Das Napster- Prinzip

Von Matthias Schüssler

Letzten Montag hat das US-Berufungsgericht ein Urteil über Napster gesprochen. Es gehe nicht an, befanden die drei Bundesrichter, dass mit der Musik-Tauschbörse unbeschränkt Musiktitel verbreitet werden. Konkret sollen Napster-Benützer gehindert werden, weiterhin gratis urheberrechtlich geschütztes Material zu erhalten und zu versenden.

Eine schwer umzusetzende Auflage: Mindestens zwanzig Millionen Musikstücke müssen tagtäglich auf ihre Tauschbarkeit überprüft werden. Und selbst wenn es dem Betreiber von Napster gelingt, ein derart leistungsfähiges Filtersystem zu etablieren, sind die Tage des Musik-Schlaraffenlandes gezählt: Napster ist mit der Bertelsmann eCommerce Group eine strategische Allianz eingegangen. Ab dem Sommer kostet Napster Geld, nämlich eine Abogebühr von 4.95 US-$ pro Monat.

Allein: Während für Napster das Totenglöckchen bimmelt, erobert das Napster-Prinzip das Internet. Im Netz mangelt es nicht an «Inkarnationen» des «Peer-to-Peer»-Systems (siehe auch den Tipp der Woche). Die vielversprechendsten Napster-Abkömmlinge bieten den Gegnern des freien Tauschens kaum mehr eine Angriffsfläche. Anders als Napster benötigt etwa Gnutella keinen zentralen Server. Um seinen eigenen Rechner ins Kollektiv zu integrieren, muss lediglich die IP-Adresse eines anderen, momentan im Gnutella-Netz eingebundenen Benutzer-PCs bekannt sein. Suchanfragen werden wie bei einem Stafettenlauf von einem Computer zum nächsten gegeben und laufen nicht über einen zentralen Server. Somit gibt es auch keinen Serverbetreiber, der vor Gericht gebracht oder zum Ausfiltern von copyrightgeschützten Inhalten gezwungen werden könnte.

Das Napster-Prinzip hat seine enorme Durchschlagskraft bewiesen: Als der US-Verband der Musikverleger, die RIAA (Recording Industry Association of America), Napster am 7. Dezember 1999 verklagte, nützten rund 70 000 Leute den Dienst. Ende 2000 belief sich die Zahl der Napster-Fans auf 55 Millionen. Die RIAA und die Interessenvertreter anderer Produzenten tauschbarer Güter werden nicht umhinkommen, die Existenz dieser weltweiten Tauschgemeinschaften zu akzeptieren; Gemeinschaften, die zum grössten Teil aus Musikbegeisterten bestehen und nicht aus habgierigen Schwarzkopierern. All diese Musikfans dazu zu bewegen, für ihr Hobby ein Scherflein zu entrichten, wird nicht einfach sein. Aber unmöglich ist es nicht.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 19. Februar 2001

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Nr: 3612
Ausgabe: 01-219
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