Volkssport CD-Brennen

Heimgefertigte CD-ROMs sind enorm im Trend. Von Musik über Bilder und Software wird alles auf die Goldscheiben gebrannt.

Von Matthias Schüssler

Noch gehört ein CD-Writer nicht zur Grundausstattung eines Standard-PC. Highend-Rechner andererseits sind häufig schon von Fabrik aus mit einem Laufwerk ausgestattet, das Compact Discs nicht nur lesen, sondern auch beschreiben kann. Und wer sich zum Aufrüsten des Computers mit einem Brenner entschliesst, findet in den Fachgeschäften eine grosse Auswahl. Dank grosser Stückzahlen kosten diese Geräte längst nicht mehr alle Welt.

CDs brennen: Ein Kinderspiel

Diese sind aber nicht der einzige Grund für den Boom. In der Anfangsphase war die Installation des Brenners und die erfolgreiche Bespielung eines Rohlings mit Daten eine Wissenschaft für sich. Das hat sich geändert. Längst gibt es CD-Writer, die sich an die in jedem PC vorhandene EIDE-Schnittstelle anschliessen lassen. Brennpioniere hatten noch eine SCSI-Karte benötigt – eine teure Erweiterungskarte, die nur im Profibereich ihre Berechtigung hat. Einige Brenner-Modelle lassen sich extern an die USB-Schnittstelle oder am Parallelport anschliessen. Damit entfällt der mitunter recht knifflige Einbau ins Computer-Innere, für den sich ein Laie in der Regel ausgiebig ins Handbuch vertiefen muss.

Nicht zuletzt ist auch die Software sehr viel bedienerfreundlicher geworden. Assistenten helfen dabei, im Dschungel der vielen Dateiformate den richtigen Disc-Typ zu finden; Expertenwissen ist nicht mehr erforderlich. Mit den schnellen Computern sind auch verunglückte Brennvorgänge inzwischen selten. Damit der Brand gelingt, muss der Brenner vom Computer kontinuierlich mit Daten versorgt werden. Reisst der Informationsstrom ab, weil der PC nicht nachkommt, ist der Rohling Ausschuss. Das war zur Anfangszeit des CD-Brennens besonders ärgerlich, weil die unbespielten Scheiben mit zehn oder zwanzig Franken zu Buche schlugen. Heute kosten die Rohlinge zwischen einem und vier Franken, und ein «buffer underrun» kommt kaum mehr vor. Die PC-Systeme haben genügend Leistungsreserven, die Daten in der benötigten Geschwindigkeit zu liefern.

Das Web, die Riesen-Jukebox

Wo ein Internetanschluss und die Liebe zur Musik zusammenkommen, ist ein CD-Brenner nicht weit: Das Internet begünstigt den Absatz von Hardware und Rohlingen, weil es massenweise Material für selbst gebrannte CDs liefert. Der musikalische Surfer holt sich seine Lieblingssongs im MP3-Format aus dem World Wide Web, stellt sich seine individuelle Hit-Compilation zusammen und brennt das Ganze auf CD. Eine solche selbst gemachte Musik-CD lässt sich wie eine normale Scheibe auf jeder Stereoanlage, auf dem Discman oder im Auto anhören.

Spezielle Programme wie Napster machen die Jagd nach Musik besonders leicht. Mit dieser Software können Musikliebhaber weltweit MP3-Dateien tauschen und fast jeden Musiktitel aufstöbern, der in den letzten vierzig Jahren in der Hitparade war. Für ein paar Rappen Telefongebühr und mehr oder weniger viel Geduld holt man sich alle gewünschten Stücke nach Hause, ohne sich auch nur in die Nähe eines Plattenladens zu begeben. Den würden die Computerkids allenfalls noch betreten, um sich das Booklet zu klauen, wenn sie sich das neueste Album von Britney Spears heruntergeladen hätten – denn schliesslich gebe es das Albumcover mit den sexy Fotos nicht mit Napster, so sinngemäss die Vertreter der Musikindustrie, welche zu Recht kritisieren, diese neuen Möglichkeiten förderten die «Pausenplatzpiraterie» (mehr dazu im «Monitor»).

Hat man die Songs erst einmal auf der Festplatte, dann lässt sich die eigene CD per Drag und Drop zusammenstiefeln: Die gängigen Brennprogramme bieten komfortable Unterstützung für Audio-CDs: Mit der Maus zieht man die Sounddateien auf den virtuellen Datenträger. Dort kann man nach Belieben die Reihenfolge ändern, Titel hinzufügen oder aus der Liste löschen. Gefällt einem die Zusammenstellung, startet ein Mausklick den Brennvorgang. Wers noch individueller haben will, der kann sich als DJ oder Remixer versuchen: Mit den richtigen Tools lassen sich Songs bearbeiten, an jeder gewünschten Stelle ein- oder ausblenden oder weitergehend verfremden. Meist sinnvoll bei Songs aus unterschiedlichen Quellen ist das «Normalisieren». Dies bedeutet, das unterschiedliche Pegel in der Aufzeichnung der verschiedenen Songs ausgeglichen werden. Dies verhindert Sprünge in der Lautstärke, sodass man beim Hören der CD nicht ständig am Lautstärkeregler drehen muss.

Musik-CDs in kürzester Zeit

Nicht nur aus MP3-Dateien lässt sich eine eigene CD brennen. Auch alte Vinylplatten, Kassetten oder gar Schellack-Raritäten können so ins neue Jahrhundert hinübergerettet werden. Dafür bietet die Software nützliche Tools: «De-Noiser» und «De-Scratcher» entfernen Rauschen, Knacken und andere analoge Störgeräusche aus den digitalisierten Aufnahmen. Wenn man Tracks von Musik-CDs auf eigene Scheiben übernehmen will, ist es noch einfacher. Man braucht nicht einmal eine gute Soundkarte für die Digitalisierung: Die digitalen Daten der Audio-CDs lassen sich mit einem CD-Ripper-Programm auslesen und in ein Windows- oder Macintosh-Audioformat überführen: Man legt die Audio-CD ins CD-ROM-Laufwerk des Computers, wählt die Songs, die «gerippt» werden sollen und überlässt dem Programm die Arbeit. Bei diesem Kopiervorgang ist ein Zeitgewinn gegenüber dem herkömmlichen Überspielen von Musik drin: Mit einem durchschnittlichen CD-ROM-Laufwerk ist ein Song von vier Minuten in etwa dreissig Sekunden ausgelesen. Und da die Brenner die Scheiben mit einem Vielfachen der Normalgeschwindigkeit beschreiben, sind die «Eigenbrände» innert kurzer Zeit gebrauchsbereit. Ein Zwölffach-Brenner braucht gerade noch sieben Minuten für eine randvolle CD.

Hansdampf in allen Gassen

Ebenso wie auf dem Pausenhof mausert sich die CD-R im professionellen Bereich zu einem Helfer in vielen Lebenslagen. Datensicherungen auf CD-R sind, zumindest bei überschaubaren Datenmengen, praktischer als Streamer-Backups.

Auch beim Datenaustausch laufen die handlichen Datenscheiben den herkömmlichen Wechselmedien wie Jazz-, Zip- oder magneto-optische Disks zunehmend den Rang ab: Statt eine solche Cartridge zu benützen, brennt man die auszutauschenden Daten lieber schnell auf eine CD: Man weicht so den vielen Inkompatibilitäten aus, die bei den Wechselmedien herrschen. Mit den richtigen Einstellungen im Brennprogramm kommen die Benutzer anderer Betriebssysteme ohne Probleme an die Daten. Und weil die CD-R ein Einweg-Datenträger ist, muss man nicht darum besorgt sein, dass sie den Weg nach Hause wiederfindet.

Die flachen Scheiben sind eine runde Sache: Beschreibbare CDs eröffnen ein ganzes Universum an Einsatzmöglichkeiten. ILLUSTRATION MATHIAS HOFSTETTER

Per Drag und Drop zur individuellen Hit-CD. SCREEN TA

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 15. Mai 2000

Rubrik und Tags:

Faksimile

Metadaten
Thema: Hauptgeschichte CD-Brennen
Nr: 468
Ausgabe: 00-515
Anzahl Subthemen: 0

Obsolete Datenfelder
Bilder: 2
Textlänge: 900
Ort:
Tabb: FALSCH