Werbe-Scam auf Schweizer Websites

Berset wurde nicht verhaftet – Anzeige mit Falschmeldung sorgt für Aufregung

Ein Bild von Alain Berset in Handschellen macht die Runde. Kein Einzelfall – über Google Ads taucht immer wieder irreführende Werbung auf. Wie kann das passieren?

Matthias Schüssler

Man braucht kein Forensiker zu sein, um das Foto als Fälschung zu erkennen.

«Tausende strömen nach Bersets Verhaftung zu den Geldautomaten»: Diese Falschnachricht war am Mittwochmorgen auf diversen Schweizer News-Websites zu lesen – auch auf solchen von Tamedia, zu der diese Publikation gehört. Es handelte sich nicht um redaktionelle Artikel, sondern um Werbebanner – was die Sache aber nicht besser macht.

Viele waren irritiert, namentlich Schauspieler Mike Müller, der auf Twitter forderte, die Inserateabteilung sollte «mal wieder in die Stiefel» gestellt werden. Die fragliche Werbung wurde über Googles Werbenetzwerk ausgespielt, das Google AdSense heisst, von Millionen von Websites weltweit genutzt wird und für einen wichtigen Teil von Googles Umsatz verantwortlich ist.

Google tut einiges, um missbräuchliche Anzeigen zu entdecken. Dazu kommt ein mehrstufiges Verfahren zum Einsatz, das Google hier beschreibt. Zuerst werden automatische Filter verwendet. Google hat auch ein Team von Live-Reviewern, die normalerweise aber erst zum Zug kommen, wenn Nutzer oder Webbetreiber Werbungen melden: Das ist über das Icon möglich, das in der rechten oberen Ecke der Werbung angezeigt wird.

Ein Erklärvideo, wie Sie fragwürdige Werbung melden.
Video: Google

Bei diesem Verfahren ist es unvermeidlich, dass immer wieder Anzeigen durchrutschen: Typisch sind Inserate mit Prominenten wie Roger Federer, DJ Bobo oder eben Bundesrat Alain Berset, die mit gefälschten Zeitungsartikeln für Bitcoin-Investments Werbung machen – in Deutschland wird die gleiche Masche mit Boris Becker, Günther Jauch, Markus Lanz oder Dieter Bohlen abgezogen. Nicht nur das: Die Betrüger versuchen auch, via Werbung Schadsoftware zu verbreiten. Ende letzter Woche hat das Fachmagazin «Heise» von einem «Tsunami» mit sogenanntem Malvertising berichtet.

Wie lässt sich Google austricksen?

Trotzdem stellt sich die Frage: Warum lässt sich dieser Betrug nicht stoppen? Gerade die Betrügereien mit Prominenten müssten sich doch leicht unterbinden lassen, indem die Namen der Betroffenen auf eine Sperrliste gesetzt werden.

Allerdings sind die Betrüger erfindungsreich genug, um simple Wortlisten zu überlisten. Sie tun das beispielsweise über einen Trick, der «Visual Spoofing» oder auch «homografische Unkenntlichmachung» genannt wird. Er basiert darauf, dass es in anderen Zeichensystemen Buchstaben gibt, die genauso aussehen wie im lateinischen Alphabet. Beim Namen «Berset» könnte beispielsweise das R aus dem kyrillischen Alphabet eingefügt werden: Von Auge ist das kaum zu unterscheiden, doch ein Computer, der mit einer Sperrliste arbeitet, würde diese Variante passieren lassen. Da der globale Zeichenfundus des Unicode-Systems mehrere Tausend Glyphen aufweist, gibt es eine grosse Zahl von Tarnmöglichkeiten.

Google steht in der Verantwortung, griffigere Methoden gegen diesen Betrug zu finden. Die Nutzerinnnen und Nutzer sollten solche Werbungen melden. Und die Webbetreiber, die Google-Ads auf ihren Seiten haben, sollten von den Filter- und Sperrmöglichkeiten Gebrauch machen, indem sie beispielsweise sensible Kategorien von vornherein ausschliessen.

Auch Betreiber von Websites mit Google-Werbung haben die Mögichkeit zu steuern, welche Anzeigen auf der Site erscheinen.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 8. Februar 2023

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