Welche App übersetzt am besten?

Digitale Lebenshilfe Google Translate ist das bekannteste Tool, um Texte in andere Sprachen zu übertragen. Es gibt aber starke Konkurrenz, wie unser Vergleich zeigt.

Matthias Schüssler

Googles Übersetzungsdienst feiert sein 15-Jahr-Jubiläum. Im März 2006 ging er online, konnte ursprünglich aber nur zwischen Englisch und Arabisch übersetzen. Eine breitere Nutzung erreichte er im Mai 2009, als Google die Übersetzung in seinen Maildienst G-Mail einbaute. Damals standen bereits 41 Sprachen zur Verfügung.

Heute ist die maschinelle Übersetzung Normalität. Wir haben uns zwar daran gewöhnt, dass wir den Computer-Dolmetschern nicht vertrauen dürfen, da sie Dinge häufig missverstehen und auch sinnentstellend übertragen. Doch wenn man das im Hinterkopf behält, sind sie dennoch eine Erleichterung: Bei einer Sprache, die man selbst beherrscht, beschleunigen sie den Übersetzungsvorgang. Und bei Sprachen, die einem spanisch vorkommen, geben sie einem zumindest eine Ahnung, worum es gehen könnte.

Neben Google Translate gibt es Alternativen von anderen Herstellern, die sich hier mit dem Platzhirsch vergleichen lassen müssen. Für den Test verwenden wir die erste Strophe aus Franz Hohlers Gedicht «Der Unnütze»: «Schon lange sollte ich den Thujabaum vor meinem Fenster fällen. Alle, die von Gärten was verstehen, raten mir’s. Er ist zu schnell gewachsen seinerzeit und ragt nun alt und viel zu schütter bis zum zweiten Stock, frisst Licht und Boden, aber dient zu nichts.»

— Der Platzhirsch: Google Translate

Die Übersetzungs-App von Google, erhältlich für Android und für iPhone/iPad, beherrscht inzwischen 94 Sprachen. Sie bietet allen erdenklichen Komfort: Man kann für die Übersetzung ohne Internetverbindung die nötigen Dateien aufs Telefon herunterladen. Die App zeigt die Übersetzung bildschirmfüllend an, wenn man das Smartphone quer hält: Man kann sie dann jemandem unter die Nase halten und sich so verständlich machen. Es gibt auch eine Sprachausgabe, mit der man sich Original oder Übersetzung anhören und ein Gefühl für eine Sprache bekommen kann. Nicht nur das: Google dolmetscht mittels Spracherkennung auch live oder transkribiert Gesprochenes fortlaufend in eine andere Sprache.

Die Übersetzung von Google: I should have felled the thuja tree in front of my window for a long time. Anyone who knows anything about gardens advise me. It grew too fast at the time and now rises up to the second floor, old and much too sparse, but eats light and ground but serves no purpose.

Bewertung: Die Übersetzung ist verständlich, auch wenn sich Google einen grammatikalischen Fehler («advise me») leistet. Zusammen mit dem reichen Funktionsumfang aber bleibt Google Translate ein fester Wert bei der maschinellen Übersetzung.

— Die wenigsten Funktionen: Apple-Übersetzer

Seit iOS 14 liefert Apple eine eigene Übersetzer-App mit. Sie bietet nur einen sehr rudimentären Funktionsumfang: Sie übersetzt eingetippten Text oder ab Mikrofon, wobei zwölf Sprachen zur Auswahl stehen. Immerhin: Man kann sie auch für die Offline-Nutzung aufs Gerät herunterladen.

Das macht Apple aus Hohlers Gedicht: I have been supposed to cut down the Thuja tree in front of my window for a long time. Everyone who understands something about gardens advises me. It has grown too fast at the time and now rises old and far too shaker to the second floor, eats light and ground but serves nothing.

Bewertung: Die Übersetzung klingt in meinen Ohren mehr nach dem Original als bei Google; abgesehen von dem umständlichen «I have been supposed to…» am Anfang. Bleibt die Frage: Ist «shaker» die passende Übersetzung für schütter? Ich habe gewisse Zweifel.

Trotzdem lässt sich festhalten, dass Apple sich bei der Qualität der Übersetzung nicht hinter Google zu verstecken braucht. Und für die App spricht auch der Datenschutz, der bei Apple im Schnitt höher gewichtet wird als bei Google.

— Microsoft Translate: Google dicht auf den Fersen

Die Übersetzungs-App von Microsoft stellt vier Modi zur Verfügung: Sie überträgt gesprochene Inhalte entweder in einzelnen Sätzen oder fortlaufend. Sie nimmt den Ausgangstext auch ab Tastatur oder Kamera entgegen. Und sie hat eine Chat-Funktion, bei der sich bis zu hundert Teilnehmer in eine Unterhaltung einklinken und sich über Sprachgrenzen hinweg austauschen.

Microsofts App beherrscht auch die Offline-Übersetzung. Sie beherrscht um die 70 Sprachen und ist fürs iPhone und für Android verfügbar.

Microsoft überträgt das Gedicht so: For a long time I was supposed to cut down the thuja tree in front of my window. Everyone who understands gardens advises me. It has grown too fast at the time and now protrudes old and much too shaky to the second floor, eats light and soil but serves nothing.

Bewertung: Eine kompakte und schnörkellose Übersetzung, die mir bislang am besten gefällt, vor allem auch, weil Boden nicht mit ground, sondern mit soil übersetzt wird – was mir passender erscheint.

— Der Geheimtipp: Deepl-Übersetzer

Deepl.com ist seit 2017 im Geschäft: Der Übersetzer hat damals eingeschlagen wie eine Bombe, weil er die Konkurrenz, namentlich Google, um Längen geschlagen hat. «Der erste Übersetzer mit dem Wow-Effekt», lautete unser Urteil damals. Seit kurzem gibt es Deepl auch als App fürs iPhone (bislang nicht für Android). Die App nimmt den Text getippt oder übers Mikrofon entgegen und stellt eine Sprachausgabe fürs Original und für die Übertragung zur Verfügung.

So übersetzt Deepl Hohler: I should cut down the thuja tree outside my window a long time ago. Everyone who knows anything about gardens advises me to do so. It grew too fast in those days and now towers old and much too sparse up to the second floor, eats up light and soil but serves nothing.

Bewertung: Auch Deepl hat Boden mit soil übersetzt, und für das Verb ragen als einzige App to tower up verwendet – viel poetischer als to rise up wie bei Google und Apple bzw. das profane protrude bei Microsoft. Auch das simple should am Anfang ist passend. Darum bleibt Deepl seinem Ruf als bester maschineller Übersetzer treu – auch wenn es absolut kein K.-o.-Sieg ist.

Es bleibt anzumerken, dass die Unterschiede je nach Text und Sprachkombination noch immer riesig sind. Es lohnt sich daher, mehr als eine App bereitzuhalten und sich im Zweifelsfall nicht mit der erstbesten Übersetzung zufriedenzugeben.

Was sind Ihre Erfahrungen mit Übersetzungs-Apps? Welche überzeugt Sie besonders – oder haben Sie einen Fall erlebt, wo Sie von der künstlichen Intelligenz in die Irre geleitet worden sind? Schreiben Sie an matthias.schuessler@tamedia.ch.

Wer nicht versteht, was für Gewürze auf dem Markt der iranischen Stadt Shiraz angeboten werden, greift zur Übersetzungs-App. Foto: Getty Images

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 13. Oktober 2021

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