Spass», findet Werner Bättig.

Das Birdflight-Modul programmiert hat der ETH-Absolvent Matthias Müller, welcher auch an der Entwicklung des Optobyte-Megasellers «Stöck Wyys Stich» beteiligt war (die Jass-CD war 1996 das meistverkaufte PC-Game der Schweiz). Müller forscht inzwischen am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) zum Thema Computergrafik und kennt sich mit der Materie entsprechend gut aus (siehe Interview).

Auch mit solch kompetenten Mitstreitern handelt es sich bei der swissinfo DVD um ein Projekt der grösseren Sorte. Besonders anspruchsvoll erweist sich der Umstand, dass beim elektronischen Telefonbuch Daten unterschiedlicher Herkunft kombiniert werden müssen: Das Nummernverzeichnis der Swisscom, die geografischen Daten für den Routenplaner der niederländischen Firma Navigation Technologies, das Höhenmodell des Bundesamts für Statistik und schliesslich die Orthofotos der Endoxon AG. Werner Bättig will sich zwar nicht so weit auf die Äste hinauswagen, dass er auf die Frage, wieviele Mannstunden in «Birdflight» stecken, mit einer Zahl antworten würde: «Es sind sicher einige Monate.»

Was gibt es bei einem Multimedia-Projekt dieser Grössenordnung zu beachten? Bättig nennt als grösste Schwierigkeit, dass sich viele Faktoren schlecht abschätzen liessen: «Man hat sehr schnell das Grundgerüst erarbeitet, doch die Probleme ergeben sich im Kleinen.» Ausserdem sei der Führungsalltag schwierig, wenn die Leute nicht vor Ort arbeiten. «Die Schwierigkeit des Projektleiters ist, abzuschätzen, wie gut die über den Globus verteilten Entwickler mit ihren Teilprojekten vorwärtskommen», sagt Bättig.

Trotz allen Unwägbarkeiten: swissinfo DVD ist auf guten Wegen, sodass der virtuelle Alpenflug demnächst an jedem einigermassen schnellen Heim-PC möglich sein wird.

Links zum Thema:
Optobyte
Bundesamt für Statistik (Höhenmodell)
Endoxon (Orthofotos)
Matthias Müller