So klappt der Abschied von Whatsapp

Datenschutz Die neuen Nutzungsbestimmungen beim ehemaligen Shootingstar unter den Messengern ärgern viele sicherheitsbewusste User. Ein Wechsel drängt sich auf – zumal es hervorragende Alternativen gibt.

Matthias Schüssler

— Warum ist Whatsapp nicht mehr cool?

Whatsapp hat seinen Usern neue Nutzungsbestimmungen unterbreitet. Diese erlauben es dem zu Facebook gehörenden Chatprogramm, Informationen mit dem sozialen Netzwerk auszutauschen. Das bedeutet nicht, dass alle Nachrichten bei Facebook landen: Das ist technisch nicht möglich, da die Kommunikation verschlüsselt übertragen wird. Dennoch gelangt Facebook in Besitz von vielen Metadaten, zum Beispiel, wer mit wem kommuniziert.

Das ist ein Ärgernis für datenschutzbewusste Nutzerinnen und Nutzer – zumal Facebook bei der Übernahme von Whatsapp 2014 versprochen hatte, die beiden Dienste würden getrennt bleiben. Bislang konnte man diesem Datenaustausch widersprechen. Doch nun macht Facebook ernst: Wer mit einer zusätzlichen Gnadenfrist von drei Monaten den neuen Nutzungsbestimmungen nicht zustimmt, kann die App nicht mehr weiter nutzen.

— Wie man Freunde vom Wechsel überzeugt

Es gibt mehrere Instant-Messenger, die als Ersatz dienen können. Diese stehen Whatsapp in nichts nach und haben teils sogar mehr zu bieten. Die Herausforderung ist allerdings, dass man auch seine Freunde und Kommunikationspartner zu einem Wechsel bewegen muss – und dazu muss man unter Umständen einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Denn nicht jeder teilt die Bedenken und verspürt Lust, sich an eine neue App zu gewöhnen oder eine kostenpflichtige App wie Threema zu erwerben.

Die radikale Methode ist, sich mit einer letzten Botschaft zu Wort zu melden, in der man erklärt, man sei künftig nur noch über die neue App erreichbar. Doch wir empfehlen hier eher den argumentativen Weg: Von den Vorteilen des grösseren Datenschutzes lassen sich die meisten Gesprächspartner überzeugen, selbst wenn es sich um eingefleischte Facebook-Fans handeln sollte

Sollte ein Wechsel an den Kosten scheitern – Threema kostet um die drei Franken –, können Sie die App auch verschenken: Für Nutzer eines iPhone ist das unkompliziert über den App Store möglich: Tippen Sie auf das «Teilen»-Symbol und wählen Sie «App verschenken» aus dem Menü. Bei Android ist das Verschenken etwas komplizierter; die Anleitung finden Sie unter Shop.threema.ch. Beachten Sie, dass das Verschenken über Landesgrenzen hinweg nicht möglich ist.

— Die Schweizer Alternative: Threema

Die in der Schweiz entwickelte Messenger-App ist hierzulande populär, gehört global gesehen aber zu den kleinen Whatsapp-Konkurrenten. Der grösste Vorteil ist, dass dieser Messenger eine Anmeldung nicht nur ohne E-Mail-Adresse, sondern auch ohne Handynummer zulässt. Das verbessert nicht nur den Datenschutz und lässt sogar eine anonyme Verwendung zu. Es ermöglicht es ferner, den Messenger auch auf von Kindern ohne SIM-Karte genutzten Geräten zu installieren.

Auch den Zugriff auf das Adressbuch muss man Threema nicht gewähren. Wenn man den verweigert, muss man allerdings seine Kommunikationspartner manuell hinzufügen, indem man die aus acht zufällig ausgewählten Zeichen bestehende Threema-ID allen Freunden und Bekannten zukommen lässt – zum Beispiel als letzte Nachricht auf Whatsapp.

Bei Threema werden die Nachrichten nach der Zustellung aus der Cloud gelöscht. Daher ist die Datensicherung wichtig, denn sollte das Smartphone abhandenkommen, sind auch die Chats, Kontakte und Gruppen verloren. Die Datensicherung wird bei «Mein Profil» über «Threema Safe» aktiviert. Sie können für die Datensicherung sogar einen eigenen Server angeben.

Threema erlaubt Sprach- und Videoanrufe und lässt sich auch am Computer über den Browser nutzen. Um diese Funktion zu aktivieren, öffnen Sie die Einstellungen, aktivieren die Funktion bei «Threema Web» und folgen der Anleitung.

— Von Whistleblower Snowden empfohlen: Signal

Signal geniesst in Sachen Sicherheit und Schutz der Privatsphäre einen hervorragenden Ruf. Dazu trägt bei, dass Whistleblower Edward Snowden die App seit Jahren nutzt und empfiehlt. Aber nicht nur dies spricht für sich: Die App ist zudem ein Open-Source-Projekt, und das Nachrichtenprotokoll wurde von unabhängiger Seite überprüft. Ein Nachteil ist bei dieser App, dass man seine Telefonnummer hinterlegen muss und sie auch das Adressbuch des Telefons ausliest. Allerdings werden die Kontakte nicht auf den Signal-Servern gespeichert.

Auch mit Signal sind Sprach-, Videoanrufe und Gruppenanrufe möglich. In der Chatübersicht erscheinen durch Wischen praktische Befehle: Mit Wischen von links nach rechts haben Sie die Möglichkeit, wichtige Chats oben an der Liste anzuheften oder eine Konversation als ungelesen zu markieren – das erinnert Sie daran, wenn Sie noch eine Antwort schuldig sind.

Signal konnte in den letzten Tagen und Wochen mit vielen Neuanmeldungen von der Whatsapp-Müdigkeit profitieren. Das hatte auch negative Auswirkungen, die Server waren in den letzten Tagen teils überlastet.

— Der grösste Profiteur der Whatsapp-Müdigkeit: Telegram

Den grössten Zuwachs konnte der russische Messaging-Dienst Telegram erzielen: Er hat in den letzten Tagen die 500-Millionen-Nutzer-Grenze geknackt, innert 72 Stunden seien 25 Millionen neue Anwender dazugekommen, wie der Gründer Pawel Durow mitteilte.

Telegram ist eine komfortable App mit einem grossen Funktionsumfang, beispielsweise mit den bunten Stickerbildern, die es erlauben, die Nachrichten aufzupeppen.

Doch Telegram steht aus zwei Gründen in der Kritik. «Man macht sich als Nutzer quasi komplett nackig», moniert ein Sicherheitsexperte des Techmagazins Heise.de, der nachgewiesen hat, dass die ganzen Chatverläufe auf den Servern des Betreibers gespeichert sind. Die zweite Kritik rührt daher, dass Telegram zunehmend auch von Extremisten aller Art, etwa von Jihadisten und Rechtsextremen, benutzt wird, die teils riesige Gruppenchats unterhalten. Die Non-Profit-Organisation Coalition for a Safer Web hat eine Klage angestrengt, mit der Apple gezwungen werden soll, die App aus dem Store zu werfen.

— Wie soll man danach mit Whatsapp verfahren?

Wenn Sie es geschafft haben, Ihre Freunde und Chatgruppen auf eine neue App zu lotsen, können Sie Whatsapp löschen. Sicherer ist allerdings, erst das Nutzerkonto und dann die App zu beseitigen. Das tun Sie in der App unter «Einstellungen», «Account», «Meinen Account löschen». Unterhaltungen, die Sie nicht verlieren möchten, exportieren Sie vorher: Tippen Sie am oberen Rand auf den Namen des Kontakts oder der Gruppe und betätigen Sie den Befehl «Chat exportieren».

Die hierzulande populäre Whatsapp-Alternative Threema ist global gesehen ein kleiner Player, verbessert aber den Datenschutz und lässt sogar eine anonyme Nutzung zu. Foto: PD

Telegram steht in der Kritik, weil es zunehmend von Jihadisten und Rechtsextremen benutzt wird.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 20. Januar 2021

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