Digitaler Zombie

Der Internet Explorer ist nicht totzukriegen

Ein Update sollte Microsofts alten Browser zum Verschwinden bringen – doch oh Wunder: Ganz weg ist er noch immer nicht.

Matthias Schüssler

Während Jahren war er das Tor zum Internet: Der Internet Explorer.

Was haben Chuck Norris, Keith Richards und der Internet Explorer gemeinsam? Alle drei erweisen sich als unverwüstlich. Und sie alle sind das Objekt von Gags, viralen Memes und Witzen wie diesem: «Chuck Norris ist gestern gestorben. Doch heute geht es ihm schon wieder besser.»

Auch der Internet Explorer (IE) ist eigentlich tot und feiert trotzdem fröhliche Urständ. Und das, obwohl ihn alle seit mindestens acht Jahren aus der Welt haben wollen – auch sein Erfinder: Schon 2015 hat Microsoft angekündigt, dass der neue Edge Browser den Explorer ablösen soll. Im Sommer 2022 hat Microsoft den Lebenszyklus des IE für beendet erklärt und die weitere Unterstützung eingestellt.

Letzten Donnerstag hat Microsoft für Windows 10 ein Update veröffentlicht, das den Internet Explorer entfernen würde. Diverse Medien haben mit Nachrufen reagiert: Im «Stern» etwa gab es eine Art Grabrede zur fast dreissigjährigen Geschichte des Browsers zu lesen.

Und die ist eindrücklich: Angefangen hat Microsofts Browser 1995 als kostenpflichtiges Zusatzprogramm für Windows 95: Stattliche 79 Franken waren damals für das Paket Microsoft Plus 95 zu berappen, das den Browser enthielt. Doch schon mit Windows 98 hat Microsoft den Browser mit dem Betriebssystem verschmolzen und damit eine fatale Weichenstellung begangen: Die enge Verzahnung hat Windows anfällig für Schadsoftware aus dem Netz gemacht und massgeblich zum schlechten Ruf bezüglich Sicherheit beigetragen, den Microsoft erst mit Windows 7 langsam ablegen konnte.

Die Browser der ersten Stunde gab es im Laden zu kaufen: Das sind die beiden Rivalen der ersten Stunde, die im Mai 1998 in einem Apple-Laden in Sunnyvale, Kalifornien, zu erwerben waren.

Trotzdem wurde der Internet Explorer zum tonangebenden Surfprogramm. An den Versionen 4 bis 6 war kein Vorbeikommen. Obwohl Microsofts Browser die offiziellen, vom W3C-Gremium festgelegten Standards nur schlecht als recht und in manchen Belangen gar nicht umgesetzt hat, kamen die Betreiber nicht umhin, ihre Websites an den Internet Explorer anzupassen. 2003 hatte er geschätzte 95 Prozent Marktanteil. In den Jahren danach nahm dieser langsam, aber stetig ab.

2004 trat Firefox auf den Plan: Das war ein quelloffenes Programm, das Microsoft einige Prozentpunkte abnehmen konnte. Es basierte auf dem Code von Netscape, jenem legendären Browser, der dem Web in den 1990er-Jahren einen wesentlichen Schub verliehen hatte. Die Dominanz brechen konnte erst Google. 2008 hat der Suchmaschinenkonzern Chrome lanciert, der sich 2012 zur Nummer eins aufschwingen konnte.

Im Startmenü gibt es ihn nicht mehr – aber er ist noch da

Und eben, auch wenn die nun seit zehn Jahren andauernde Rückzugsphase jetzt am Ende angekommen scheint, ist sie es noch nicht ganz: Microsofts Update lässt zwar das IE-Icon aus dem Startmenü verschwinden. Doch der Browser ist noch immer vorhanden und ausführbar – so wie eine Art digitaler Wiedergänger. Selbst auf Windows 11 bekommt man ihn zu Gesicht, obwohl er bei dieser Version offiziell gar nie vorhanden war.

Und so funktioniert der Wiederbelebungstrick: Sie geben im Suchfeld «Internetoptionen» ein und klicken auf die Fundstelle. Es erscheint das alte Dialogfenster der Systemsteuerung, bei dem Sie zum Reiter «Programme» wechseln. Klicken Sie hier auf «Add-ons verwalten». Nun erscheint das Konfigurationsfenster des Internet Explorer, das in der linken unteren Ecke den Link «Weitere Informationen zu Symbolleisten und Erweiterungen» aufweist. Ein Klick darauf und voilà: Der Browser selbst taucht auf.

Der Internet Explorer lebt – dieser Website hier ist er aber kaum mehr gewachsen.

Rückstände des Internet Explorer stecken übrigens auch in Microsofts neuem Browser Edge: Er stellt den «Internet Explorer-Modus» zur Verfügung. Sie aktivieren diesen Modus über das Menü in der rechten oberen Ecke, indem Sie auf «Einstellungen» klicken, dann die Rubrik «Standardbrowser» wählen und hier bei «Internet Explorer-Kompatibilität» die Einstellung auf «Zulassen» ändern. Nun können Sie eine Website über das Menü und den Befehl «Im Internet Explorer-Modus neu laden» öffnen.

Es bleibt aber dabei: Auf der Höhe der Zeit ist der Internet Explorer nicht mehr. Viele Websites werden zwar ganz passabel angezeigt, doch einige – auch die dieser Redaktion – erscheinen kaum mehr leserlich.

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 21. Februar 2023

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