Drohne für den Haushalt
Amazon überwacht den heimischen Luftraum
Der US-Versandhändler hat an einer Veranstaltung diverse neue Produkte für den vernetzten Haushalt vorgestellt. Darunter eine Sicherheitsdrohne für private Haushalte. Doch wie stehts um die Privatsphäre der User?
Matthias Schüssler
Amazon hat vergangene Woche an einem grossen Medienanlass eine Reihe neuer Geräte und Produkte für den vernetzten Haushalt vorgestellt. Es gibt zwei neue smarte Lautsprecher aus der Echo-Reihe. Sie zeichnen sich wie bis anhin durch einen Preis von unter 100 US-Dollar und einen exzellenten Klang aus, haben neu jedoch ein kugelförmiges Design.
Auch die etwas kleineren Speaker aus der Dot-Serie gibt es in der rundlichen Form, ebenso die zwei neuen Varianten für Kinder. Das neue Modell Echo Show 10 dreht sich mittels Motor dorthin, wo der Nutzer sich in der Wohnung befindet, sodass dieser aus jeder Position einen guten Blick aufs smarte Display hat.
Autonom patrouillierende Drohne
Das spektakulärste neue Produkt kommt von der Amazon-Tochter Ring, die vernetzte Überwachungskameras und Türschlösser herstellt. Ring lanciert eine Sicherheitsdrohne namens Always Home (passend also: immer zu Hause).
Sie fliegt selbstständig durch das Haus und sieht per Videokamera zum Rechten, wenn niemand im Haus ist. Sie kann die Räume in vorgegebenen Intervallen abfliegen oder aber selbsttätig auf Erkundung gehen, zum Beispiel nachdem unerklärliche Geräusche zu hören waren.
Es war denn auch diese Drohne, die sämtliche anderen Ankündigungen in den Schatten gestellt hat – sogar den neuen Cloud-Gaming-Dienst Luna, mit dem Amazon in direkte Konkurrenz zu Google Stadia und Microsofts xCloud tritt. Der Chef des Cloudunternehmens Box, Aaron Levie, hat sein Unbehagen in Form eines Tweets geäussert: «Als ob 2020 noch nicht dystopisch genug wäre, hat Amazon auch noch eine fliegende Indoor-Kamera angekündigt.»
If 2020 wasn’t already dystopian enough for you, Amazon just announced an indoor flying drone camera. pic.twitter.com/zXZOkYfMxL
— Aaron Levie (@levie) September 24, 2020
Amazon seinerseits gibt sich angesichts der Vorbehalte erstaunlich gelassen: Der Reporter von «The Verge» berichtet, Amazon habe Bedenken mit einem Scherz abgetan: Weil die Drohne die typischen Fluggeräusche von sich gibt, biete sie «Privatsphäre, die man hören könne».
Halbnackt-Fotos für die Cloud
Über Ängste, die solche Produkte auslösen könnten, scheint man sich bei Amazon generell wenig Gedanken zu machen. Ende August hatte der US-Onlinehändler das Fitnessarmband Halo vorgestellt. Es misst Herzfrequenz, Schritte und die Körpertemperatur, und es versucht, anhand der Stimme die gefühlsmässige Verfassung des Trägers zu ermitteln. Und mit der zum Band gehörenden App lässt sich der Körperfettanteil bestimmen. Doch dazu muss man per Smartphone ein Ganzkörperbild in engen Kleidern oder in Unterwäsche aufnehmen und zur Auswertung an die Cloud überantworten.
Amazon analysiert den Körperfettanteil. Doch dafür muss man sich in Unterwäsche fotografieren.
Ob die Intimsphäre der Nutzer gewahrt bleibt, ist die eine Frage. «The Verge» hat ein weiteres Problem aufgeworfen: Eine solche App könne für Menschen mit einer gestörten Körperwahrnehmung oder mit Essstörungen negative Auswirkungen haben.
Amazon erklärte, es gebe Sicherheitsvorkehrungen; beispielsweise könne man keine gefährlich niedrigen Werte fürs Körperfett einstellen, es gebe Warnhinweise, und eine Nutzung unter 18 Jahren sei nicht erlaubt.
Amazon hat bei den vernetzten Lautsprechern und den Produkten fürs Smart Home nach wie vor einen guten Stand. Doch die Konkurrenz, namentlich Google, hat in den letzten Jahren aufgeholt. Google hat für den 30. September einen Anlass angekündigt, an dem es ebenfalls um Produktvorstellungen gehen dürfte – sodass Amazon alles technisch Machbare tut, um tonangebend zu bleiben.
Die Echo-Produkte sind in der Schweiz bislang offiziell nicht erhältlich, und auch über die Verfügbarkeit der Ring-Drohne in Europa gibt es bislang keine Ankündigung.